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Atemwegsinfekte

Die Influenza wird wieder kommen

Während der Coronapandemie sind andere virale Atemwegsinfekte etwas aus dem Blickfeld geraten. Dabei sollte man im kommenden Winter auf eine heftige Influenzawelle vorbereitet sein, sagte Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Universität Frankfurt bei der Expopharm.
Elke Wolf
20.09.2022  09:00 Uhr

Durch SARS-CoV-2-Infektionen sind andere virale Atemwegsinfekte in den Hintergrund getreten – sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch bezüglich der Inzidenzzahlen. Vor allem was die Influenza betrifft, gab es in den vergangenen zwei Jahren keinen nennenswerten Grippe-Peak. Dafür sorgten Kontaktbeschränkungen und Masketragen. »Doch die Influenza wird uns wieder einholen. Das zeigen die Erfahrungen in Australien. Von der Südhalbkugel haben wir die Inzidenzzahlen quasi mit einem halben Jahr Vorlauf. Dort schnellen seit April/Mai die Zahlen enorm in die Höhe«, berichtete Schubert-Zsilavecz. Das Robert-Koch-Institut (RKI) beobachtet derzeit auch hierzulande eine größere Verbreitung von Influenza-, Rhino- und Parainfluenzaviren.

»Wenn Viren lange keine Rolle gespielt haben, dann kommen sie stärker zurück, da die meisten Menschen aufgrund der Schutzmaßnahmen gegen SARS-CoV-2 auch keinen Kontakt mit dem Grippevirus hatten und so keinen Immunschutz etwa durch eine durchgemachte Infektion aufbauen konnten und empfänglicher dafür sind.« Das gleichzeitige Zirkulieren von Influenza- und Coronaviren könnte die Lage verschärfen und zu einem verstärkten Krankheitsgeschehen führen, mutmaßte Schubert-Zsilavecz. »Ich glaube nicht, dass wir im kommenden Winter ein Problem haben werden, weil das Gesundheitswesen aufgrund von Corona-Hospitalisierungen überlastet sein wird. Wir werden ein Problem bekommen, weil hierzulande ähnlich wie in Australien die Menschen durch Influenza stark geschwächt und für ihre Arbeit ausfallen werden.« Die Grippe-Impfung sei dringend anzuraten.

Dass sich der fehlende Immunschutz auch hinsichtlich anderer Atemwegserkrankungen rächen könnte, zeigte sich im vergangenen Winter vor allem bei vielen Kleinkindern bezüglich des Respiratorischen Syncytial-Virus (RSV), ein Virus, das eigentlich vor allem Frühchen stark trifft. Ihr Immunsystem hatte sich im ersten Pandemiejahr nicht ausreichend entwickeln können und war auf Atemwegsviren im zweiten Pandemiejahr nicht vorbereitet (»Nachholeffekt«). Die Zahl und die Schwere der Krankheitsverläufe stellte die Kliniken vor große Herausforderungen.

Rationaler Einsatz von Antibiotika

Bei hohen Inzidenzen an respiratorischen Atemwegserkrankungen ist Antibiotic-Stewardship in der ärztlichen Praxis und auch in der Apotheke ein entscheidendes Konzept, betonte der Referent. Neueste Daten deuten darauf hin, dass Virus-Infektionen der Atemwege Patienten für bakterielle Coinfektionen prädisponieren, was zu schweren Krankheitsverläufen führen kann. Die durch die Erstinfektion hervorgerufene Entzündungsreaktion begünstigt die Adhäsion von Bakterien. Komplikationen führten hier schnell zum Einsatz von Antibiotika und dem Risiko antimikrobieller Resistenzen.

Hier gelte es, frühzeitig die richtigen therapeutischen Weichen zu stellen. So zeige etwa die aktuelle S3-Leitlinie zur Indikation Halsschmerzen/Pharyngitis »eine klare Abkehr von der Antibiotika-Therapie«, sagte der Referent. Sämtliche Rachentherapeutika – also Lutschtabletten, Gurgellösungen, Rachensprays – mit Lokalantiseptika und/oder Antibiotika werden von den Leitlinienautoren nicht empfohlen. Abgesehen von der mangelnden Evidenz sei die Anwendung dieser Mittel bei einer mehrheitlich viral bedingten Infektion nicht nachvollziehbar und nicht sinnvoll.

Als rationalen Ansatz zur Behandlung von akuten Halsschmerzen sehen die Leitlinienautoren die symptomatische Therapie mit antientzündlichen Wirkstoffen, also lokale oder orale nicht steroidale Antirheumatika wie Flurbiprofen, Ibuprofen oder Naproxen. Eine frühe Intervention mit OTC-Präparaten hält Schubert-Zsilavecz in jedem Fall für sinnvoll, »um den Viren den Boden zu entziehen. Letztendlich helfen sie, bakterielle Infektionen zu verhindern. Wir sollten lernen, NSAR nicht nur als Analgetika zu betrachten, sondern auch ihre antiphlogistische Wirkkomponente besser zu nutzen«.

In diesem Zusammenhang propagierte der Referent den Einsatz von Point-of-care-Schnelltests in der Offizin. Diese böten eine schnelle Entscheidungshilfe bei der Frage, ob es sich um eine bakteriell oder viral bedingte Infektion handele. »Mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung der Apotheken könnten diese Schnelltests eine zusätzliche Dienstleistung für die Offizinen sein.«

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