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BMG stellt klar

»Die E-Rezept-Testphase wurde nicht gestoppt«

Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach hatte zuletzt mit der Aussage für Aufsehen gesorgt, das E-Rezept und die elektronische Krankenschreibung (eAU) »gestoppt« zu haben. Der PZ liegt nun ein Schreiben aus dem Ministerium an die Gesellschafter der Gematik vor, in dem das Haus den eigenen Minister korrigiert: Beide langjährigen Projekte würden intensiv weitergeführt, heißt es.
Benjamin Rohrer
10.03.2022  12:52 Uhr

Bei einer Veranstaltung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zuletzt einige Aussagen getroffen, für die er im Nachhinein stark kritisiert wurde. Der Minister sagte, dass die beiden langjährigen Digitalisierungsprojekte eAU und E-Rezept nicht ausgereift seien und er sie deswegen »gestoppt« habe. Insbesondere den Einführungsstand beim E-Rezept kritisierte er als »fehleranfällig« und hinterfragte den Patientennutzen. »Wenn ich beispielsweise ein E-Rezept ausstelle und die Quittung dafür noch gedruckt aushändigen muss – das kann noch nicht überzeugen«, so der Minister. Die KBV selbst lobbyiert schon seit Monaten für einen Stopp des E-Rezeptes und eine grundsätzliche Nachdenkphase bei allen Digitalisierungsprojekten – nach den Äußerungen des Ministers begrüßte die Standesvertretung der Mediziner Lauterbachs angeblichen E-Rezept-Stopp.

Insbesondere bei Unternehmen und Institutionen, die sich mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens beschäftigen, brach hingegen ein Sturm der Entrüstung los. Die Firma Scanacs, die direkte Rezept-Abrechnungen mit den Kassen anbietet, schrieb einen Brandbrief an Lauterbach und bat ihn das Projekt E-Rezept unbedingt fortzuführen. Gematik-Chef Markus Leyck Dieken meldete sich schon wenig später auf Twitter zu Wort und erklärte, dass beide Projekte nicht gestoppt seien und weiter eingeführt würden.

Ministerialdirigent Renner stellt Digitalisierungsstrategie klar

Nun stellt auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Situation klar: Ministerialdirigent Thomas Renner, der derzeit übergangsweise die Abteilung für Digitalisierung im BMG verantwortet, richtete sich in einem Schreiben an die Gesellschafter der Gematik, zu denen neben dem Ministerium selbst die Interessenvertretungen der Kassen, Ärzte, Zahnärzte, Kliniken und Apotheker gehören. In dem Brief heißt es, dass »entgegen der Wahrnehmungen der KBV die Testphasen zu den Prozessen E-Rezept und EAU nicht gestoppt wurden, sondern intensiv fortgeführt werden«.

Renner erklärte Lauterbachs Äußerungen mit der Verschiebung beider Projekte, die das Ministerium bereits zu Jahresbeginn verkündet hatte. Zur Erinnerung: Mit dem Patientendatenschutzgesetz (PDSG) waren die Ärzte zum 1. Januar 2022 verpflichtet worden, Arzneimittel nur noch elektronisch zu verordnen. Da die Einführung allerdings insbesondere auf Ärzteseite an mehreren Stellen technisch stockte, verschob das BMG den flächendeckenden Start und teilte mit, dass die Testprojekte intensiviert werden sollten. In der Gematik wurden zudem mehrere Qualitätskriterien festgelegt, die im System erfüllt sein müssen, bevor die flächendeckende Einführung vollzogen werden kann. Die PZ hatte ausführlich berichtet.

Renner: Die Qualitätskriterien müssen erreicht werden

Bei dieser Meinung bleibt das BMG auch. In seinem Schreiben erklärt Renner: »Sobald die ebenfalls zusammen mit der Selbstverwaltung festgelegten Qualitätskriterien erreicht werden, folgt der schrittweise Roll-out der Anwendung auch für die Leistungserbringer, die noch nicht an der Test- und Pilotphase teilnehmen.«

Bei der EAU ist das Verfahren laut BMG ähnlich. Hier hatte das Bundesarbeitsministerium die flächendeckende Einführung gestoppt, um letzte technische Mängel zu beseitigen. Geplant ist nun, dass die EAU ab dem 1. Juli in ganz Deutschland verfügbar und anwendbar sein soll. Ab Jahresbeginn 2023 ist die elektronische Krankschreibung eine Pflichtanwendung.

In seinen fragwürdigen Äußerungen bei der KBV hatte Lauterbach auch eine »Strategiebewertung« der Digitalisierungsprojekte angekündigt. Auch dies erklärt Renner in seinem Schreiben an die Gematik-Gesellschafter. Ziel sei es, gerade im Hinblick auf die E-Patientenakte Prozesse zu identifizieren, »die besonders geeignet sind, versorgungsrelevante Informationen in strukturierter Art und Weise Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung zu stellen, um zukünftig den Nutzen der EPA für die Versorgungsqualität weiter zu stärken.«

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