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Corona-Gremium

E-Patientenakte hat für Expertenrat »höchste Priorität«

Insbesondere in der Omikron-Welle zeigt sich laut Corona-Expertenrat ein »eklatantes Defizit«, was die zeitnahe Datenverfügbarkeit betrifft. Abhilfe könnte die elektronische Patientenakte (EPA) schaffen. Sie müsse daher schnellstmöglich kommen.
Jennifer Evans
24.01.2022  12:30 Uhr

Deutschland benötigt eine umfassende Digitalisierung des Gesundheitswesens mit Ausleitung, Auswertung und Veröffentlichung von anonymisierten Gesundheitsdaten in Echtzeit. Darauf drängen die 19 Mitglieder des Corona-Expertenrats der Bundesregierung nun in ihrer vierten Stellungnahme. Damit ist gemeint, dass hierzulande eine patientenindividuelle Datenerfassung sowie anonymisierte Auswertung durch eine elektronische Patientenakte (EPA) fehlt. Die Kritik des Gremiums: Selbst zwei Jahre nach Beginn der Pandemie fehlt der Zugang zu wichtigen, aktuellen Versorgungsdaten.

In den Augen der Experten ist das fatal, weil sich insbesondere bei der Hospitalisierung das »eklatante Defizit der Verfügbarkeit zeitnaher Daten« zeigt, wie es in den Ausführungen heißt. Das erschwere nicht nur die Bewertung der aktuellen Pandemie-Lage,  sondern auch die daraus resultierende Basis für nötige politische Entscheidungen. Zu dem Experten-Team gehört unter anderem der Virologe Christian Drosten, der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler sowie der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO) Thomas Mertens.

EPA muss im Winter 2022/23 funktionieren

Die Wissenschaftler fordern, die Einführung der EPA »mit höchster Priorität« umzusetzen. Eine weitere Verzögerung der bereits gesetzlich verankerten E-Akte ist ihrer Ansicht nach nicht mehr mit »einem modernen Gesundheitswesen und Pandemiemanagement« vereinbar. Die PZ hatte bereits ausführlich über die Hintergründe berichtet, warum die EPA 2.0 so verspätet ist.

Das Expertengremium pocht nun darauf, dass entsprechende Gesundheitsdaten bereits im Winter 2022/23 vollständig in Form der EPA vorliegen – sowohl mit Blick auf eine verbesserte Patientenversorgung als auch in anonymisierter Form für die wissenschaftliche Auswertung.

Das Problem der fehlenden Daten in Deutschland hatte im vergangenen Jahr bereits der Sachverständigenrat Gesundheit (SVR) bemängelt und unter anderem für die EPA eine Opt-Out-Lösung gefordert. Das bedeutet, die Krankenkasse richtet jedem Patienten automatisch eine E-Akte ein, solange er dieser nicht aktiv widerspricht. Derzeit gilt eine Opt-In-Regelung.

Buschmann verwechselt Zuständigkeiten

Umso überraschender erschien die Äußerung von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in der Polit-Talkshow Anne Will am gestrigen Sonntagabend. Während der Diskussion sagte Buschmann mit Blick auf die EPA, man wolle den »Ball des Expertengremiums aufgreifen«. Da die aktuelle Situation inakzeptabel sei, wolle man die zuständigen Gesundheitsminister der Länder darauf hinweisen, Tempo zu machen. Wörtlich sagte er: »Sie werden den Auftrag der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten und vom Bundeskanzler und auch von der Bundesregierung bekommen, dass wir das Thema aufgreifen. Wir dürfen nicht länger zuschauen«.

Tatsächlich gibt es die EPA aber seit dem 1. Januar 2021. Seitdem können alle gesetzlich Versicherten von ihrer Kasse eine digitale Akte erhalten, in der sie medizinische Befunde, Arztbriefe oder Röntgenbilder hinterlegen. Auch haben die Patienten einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass ihr Arzt die EPA auf Wunsch befüllt. Die E-Patientenakte hatte der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) auf den Weg gebraucht, das am 11. Mai 2019 in Kraft trat.

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