Das Licht und seine Schattenseiten |
Hoffentlich haben sich alle gut eingecremt und hoffentlich hat niemand ein photosensibilisierendes Arzneimittel eingenommen. / Foto: Adobe Stock/Robert Kneschke
Extrakte aus Hypericum perforatum sind eine beliebte pflanzliche Alternative bei leichten und mittelschweren Depressionen. Bei der Abgabe weist das Apothekenteam oft auf die erhöhte Lichtempfindlichkeit unter der Einnahme hin. Patienten kann das verunsichern. Für die Praxis stellt sich die Frage: Wie relevant sind photosensibilisierende Eigenschaften von arzneilich wirkenden Bestandteilen wie Johanniskraut-Trockenextrakt für den Patienten wirklich?
Unter Photosensibilität oder Photosensitivität versteht man grundsätzlich, dass die Haut infolge einer Substanzeinwirkung sensibler sowohl auf natürliches Sonnenlicht als auch auf künstliches UV-Licht reagiert und schneller geschädigt wird. Als Auslöser kommen sowohl topische als auch systemische Arzneimittel infrage. Bei den Wirkstoffen handelt es sich um exogene Chromophore, die Photonen aus dem Licht absorbieren, dadurch aktiviert werden und chemische Reaktionen eingehen können (1).
Die Photosensitivität äußert sich in den meisten Fällen als Phototoxizität, seltener als Photoallergie. »Eine photoallergische Reaktion ist die Immunantwort des Körpers auf den photoaktiven Stoff. Eine phototoxische Reaktion hingegen entsteht durch eine Wechselwirkung zwischen dem photoaktiven Stoff und den Zellen«, sagt Dr. Alice Martin, Mitgründerin der online-Hautarztpraxis dermanostic in Düsseldorf, gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung.
Bei den häufiger auftretenden, phototoxischen Reaktionen findet keine immunologische Reaktion statt. Sie können daher theoretisch bei jedem und bereits nach der ersten Exposition mit dem Photosensibilisator vorkommen. Die Hautreaktion zeigt sich innerhalb weniger Stunden nach Lichteinstrahlung und ist auf Körperstellen begrenzt, die direkt dem Licht ausgesetzt sind (Tabelle 1).
Merkmal | Phototoxische Reaktion | Photoallergische Reaktion |
---|---|---|
Inzidenz | hoch | niedrig |
Substanzdosis | Hautreaktionen treten dosisabhängig auf | geringste Dosen können reichen |
Reaktionszeit nach Einwirkung von Wirkstoff und Licht | innerhalb von Stunden | 24 bis 72 Stunden |
Reaktion nach Erstkontakt mit dem Photosensibilisator | ja | nein |
betroffene Körperregionen | sonnenexponierte Haut | vorrangig sonnenexponierte Haut. Reaktionen können sich auf nicht exponierte Bereiche ausbreiten |
klinische Charakteristik | meist ähnlich einem starken Sonnenbrand | meist ähnlich einer Dermatitis |
immunologisch vermittelt | nein | ja, Typ IV |
Voraussetzung für eine phototoxische Reaktion sind eine ausreichende Menge der jeweiligen Substanz und eine Bestrahlung mit UV-Licht oder sichtbarem Licht. Auf Molekularebene absorbiert dabei ein Molekül des Medikaments ein Photon, wodurch das Molekül in einen kurzlebigen energiereichen Singulett-Zustand gerät. Durch die Aktivierung können auch freie Radikale entstehen. Die nachfolgenden chemischen Reaktionen können mit biologischen Systemen wie Zellmembranen, Lysosomen, Lipiden, Proteinen und DNA erfolgen (1–3).
Die Hautreaktionen treten dosisabhängig auf und unterscheiden sich je nach Photosensibilisator und dem intrazellulären Zielmolekül. Meistens erinnern sie an einen starken Sonnenbrand und äußern sich als Erythem, Juckreiz, lokale Schmerzen mit Brennen und Stechen, Blasenbildung oder auch als Ödeme. Der zeitliche Ablauf folgt einem Decrescendo-Muster. Die Symptome nehmen also schnell bis zur maximalen klinischen Manifestation etwa 24 bis 48 Stunden nach der UV-Exposition zu. Danach bilden sie sich wieder langsam zurück (1). Folgen von phototoxischen Reaktionen können eine vorzeitige Hautalterung, Alters- oder Sonnenflecken (Lentigines solares) und schlimmstenfalls Hautkrebs sein. Einige Patienten entwickeln eine über Wochen anhaltende Lichtempfindlichkeit der Haut.
