Delta + Omikron = Deltakron |
Christina Hohmann-Jeddi |
17.03.2022 13:00 Uhr |
Wenn zwei Viruslinien genetisches Material austauschen, entstehen rekombinante Viren. / Foto: Adobe Stock/bluedesign
Seite Anfang Januar 2022 zirkuliert eine Mischform aus der Delta-Variante AY.4 und der Omikron-Subvariante BA.1 in mehreren Regionen Frankreichs. Das teilte die Initiative GISAID, die genetische Sequenzen von Viren sammelt und veröffentlicht, vergangene Woche auf ihrer Website mit. Demnach lieferte das Institute Pasteur in Paris erstmals definitive Beweise für ein rekombinantes Coronavirus, das genetische Anteile von beiden Varianten besitzt. Viren mit ähnlichen Genomen seien auch in Dänemark und in den Niederlanden nachgewiesen worden, heißt es von GISAID.
Gegenüber der Zeitung »Der Spiegel« bestätigte das Robert-Koch-Institut eine Infektion mit einem rekombinanten Coronavirus in Deutschland. In weiteren Untersuchungen sollte nun ermittelt werden, ob diese Viren auf einen gemeinsamen Vorfahren oder auf mehrere Rekombinationsereignisse zurückgehen.
Rekombination bezeichnet die Neuanordnung von genetischem Material etwa in Körperzellen, aber auch beim Austausch von Genomsegmenten zwischen verschiedenen Viren. Letzteres kann passieren, wenn zwei verschiedene Virenlinien den gleichen Organismus befallen. Solche Doppelinfektionen mit Omikron- und Delta-Viren wurden bereits beobachtet. Rekombinationen träten bei Coronaviren häufig auf, schreibt ein Team um Professor Dr. Philippe Colson von der Universitätsklinik IHU Méditerranée Infection in Marseille in einer ersten Publikation auf dem Preprint-Server »MedRxiv« zu der von ihm als Deltamikron bezeichneten Mischform.
Die Autoren beschreiben die Ergebnisse der Sequenzanalyse von drei SARS-CoV-2-Infektionen mit der Rekombinanten in Südfrankreich. Das Genom des Hybridvirus weise typische Mutationen von beiden Linien auf. Das Spike-Gen (inklusive der Rezeptorbindestelle) stamme fast ausschließlich von Omikron und befinde sich in einem Delta-Genom. Die Strukturanalyse des rekombinanten Spike-Proteins weise darauf hin, dass die Bindung an die Wirtszelle optimiert seien könnte, schreiben die Forscher. Die Eigenschaften der Rekombinante und auch ihre Ausbreitung müssten weiter untersucht werden.
Während die Omikron-Variante ansteckender und leichter übertragbar ist als die Delta-Variante, führt Letztere häufiger zu schweren Verläufen. Eine Sorge ist nun, dass die Mischform so übertragbar sein könnte wie Omikron und so pathogen wie Delta.
Auch aus den USA werden erste Infektionen mit einer Delta-Omikron-Mischform berichtet. Ein Team um Alexandre Bolze vom Biotech-Unternehmen Helix in San Mateo, Kalifornien, sequenzierte zwei Virusproben mit solchen Rekombinanten und stellte die Ergebnisse ebenfalls auf »MedRxiv« vor. In den USA seien die Mischformen wohl in der Zeit entstanden, als beide Varianten zusammen zirkulierten, also Anfang Dezember 2021 bis Ende Januar 2022. Es gebe keine Hinweise, dass die Rekombinante sich effizienter ausbreite als die zurzeit dominierende Omikron-Variante.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.