Pharmazeutische Zeitung online
Orale Krebstherapie

Diese Tipps können Apotheker immer geben

Mittlerweile stehen mehr als 100 orale Krebsmedikamente zur Verfügung. Oral ist aber nicht banal und es treten viele, teils schwere Nebenwirkungen auf. Um diese zu vermeiden und zu managen, können Apotheker den Patienten wertvolle Tipps geben.
Daniela Hüttemann
04.07.2022  18:00 Uhr

Jedes Jahr kommen mehrere neue, oral verfügbare Medikamente für die »Krebstherapie zu Hause« auf den Markt. Es handelt sich um hoch wirksame Substanzen, zu denen die Patienten eine entsprechend gute Beratung brauchen. Den Oralia war daher beim 30. NZW-Kongress vergangene Woche in Hamburg ein ganzer Tag gewidmet.

Von sich aus würden die wenigsten Krebspatienten bei der Einlösung eines entsprechenden Rezepts etwas fragen, berichtete Claudia Freund, angestellte Apothekerin der City Apotheke Bad Hersfeld. Zwar unterschieden sich die oralen Antitumormedikamente hinsichtlich ihrer Indikation, des genauen Wirkmechanismus und klinischer Effekte. Doch viele Hinweise gälten allgemein und könnten grundsätzlich gegeben werden. Dazu brauche es kein Spezialwissen.

Präparatespezifische Hinweise und Merkblätter für Arzneimittel und zu häufigen Nebenwirkungen für Patienten gibt es zum Beispiel in der Datenbank der Initiative »Orale Krebstherapie« der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) und der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) unter www.orale-krebstherapie.de sowie beim Comprehensive Cancer Center (CCC) Erlangen-Metropolregion Nürnberg und dem dort ansässigen Kompetenz- und Beratungszentrum AMBORA (im Bereich für Fachkreise). AMBORA steht für Arzneimitteltherapiesicherheit bei oraler Tumortherapie. Beide Institutionen aktualisieren regelmäßig ihre Datenbank und Merkblätter.

Hände waschen nach der Einnahme

Da es sich um toxische Wirkstoffe handelt, muss der Umgang mit oralen Antitumormedikamenten besonders sorgfältig erfolgen. Dazu gehört, das Arzneimittel unzugänglich für Kinder und Haustiere aufzubewahren. Die Tablette oder Kapsel sollte immer bis zur Einnahme in der Originalverpackung belassen und nicht frühzeitig ausgeblistert werden, auch nicht zum Stellen der Medikamente. »Die Gefahr einer Kontamination ist zu groß«, warnte Freund. Nach der Einnahme sollte der Patient auf jeden Fall die Hände waschen, um nicht Spuren des Arzneistoffs in der gesamten Wohnung zu hinterlassen. Blistert eine andere Person aus, sollte sie Einmalhandschuhe tragen. Einen Handzettel für den Umgang mit oralen Zytostatika im häuslichen Bereich gibt es bei der Oralia-Initiative.

Immer zur gleichen Zeit auf die gleiche Art und Weise einnehmen

Manche Zytoralia müssen nüchtern, andere sollen mit einer Mahlzeit eingenommen werden, manche einmal am Tag, viele zweimal täglich. Oft besteht eine Einzeldosis aus mehreren Tabletten oder Kapseln. »Hier können sich die Fachinformationen unter Umständen bei neuen Erkenntnissen auch ändern«, konstatierte Jürgen Barth, Apotheker für klinische und onkologische Pharmazie am Universitätsklinikum Gießen.

Wichtig ist, dass das Krebsmedikament immer zur gleichen Zeit auf die gleiche Art und Weise eingenommen wird, um konstante Wirkspiegel zu gewährleisten. Eine viel fettere Mahlzeit als sonst kann die Bioverfügbarkeit mancher Wirkstoff dramatisch steigern. Die Oralia-Initiative bietet neuerdings auch eine Übersicht zu den Einnahmezeitpunkten der verschiedenen Präparate.