Bei photoallergischen Reaktionen hingegen handelt es sich um eine zellvermittelte Immunantwort vom Spättyp auf eine lichtaktivierte Verbindung. Nach Strahlenabsorption befindet sich das Arzneistoffmolekül in einem angeregten Zustand und kann an ein Hautprotein binden. Es entsteht ein komplettes Antigen. Eine immunologische Sensibilisierung bei Re-Exposition mit dem Photosensibilisator löst die photoallergische Reaktion aus (Tabelle 1).
Die Hautreaktionen ähneln denen einer allergischen Kontaktdermatitis mit dem Leitsymptom starker Juckreiz und können erst Tage nach der Lichteinwirkung auftreten. Die Symptome entwickeln sich nach einem Crescendo-Muster, was bedeutet, dass sie sich im Verlauf verschlimmern und etwa 48 bis 72 Stunden nach Ausbruch ihren Höhepunkt erreichen. Die Effloreszenzen sind meistens auf die sonnenexponierten Körperregionen beschränkt und dehnen sich nur bei schwerwiegender oder langanhaltender Schädigung auf bedeckte Hautbereiche aus.
Ein chronisches photoallergisches Kontaktekzem ist die Folge, wenn das Allergen anhaltend zugeführt wird. Bei dieser chronischen Form spricht man auch von persistierender Lichtreaktion oder chronisch aktinischer Dermatitis. Sehr selten ist eine systemische Photoallergie (1–5).
Als Photosensibilisatoren können nach einer 2021 publizierten Untersuchung 393 verschiedene Medikamente oder Inhaltsstoffe betrachtet werden. Allerdings, so die Autoren des Reviews, unterscheiden sich die Evidenzstufen bei den einzelnen Stoffen erheblich (1).
Zu den potenziell photosensibilisierenden Arzneistoffen gehören Substanzen aus verschiedenen Gruppen, darunter Antibiotika, Diuretika, Retinoide, Antidiabetika, HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (Statine) und Antipsychotika (Tabelle 2). Bei der Beratung ist zudem an zahlreiche OTC-Medikamente zu denken, etwa an nicht steroidale entzündungshemmende Antirheumatika (NSAR), Antihistaminika, rezeptfrei erhältliche antifungale Wirkstoffe wie Terbinafin, einige Duftstoffe in Kosmetika und paradoxerweise auch bestimmte UV-Absorber in Sonnenschutzmitteln.
Wirkstoffgruppen und Beispiele | Photo-toxisch | Photo-allergisch | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Antibiotika | |||
Tetracycline (Doxycyclin, Tetracyclin) | X | bei längerer Anwendung: lang anhaltende, überwiegend melanozytäre Hyperpigmentierungen möglich | |
Fluorchinolone (Ciprofloxacin, Ofloxacin, Levofloxacin) | X | ||
Sulfonamide (Sulfamethoxazol, Cotrimoxazol, Sulfasalazin) | X | ||
Antimykotika | |||
Terbinafin | photosensibilisiernd | Griseofulvin: photosensibilisierend, in Deutschland außer Vertrieb | |
Itraconazol | X | X | Griseofulvin: photosensibilisierend, in Deutschland außer Vertrieb |
Voriconazol | X | Griseofulvin: photosensibilisierend, in Deutschland außer Vertrieb | |
NSAR | |||
Ibuprofen | X | phototoxische Reaktionen auch nach direktem Hautkontakt bei lokaler Anwendung | |
Ketoprofen | X | X | phototoxische Reaktionen auch nach direktem Hautkontakt bei lokaler Anwendung |
Naproxen | X | phototoxische Reaktionen auch nach direktem Hautkontakt bei lokaler Anwendung | |
Diclofenac | X | phototoxische Reaktionen auch nach direktem Hautkontakt bei lokaler Anwendung | |
