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Covid-19

Der ganze Körper ist betroffen

Was ist Covid-19 für eine Krankheit? Die Frage klingt banal, ist es aber nicht. Denn eine reine Lungenkrankheit, wie man zunächst dachte, ist die durch SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung nicht. Es wird immer deutlicher, dass das neue Coronavirus nahezu im gesamten Körper Verheerendes anrichten kann.
Annette Mende
10.05.2020  08:00 Uhr

In Erscheinung trat der damals noch unbekannte Erreger, der mittlerweile den Namen SARS-CoV-2 trägt, erstmals im Dezember 2019 in Wuhan, der Hauptstadt der Provinz Hubei in China. Schnell wurde klar, dass der Auslöser der ungewöhnlich vielen schweren Lungenentzündungen ein Coronavirus war, das mit dem Erreger des Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS) eng verwandt ist. Die Krankheit, die es verursacht, erhielt später den Namen Covid-19: Corona Virus Disease 2019.

Mittlerweile hat sich SARS-CoV-2 auf der ganzen Welt verbreitet und Ärzte, die Patienten mit Covid-19 behandeln, stellen fest, dass es sich mitnichten »nur« um ein Lungenvirus handelt. Die Berichte über Covid-19-Manifestationen in anderen Organen als der Lunge häufen sich. Ein klares Bild zu zeichnen, ist schwierig, denn viele Publikationen erscheinen, ohne die sonst übliche Kontrollschleife des Peer-Review-Prozesses durchlaufen zu haben. Welche der zahllosen Beobachtungen aus Fallserien mit zum Teil nur einer Handvoll Patienten, die jetzt in aller Eile öffentlich gemacht werden, am Ende tatsächlich Bestand haben werden, ist nicht abzusehen.

Auf der Nachrichtenseite des Fachjournals »Science« wagt ein Autorenteam um die Wissenschaftsjournalistin Meredith Wadman dennoch einen Blick auf das große Ganze (DOI: 10.1126/science.abc3208). Das Virus verhalte sich wie kein Pathogen jemals zuvor, schreibt die Gruppe. Es kristallisiere sich immer mehr heraus, dass die Lunge zwar »Ground Zero« sei, dass aber außerdem auch viele andere Organe von der Infektion beeinträchtigt würden, darunter Herz, Blutgefäße, Niere, Darm und Gehirn. »Die Krankheit kann nahezu alles im Körper angreifen mit verheerenden Konsequenzen«, so der Kardiologe Professor Dr. Harlan Krumholz von der Yale University gegenüber »Science«.

Der Weg des Virus durch den Körper

Erste Eintrittspforte für das Virus sind Zellen des Nasen- und Rachenraums, die den Rezeptor für das Angiotensin-konvertierende Enzym 2 (ACE2) tragen. Dieses ist als Gegenspieler von ACE im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System an der Blutdruckregulation beteiligt und schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Über den ACE2-Rezeptor dringt SARS-CoV-2 in menschliche Zellen ein und programmiert diese dann so um, dass sie zunächst Tausende Kopien des Virus produzieren und dann zugrunde gehen (siehe Kasten).

Die Nase spielt bei der Infektion mit SARS-CoV-2 offenbar eine Schlüsselrolle. Wie ein Team um Dr. Waradon Sungnak vom Wellcome Sanger Institute in Hinxton herausfand und in »Nature Medicine« publizierte, kommen der ACE2-Rezeptor sowie die Protease TMPRSS2, die das Virus bevorzugt als Kofaktor für den Eintritt in menschliche Zellen nutzt, dort gehäuft vor (DOI: 10.1038/s41591-020-0868-6). »Wir haben gezeigt, dass von allen Zellen die schleimproduzierenden Becherzellen und Flimmerzellen in der Nase die höchsten Konzentrationen dieser beiden Proteine aufweisen«, sagte Sungnak der Nachrichtenagentur dpa.

Während das Virus im Nasen- und Rachenraum repliziert, spürt der Infizierte unter Umständen gar nichts. Auch ohne jegliche Symptome kann er andere Menschen mit SARS-CoV-2 infizieren, vor allem während der ersten paar Tage der Infektion. In einer weiteren Studie aus »Nature Medicine« begann die Infektiosität von Infizierten 2,3 Tage vor Auftreten der Symptome und erreichte 0,7 Tage vor den ersten Anzeichen der Krankheit ihren Höhepunkt (DOI: 10.1038/s41591-020-0869-5). Möglich sind in der Anfangsphase aber auch Fieber, trockener Husten, Halsschmerzen, Geruchs- oder Geschmacksverlust sowie Kopf- und Gliederschmerzen.

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