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Impfnachweise

DAV-Portal soll nächste Woche »schrittweise« hochfahren

Zwar hakte das DAV-Apothekenportal bei der Erzeugung der digitalen Covid-19-Impfzertifikate vor allem am Anfang immer wieder. Dass jetzt aber tagelang keine Nachweise ausgestellt werden können, ist neu und sorgt bei Apothekenkunden für Irritation. Die PZ hat mit Apothekern über die Situation in den Offizinen gesprochen. Die FDP kritisiert derweil die Bundesregierung als verantwortliche Stelle. Ab nächster Woche soll der Zugriff schrittweise wieder möglich sein.
Charlotte Kurz
23.07.2021  16:36 Uhr

Seit Mittwochnachmittag ist das Apothekenportal des Deutschen Apothekerverbands (DAV) in Teilen abgeschaltet. Und damit geht pünktlich zum Beginn der Sommerferien in vielen Bundesländern, darunter Hessen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen, bezüglich der Ausstellung digitaler Covid-19-Impfnachweise deutschlandweit nichts mehr. Grund dafür sind Sicherheitslücken, die IT-Experten laut einem Bericht des »Handelsblatt« aufgedeckt haben. 

Am Freitagnachmittag kündigte der DAV an, dass Apotheken nächste Woche »schrittweise« wieder Zugriff auf das Portal haben sollen. Damit sollen alle Apotheken, »die dies wünschen« in der kommenden Woche wieder die Möglichkeit erhalten, über das DAV-Portal die digitalen Impfnachweise zu erstellen. Was in diesem Kontext schrittweise genau bedeute, werde nächste Woche näher erläutert, erklärte eine DAV-Sprecherin der PZ auf Nachfrage. Der Shutdown des Portals wurde am Mittwoch unternommen, da zwei IT-Sicherheitsexperten mithilfe von gefälschten Dokumenten einen Gastzugang als Apotheke erhalten haben sollen. Sie hatten laut DAV-Information zwei Impfnachweise erzeugt. Fraglich ist, wie die beiden IT-ler diesen Gastzugang überhaupt erhalten konnten, ohne eine echte Apotheke vorweisen zu können. Denn um als Nicht-Verbandsmitglied einen Zugang zum DAV-Portal zu erhalten, werden neben der Betriebserlaubnis auch eine Telematikinfrastruktur-ID sowie ein Aktivitätsnachweis, beispielsweise ein aktueller Bescheid des Nacht- und Notdienstfonds benötigt.

Auf Nachfrage der PZ erklärte der DAV hierzu lediglich: »Die Meldungen vom Nacht- und Notdienstfonds werden auf Plausibilität und einige andere Faktoren überprüft, die wir aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich machen. Sie werden aber nicht mit dem Datenpool des Nacht- und Notdienstfonds direkt abgeglichen, da dies nach geltender Rechtslage nicht erlaubt ist.«

Klar ist: Die derzeit 469 Nicht-Verbandsmitglieder, die einen Zugang zum DAV-Portal haben und drei Prozent aller ausstellenden Apotheken ausmachen, wurden mittels einer Sonderprüfung vom DAV nun verifiziert. »Nach aktuellem Kenntnisstand ist es zu keinem Betrug bei der Erstellung von Impfzertifikaten gekommen«, so der DAV in seinem heutigen Statement. Er erinnert nochmals daran, dass dies eine Straftat sei. Zudem betonte der DAV, dass er gemeinsam mit IBM, der Gematik und dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) daran arbeite, die Sicherheit bei der Ausstellung der Impfnachweise zu erhöhen, indem dieser Prozess im Rahmen der Telematik-Infrastruktur eingebunden werden soll. Wann dies allerdings über dieses System laufen werde, erklärte der DAV nicht.

Apotheker befürchtet Image-Schaden

Für die Apotheken und ihre Kunden bedeutete der tagelange  System-Shutdown zusätzlichen Stress. »Wir schicken unsere Kunden alle fort. Es ist eine Katastrophe«, sagte Christian Gerninghaus gegenüber der PZ. Der Apotheker fürchtet einen immensen Image-Schaden bei der Apothekerschaft. Und: »Nach dem Abschalten der Plattform gab es keinerlei Kommunikation seitens des Verbands. Erst am Donnerstagnachmittag habe ich auf Nachfrage beim Hessischen Landesapothekerverband mehr Informationen erhalten«, so der Apotheker, der im hessischen Schlitz eine Apotheke betreibt. Gerninghaus hätte sich gewünscht, dass die Impfnachweise innerhalb des sicheren Rahmens der Telematik-Infrastruktur erzeugt worden wären. Jetzt sei das Ganze eine »Lachnummer«. Seine Kunden reagieren dabei unterschiedlich, von Kopfschütteln bis hin zu Verständnis erlebe er gerade vieles. »Wir erklären jetzt allen, dass das analoge Impfbuch auch als Nachweis für eine vollständige Impfung genutzt werden kann«, so Gerninghaus.

Auch Dominik Herzog von der Herzog Apotheke im baden-württembergischen Wiesloch berichtet von ganz unterschiedlichen Kundenreaktionen. »Die meisten reagieren entspannt«. Allerdings hatten sich auch zwei Kunden bei ihm gemeldet, die bereits einen digitalen Impfnachweis bekommen haben und sich jetzt um ihre Daten sorgen. Weiter fürchtet Herzog, dass es durch den Shutdown einen Reset des Portals geben könnte und die Zähler wieder auf 0 gestellt werden. Innerhalb des DAV-Portals wird die Erstellung der Impfnachweise automatisch gezählt. Einmal monatlich können Apotheken dann eine Übersicht herunterladen, die genau anzeigt, wie viele Zertifikate erzeugt wurden. Auch Herzog wünscht sich insgesamt ein zuverlässigeres Portal und einen besseren Informationsfluss zu den Apothekern.

FDP kritisiert Gesundheitsministerium 

Die Einführung der digitalen Impfnachweise hatte zuletzt auch in der Politik immer wieder für Kritik gesorgt. Auch jetzt erklärte der FDP-Politiker Manuel Höferlin, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda gegenüber der PZ, es räche sich nun, dass die Bundesregierung die digitale Basisinfrastruktur im Gesundheitswesen viel zu lange verschlafen habe. »Selbst in der Corona-Pandemie hat sie hier nicht den Turbo eingeschaltet. Deshalb arbeiten wir jetzt leider mit Systemen, die mit heißer Nadel gestrickt wurden. Gerade deshalb macht es sich Herr Spahn zu einfach, die Schuld jetzt den Apothekern in die Schuhe zu schieben. So entzögen sich die Lösungen des DAV als eingetragener Verein der Aufsicht durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und den Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, obwohl das digitale Impfzertifikat durch Apotheken deutschlandweit angeboten würden.« Das Gesundheitsministerium hätte daher umso mehr hinschauen müssen,  betont Höferlin. Der Vertrauensverlust in die Impfzertifikate sei dramatisch. »Leider fügt sich das ins Bild, das die Bundesregierung bisher in dieser Pandemie abgibt: Chronisch spätes Handeln bei gleichzeitig sehr flacher Lernkurve.«

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