Celecoxib | X | phototoxische Reaktionen auch nach direktem Hautkontakt bei lokaler Anwendung | |
Diuretika | |||
Furosemid | X | ||
Hydrochlorothiazid | X | Hauptursache Medikamenten-bedingter gesteigerter Lichtreaktionen in Deutschland | |
Kardiovaskulär wirksame Arzneistoffe | |||
Amiodaron | X | bei etwa 40 Prozent der Patienten: Rötungen in lichtexponierten Regionen | |
Diltiazem | X | ||
ACE-Hemmer (Enalapril, Captopril) | X | X | |
Endokrinologisch wirksame Arzneistoffe | |||
Sulfonylharnstoffe wie Glibenclamid | X | ||
HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren wie Pravastatin, Atorvastatin, Simvastatin | X | X | |
Hormone, zum Beispiel orale Kontrazeptiva | X | ||
Antihistaminika wie Loratadin, Esomeprazol und Pantoprazol, Propylthiouracil | photosensibilisierend | ||
Auf das Nervensystem wirkende Arzneistoffe | |||
Antipsychotika wie Chlorpromazin, Fluphenazin, Perphenazin | X | X | |
Antipsychotika wie Thioxanthene (Chlorprothixen, Thiothixen) | X | ||
Antidepressiva wie Hypericum, Amitriptylin oder Fluoxetin, Antikonvulsiva wie Carbamazepin und Topiramat, einige Triptane | photosensibilisierend | ||
Retinoide | |||
Isotretinoin, Acitretin | X | Tretinoin wirkt photosensibilisierend, wird aber auch zur Therapie Melanin-bedingter Pigmentierung eingesetzt | |
Photosensibilisatoren für die photodynamische Therapie | |||
5-Aminolävulinsäure, Porfimer-Natrium | X | ||
Sonnenschutzmittel, UV-Filter | |||
Para-Aminobenzoesäure, Zimtsäure | X | ||
Duftstoffe, zum Beispiel in Kosmetika | |||
Moschus-Ambrette, 6-Methylcumarin | X |
Ein Arzneimittel kann sowohl phototoxische als auch photoallergische Reaktionen hervorrufen. Beispiele dafür sind das NSAR Ketoprofen, Statine, Phenothiazine wie Chlorpromazin, Itraconazol, Griseofulvin sowie Chinidin (Tabelle 2) (3–5.)
Für das Apothekenteam stellt sich die Frage, wie intensiv es diesbezüglich beraten sollte. So erscheint die Liste an potenziell photosensibilisierend wirkenden Arzneistoffen zwar recht lang, diese machen aber insgesamt nur einen kleinen Teil aller arzneilich angewendeten Stoffe aus. Entscheidender als die Anzahl an Wirkstoffen ist ohnehin, wie oft diese abgegeben werden.
Wie relevant die Photosensibilisatoren diesbezüglich sind, prüften Wissenschaftler in einer 2020 veröffentlichten Studie anhand der von 2010 bis 2017 in Deutschland und Österreich von den Krankenkassen erstatteten abgegebenen Arzneimittelpackungen. Fast die Hälfte (49,5 Prozent) der knapp 633 Millionen abgegebenen Packungen in Deutschland zählte zu den gemäß Literaturangaben photosensibilisierend wirkenden Arzneimitteln; in Österreich waren es 48,2 Prozent der gut 113 Millionen abgegebenen Medikamente. OTC-Präparate waren in die Analyse nicht eingeschlossen (6).
Bei der Bewertung ist zu beachten, dass vermutlich viele Fälle von Phototoxizität oder Photoallergie nicht gemeldet werden. Bei einem starken Sonnenbrand denken viele Menschen nicht an ein Arzneimittel als Auslöser. Auch ist mangelnde klinische Evidenz ein Problem. Goldstandard, um phototoxische oder photoallergische unerwünschte Wirkungen nachzuweisen, wäre, diese mit Phototests, Photopatchtests oder Reprovokationstests zu induzieren. Solche Untersuchungen liegen für viele Wirkstoffe nicht vor (1, 6).
