Defizite bei AvP bereits 2016 bekannt |
Die BaFin, mit Sitz in Bonn und Frankfurt am Main, führte bereits vor vier Jahren ein Aufsichtsgespräch mit AvP. / Foto: Imago Images/Hannelore Förster
Seit gut einem Monat ist das offizielle Insolvenzverfahren beim Abrechnungszentrum AvP eröffnet. Der Apothekendienstleister aus Düsseldorf ist pleite. Der Grund: Strukturelle Probleme und Missmanagement führten dazu, dass knapp 3000 Offizinapotheken bis heute auf Abschlagszahlungen von Zehntausenden bis teilweise sogar Millionen Euro warten.
Über die strukturellen Probleme und Unregelmäßigkeiten bei AvP wusste die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bereits seit 2019. Laut einer Antwort des Bundesfinanzministeriums (BMF) auf eine schriftliche Frage des FDP-Bundestagsabgeordneten Wieland Schinnenburg ist nun zudem bekannt, dass die BaFin bereits 2016 ein Aufsichtsgespräch mit AvP führte. Schinnenburg forderte in seiner Anfrage an das BMF eine Bestätigung seiner vorliegenden Information, dass bereits 2014/2015 Gespräche der BaFin mit der AvP-Geschäftsführung stattgefunden haben sollen. Die Antwort der parlamentarischen Staatssekretärin des BMF, Sarah Ryglewski, verneinte dies, erklärte jedoch, dass ein Aufsichtsgespräch im März 2016 stattgefunden habe.
Grund für dieses Gespräch waren laut BMF »fehlerhafte Meldungen über personelle Veränderungen in der Geschäftsleitung von AvP.« Laut Gesetz, genauer laut § 24 des Kreditwesengesetzes (KWG), sind Institute und Unternehmen dazu verpflichtet, personelle Veränderungen des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans der Deutschen Bundesbank und der BaFin unverzüglich mitzuteilen.
Es ist zu vermuten, dass AvP diese Mitteilung entweder versäumt hatte oder falsche Informationen angab. Aus diesem Grund forderte die BaFin ein Aufsichtsgespräch ein. Im Nachgang des Gesprächs korrigierte AvP allerdings den Fehler, die Antwort der Bundesregierung erklärte dazu im Wortlaut: »Diese Defizite wurden im Nachgang dieses Aufsichtsgesprächs durch das Institut abgestellt.« Damit gab sich die BaFin damals zufrieden, augenscheinlich gab es vor vier Jahren noch keine Hinweise auf größere strukturelle Probleme, die bis zur heutigen Firmenpleite führten. Allerdings ist damit auch klar, dass bereits vor vier Jahren in der Geschäftsleitung etwas schiefgelaufen war oder zumindest in diesem Punkt einfach schludrig gearbeitet wurde.
Was genau damals vorgefallen war und was in diesem anlassbezogenen Aufsichtsgespräch weiter besprochen wurde, konnte ein BaFin-Sprecher auf Nachfrage der PZ nicht beantworten. Zu einzelnen Instituten dürfe sich die BaFin nicht äußern, betonte der Sprecher.
Der FDP-Abgeordnete Schinnenburg erklärte dazu: »Die BaFin war schon wesentlich früher über Unregelmäßigkeiten bei der AvP informiert. Schon im März 2016 führte die Behörde Aufsichtsgespräche mit der AvP-Geschäftsleitung, wie die Bundesregierung nunmehr kleinlaut einräumen musste. Schon damals hätten die Alarmglocken läuten müssen. Selbst als sich die Hinweise im November 2019 verdichteten, blieb die Behörde untätig. Erst im September 2020 erfolgte eine Reaktion der BaFin, doch da war das Unternehmen quasi pleite und es wurden noch vorschriftswidrig Überweisungen getätigt.« Laut Schinnenburg habe die BaFin versagt und dadurch viele Apotheken in eine schwierige wirtschaftliche Lage gebracht.
Der Zahnarzt und Rechtsanwalt fordert: »Neben schneller Hilfe für die betroffenen Apotheken benötigen wir jetzt eine vollständige parlamentarische Aufklärung des AvP-Skandals. Insbesondere ist die unrühmliche Rolle der BaFin zu untersuchen. Auf den Prüfstand gehört auch das Abrechnungssystem als solches: Es muss sichergestellt werden, dass Gelder von Apothekern nicht verloren gehen können. Wir schlagen insolvenzsichere Treuhandkonten vor, um die Versorgungssicherheit im Gesundheitssystem zu gewährleisten.« Die rechtssichere Ausgestaltung der Rezeptabrechnung wurde Anfang Oktober bereits im Gesundheitsausschuss des Bundestags diskutiert.
Die FDP-Fraktion hat zudem am gestrigen Montag einen Antrag im Bundestag eingebracht und fordert darin weitere Aufklärung vonseiten der Bundesregierung. Einen »schriftlichen Bericht über die Auswirkungen der AvP-Insolvenz auf das Deutsche Gesundheitssystem und insbesondere auf die Versorgungssicherheit« soll die Regierung binnen 30 Tage vorlegen. Zudem fordert die liberale Fraktion die Regierung auf, Vorschläge zur Verringerung der Abrechnungsbürokratie vorzulegen. Auch das Thema Treuhandkonten spielt in diesem Antrag eine Rolle, die Fraktion verlangt, dass die Regierung die Aufgaben der Finanzaufsicht bezüglich der Abrechner kritisch hinterfragen und zudem Maßnahmen ergreifen soll, »die sicherstellen, dass Gelder bei Factoring-Anbietern im Bereich Gesundheit insolvenzsicher auf Treuhandkonten hinterlegt werden«.
Wie es zu der Pleite kommen konnte, versucht der Insolvenzverwalter und Rechtsanwalt Jan-Philipp Hoos seit September aufzuklären. Kommende Woche, am 15. Dezember, wird die Gläubigerversammlung in Düsseldorf stattfinden. Diese setzt sich aktuell aus sieben Personen zusammen: Einem Bankenvertreter, einer Offizinapothekerin, der Charité Berlin, einem AvP-Mitarbeiter, dem Apothekerverband Nordrhein, die Bundesagentur für Arbeit sowie einem weiteren Apothekenvertreter Omnicare.
Die Versammlung entscheidet über den Fortgang des Verfahrens, also beispielsweise ob AvP weiter fortgeführt oder stillgelegt wird. Zudem kann sie über die Person des Insolvenzverwalters entscheiden, ob Hoos weiter als Insolvenzverwalter das Insolvenzverfahren leiten soll. Zudem kann die Gläubigerversammlung über die Zusammensetzung des sogenannten Gläubigerausschusses entscheiden. Der Gläubigerausschuss soll aus den Gläubigern bestehen, deren Ansprüche befriedet werden sollen. In anderen Worten, AvP schuldet den Gläubigern Geld. In der Versammlung und im Ausschuss wird daher weiter untersucht, wie diese Ansprüche befriedet werden können.