Freund riet, den Krebspatienten anzubieten, einen Einnahmeplan für die Krebsmedikation zu erstellen. Ein entsprechendes Tool bietet unter anderem die Oralia-Initiative. Dort können Patienten per Smiley ankreuzen, wie es ihnen am jeweiligen Einnahmetag ging und welche Nebenwirkungen aufgetreten sind.

Kein Johanniskraut und Vorsicht bei Zitrusfrüchten

Grundsätzlich sollten Krebspatienten nicht eigenmächtig Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, sondern dies mit ihrem Onkologen klären. Besondere Vorsicht ist bei Vitaminpräparaten mit Folsäure geboten, da diese die zytotoxische Aktivität mancher Arzneimittel, zum Beispiel von Capecitabin, erhöhen können. Umgekehrt sollte eine bislang erfolgte Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln nicht plötzlich abgebrochen werden, sondern in ärztlicher Begleitung, da dies die Wirkspiegel der Krebsmittel beeinflussen kann.

Patienten unter oraler Antitumortherapie sollten kein Johanniskraut einnehmen, auch nicht als Tee oder Präparat aus dem Supermarkt, da es als starker CYP-Induktor wirkt und die Wirkstoffspiegel vieler Krebsmedikamente klinisch relevant beeinflussen kann. Auch Zitrusfrüchte sind mit Vorsicht zu genießen, insbesondere Grapefruit. Eine Übersicht hat die Oralia-Initiative erstellt. So darf beispielsweise Panobinostat auch nicht mit Clementinen, Bitterorangen, Sternfrucht oder Granatapfel eingenommen werden.

Wissen, was bei Nebenwirkungen zu tun ist

Eine sehr häufige Nebenwirkung fast aller Krebsmedikamente ist Übelkeit und Erbrechen. »Wichtig ist, dass die Patienten wissen, was dann zu tun ist«, erklärte Freund. In der Regel wird ein erbrochenes Krebsmedikament nicht nachgenommen, sondern es wird der nächste vorgesehene Einnahmezeitpunkt abgewartet. Hier muss die Fachinformation beachtet werden. Beim Saubermachen sind Handschuhe zu tragen und die Toilette ist am besten zweimal zu spülen. Kontaminierte Kleidung und Bettwäsche sollte separat von anderer Wäsche gewaschen werden.

»Fragen Sie auch nach, ob der Patient bereits eine Begleitmedikation gegen Erbrechen und Durchfall hat, denn man kann es zwar nicht immer ganz verhindern, aber häufig deutlich lindern«, so Freund. »Der Patient muss auch wissen, was er tun soll, wenn eine Nebenwirkung auftritt. Es muss eine klare Absprache vorliegen, wann er deshalb zum Arzt muss.« Das gilt natürlich auch für andere unerwünschte Wirkungen, zum Beispiel an der Haut. Genaue Hinweise sind hier auch in den genannten Merkblättern zu finden.

Haut- und Mundpflege intensivieren

Das Beratungsgespräch sollte auch immer Hinweise für die Pflege der Haut, Schleimhäute und Zähne beinhalten. Viele Kinasehemmer können ein Hand-Fuß-Syndrom auslösen, bei dem die Haut schmerzhafte Blasen werfen kann. »Um es möglichst nicht so weit kommen zu lassen, sollten sich Patienten unter einer solchen Therapie mehrmals täglich die Hände und Füße eincremen«, riet Freund. Generell sollte der gesamte Körper am besten zweimal täglich von Therapiebeginn an eingecremt werden – nicht erst, wenn erste Hautreaktionen auftreten. Auf Nassrasur, Peelings und zu heiße Duschen sollten Krebspatienten verzichten. Gegen Juckreiz helfen Präparate mit Dexpanthenol, Polidocanol oder Mandelöl. 

Da viele Wirkstoffe die Haut für UV-Strahlung sensibilisieren, sollte direkte Sonneneinstrahlung vermieden werden (lange Kleidung, Schatten) und ein Sonnenschutzpräparat mit hohem Lichtschutzfaktor verwendet werden.

Mehr von Avoxa