Doppelschlag blockiert Fluchtwege |
Sven Siebenand |
08.04.2021 06:55 Uhr |
Die Diagnose kleinzelliger Lungenkrebs wird in Deutschland bei jährlich rund 8000 Patienten gestellt. / Foto: Adobe Stock/BillionPhotos.com
Das kleinzellige Lungenkarzinom (small cell lung cancer, SCLC) hat oft eine schlechte Prognose. In Deutschland erhalten pro Jahr rund 8000 Patienten diese Diagnose. Charakteristisch für diesen Tumor ist die hohe Zellteilungsrate, die zunächst ein gutes Ansprechen einer Chemotherapie verspricht. »Leider hält der Erfolg der Chemotherapie in vielen Fällen nur kurz an, da die Tumorzellen Resistenzen gegen die Therapie entwickeln. Hinzu kommt, dass ein Tumor nicht nur aus einem, sondern aus verschiedenen Zelltypen, den sogenannten Subtypen besteht, die auf unterschiedlichen Wegen versuchen, der tödlichen Therapie zu entkommen«, erklärt Dr. Silvia von Karstedt von der Universität Köln in einer Pressemitteilung der Hochschule.
Ein Forschungsteam um von Karstedt hat zwei neue Möglichkeiten entdeckt, das Absterben von SCLC-Zellen herbeizuführen. Eine von zwei Untergruppen der Tumorzellen kann durch die Aktivierung von Ferroptose, den eisenabhängigen Zelltod durch oxidativen Stress, bekämpft werden. Im zweiten Subtyp ist oxidativer Stress – und damit verbunden der Zelltod – auf einen alternativen Weg zu erzielen. Beide Mechanismen müssen laut den Wissenschaftlern durch Medikamente parallel ausgelöst werden, um weitestgehend alle Tumorzellen abzutöten. In »Nature Communications« sind die Ergebnisse von Erstautorin Christina Bebber, ebenfalls Universität Köln, publiziert worden.
SCLC-Tumorzellen lassen sich vereinfacht in zwei Subtypen aufteilen: neuroendokrine und nicht-neuroendokrine Zellen. Erstere schützen sich den Wissenschaftlern zufolge mithilfe von Antioxidanzien vor oxidativem Stress und somit vor einem Zelltod. Durch die Zugabe des Antioxidanzien-Hemmers Auranofin wurde die Gegenwehr dieser Krebszellen aber gebrochen. Zellen des nicht-neuroendokrinen Typs konnten dagegen mithilfe von Buthioninsulfoximin, was Ferroptose auslöst, zum Zelltod gebracht werden können.
Wurde ein Tumor, der aus Zellen beider Subtypen bestand, nur auf einem der beiden Wege attackiert, konnten die Tumorzellen ausweichen, indem sie ihre Genexpression anpassten, um in den Subtyp zu wechseln, der dem jeweiligen Angriff widerstehen kann. »Durch die Kombinationstherapie haben wir den Tumorzellen diesen Fluchtweg genommen«, fasst von Karstedt die Zellversuche zusammen.
Positiv ist, dass in den Untersuchungen Substanzen zum Einsatz kamen, die bereits klinisch getestet oder für eine andere Indikation zugelassen sind. Buthioninsulfoximin wird bereits in der Krebstherapie in klinischen Studien untersucht. Das Goldsalz Auranofin, das die Bildung von schützenden Antioxidanzien blockiert, ist seit Jahrzehnten für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen. Künftige klinische Studien einer kombinierten Therapie werden klären müssen, inwiefern diese zielgerichtete Therapiemöglichkeit die Prognose beim SCLC verbessern kann.