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USA

Eine halbe Million Packungen Hydroxychloroquin mehr verkauft

Das Hin und Her zur Wirksamkeit und Sicherheit von Ibuprofen, ACE-Hemmern, Hydroxychloroquin und anderen Arzneistoffen spiegelt sich auch in den Verordnungen wider, zumindest in den USA, wie eine aktuelle Auswertung zeigt.
Daniela Hüttemann
11.06.2020  11:00 Uhr

In den USA haben sich Forscher die Apothekenabgabezahlen für Hydroxychloroquin, Chloroquin, Azithromycin sowie die zehn normalerweise meist verschriebenen Arzneimitteln, darunter der ACE-Hemmer Lisinopril sowie der Angiotensin-Rezeptorblocker Losartan, zwischen dem 16. Februar und 25. April auf wöchentlicher Basis genauer angesehen und mit den Vorjahreswerten verglichen.

In die Auswertung flossen die Daten von 58.332 Apotheken ein, darunter Ketten, inhabergeführte und Versandapotheken in allen 50 US-Bundesstaaten. Einen Peak insgesamt, also für alle Arzneistoffe, gab es in der Woche vom 15. bis 21. März, berichten die Autoren vom Brigham and Women’s Hospital, Boston, dem Versicherer Boston Healthcare System sowie dem kalifornischen Telemedizin-Anbieter GoodRx in einem Research Letter im Fachjournal »JAMA«. Kurz zuvor, am 11. März, hatte die Weltgesundheitsorganisation WHOCovid-19 zur Pandemie erklärt. Am 13. März riefen die USA den nationalen Notfall aus. Am 17. März erschien eine erste nicht-randomisierte Studie, die einen Nutzen von Hydroxychloroquin suggerierte – und am 19. März kam die persönliche Empfehlung von US-Präsident Donald Trump, den Arzneistoff bei Corona-Patienten einzunehmen.

In dieser Woche, also vom 15. bis 21. März, gab es ein Plus von 1.977,0 Prozent bei den Hydroxychloroquin- und Chloroquin-Packungen mit 28 oder weniger Tabletten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum: von 2.208 Packungen in der Kalenderwoche 12 im Vorjahr auf 45.858 in diesem Jahr. Bei den größeren Packungen fiel der prozentuale Anstieg zwar moderater, aber immer noch deutlich aus, zumal sie mengenmäßig klar überwiegen: Für die N2-Packungen mit 28 bis 60 Tabletten von 70.472 auf 196.606 belieferte Verordnungen (+179,0 Prozent); für die Großpackungen mit mehr als 60 Tabletten von 44.245 auf 124.833 Exemplare (+182,1 Prozent). Dieser Peak korrespondiere mit den Internet-Suchanfragen zu den zwei Wirkstoffen, schreiben die Autoren um Haider J. Warraich.

Am Studienende, also Ende April, wurden immer noch 848,4 Prozent mehr kleine Packungen und 53,3 Prozent mehr mittlere Packungen Hydroxychloroquin und Chloroquin beliefert, während 64,0 Prozent weniger Großpackungen abgegeben wurden. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Malaria- und Rheumamittel bei Covid-19bleibt umstritten.

Von der Überversorgung zur Unterversorgung?

In dem zehnwöchigen Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 483.425 Packungen Hydroxychloroquin und Chloroquin mehr abgegeben, als im Vorjahreszeitraum. Dabei ist zu betonen, dass es sich um die ambulante Versorgung handelt, nicht um die ärztlich überwachte Therapie von Covid-19-Patienten im Krankenhaus, wie sie aktuellen Empfehlungen, wenn überhaupt, erfolgen sollte. Auffällig war auch, dass Langzeitverordnungen der antientzündlichen Mittel seltener eingelöst wurden, was laut Autoren daraufhin deutet, dass Patienten mit rheumatoider Arthritis oder systemischen Lupus erythematodes aufgrund mangelnder Verfügbarkeit unterversorgt wurden. Dies decke sich mit den offiziellen Lieferengpass-Meldungen der US-Arzneimittelbehörde FDA ab dem 31. März.

Die auffälligsten Rückgänge bei den belieferten Rezepten waren bei den Antibiotika Amoxicillin (-64,4 Prozent) und Azithromycin (-62,7 Prozent) sowie dem Opioid Hydrocodon (-21,8 Prozent) zu verzeichnen. Und trotz aller Hypothesen um die Sicherheit von ACE-Hemmern und Sartanen blieben die eingelösten Rezeptzahlen bei den kardiovaskulären Wirkstoffen relativ stabil oder nahmen nur moderat ab, und das auch in anderen Wirkstoffklassen: -9,2 Prozent beim Amlodipin, -9,1 Prozent bei Atorvastatin, -15,3 Prozent beim Lisinopril und sogar ein leichtes Plus von 1,7 Prozent beim Losartan.

Hier führen die Autoren den Rückgang eher darauf zurück, dass die Patienten vermutlich wegen der Pandemie weniger häufig beim Arzt waren oder nur eingeschränkten Zugang zu Apotheken hatten, Apotheken rationieren mussten, die Patienten vorher gehamstert hatten oder aber auch durch Arbeitslosigkeit ihren Versicherungsschutz verloren haben. Den zum Vorjahr auffälligen Rückgang bei den beiden Antibiotika erklären sie damit, dass vermutlich durch die Corona-Maßnahmen weniger Infekte der oberen Atemwege ambulant behandelt werden mussten.

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