Bei der Frage nach der Relevanz einer beschriebenen photosensibilisierenden Wirkung spielt auch eine Rolle, welche Arzneimittel der Patient insgesamt einnimmt. Dazu sagt Alice Martin: »Viele Hautreaktionen durch UV-Licht kommen durch eine Interaktion mit anderen Medikamenten zustande. Das bedeutet, dass möglicherweise erst die Kombination zweier Medikamente die Haut photosensitiv macht, während die Anwendung nur eines dieser Medikamente allein noch keine Folgen haben muss.« Multimorbide Patienten mit komplexer Pharmakotherapie können also besonders gefährdet sein. Hier ist auch an OTC-Präparate zu denken, die zusätzlich zur Dauermedikation genommen werden und dann das Risiko für Lichtrektionen punktuell erhöhen können.
Risikomodifizierend wirkt sich laut Martin aus, dass viele Patienten ohnehin routinemäßig UV-Schutzmittel verwenden. Andere, vor allem ältere und multimorbide Menschen verlassen oft nur noch selten das Haus und sind entsprechend weniger dem UV-Licht exponiert. Dadurch träten potenziell mögliche dermatologische Nebenwirkungen gar nicht erst auf. »Ohne den Triggerfaktor UV-Licht machen photosensibilisierende Arzneimittel keine Probleme«, unterstreicht die Ärztin.
Außer der Medikation und den Lebensumständen des Patienten sind auch sein Hauttyp und seine Ethnizität zu berücksichtigen. »Bei einer dunklen Hautfarbe ist der körpereigene UV-Schutz höher als bei sehr heller Haut. Das macht eine UV-Licht-vermittelte Reaktion weniger wahrscheinlich, ist jedoch kein Ausschlusskriterium dafür, dass Schäden infolge einer Photosensibilität auftreten.«
Besondere Vorsicht ist bei Patienten geboten, die ein erhöhtes Risiko haben, an Hautkrebs zu erkranken. Auch wenn Zusammenhänge oft noch unzureichend belegt sind, gibt es bereits zahlreiche Hinweise, dass Phototoxizität und Photokanzerogenität mitunter korrelieren können (1).
Um die Gefährdung angemessen beurteilen zu können, betrachtet das Apothekenteam Wirkstoffe mit photoallergischem und phototoxischem Potenzial am besten differenziert. »Photoallergische Reaktionen mit ausgeprägter Immunreaktion können im schlimmsten Fall zu einem anaphylaktischen Schock führen, während die phototoxische Reaktion meist weniger ausgeprägt verläuft. Patienten, die bereits einmal eine photoallergische Reaktion erfahren haben und auf eine UV-Bestrahlung mit Symptomen wie Luftnot und ausgeprägtem Hautausschlag reagiert haben, sollten besonders aufpassen. Denn eine starke photoallergische Reaktion kann potenziell lebensbedrohlich sein«, so Martin.
Zurück zum Johanniskraut gegen Depressionen: Hier kann man aufgrund der Datenlage Entwarnung geben. Die eingenommenen Dosen sind in der Regel zu gering, um Hautreaktionen hervorzurufen. So wurde in einer Probandenstudie, bei der die Sonnenbrandgefahr vor und nach einer 14-tägigen Einnahme eines Johanniskraut-Präparats (900 mg/Tag) verglichen wurde, keine signifikant gesteigerte Lichtempfindlichkeit der Haut festgestellt (7). Angst vor erhöhter Lichtempfindlichkeit sollte daher kein Grund sein, die antidepressive Medikation in den Sommermonaten abzusetzen, wenn sie erforderlich ist.
Patienten, die eine Krebstherapie durchmachen, können oft nicht ungetrübt die Sonne genießen, da viele der gegen Tumoren eingesetzten Substanzen photosensibilisierend wirken (14–28). Bei den klassischen Chemotherapeutika ist unter anderem an 5-Fluorouracil (5-FU), Vinblastin, Dacarbazin oder Methotrexat zu denken. Auch für zielgerichtete Therapeutika (targeted therapy) wie Gefitinib oder Erlotinib sowie für das Retinoid Bexaroten gibt es Hinweise auf ein phototoxisches Potenzial. Unter dem B-Raf-Hemmer Vemurafenib, der zur Behandlung eines malignen Melanoms angewendet wird, treten bei etwa einem Drittel der Patienten phototoxische Hautreaktionen auf. Ebenso erhöhen Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Alectinib oder Brigatinib die Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht.
Bei der Beratung von Krebspatienten sind zudem die übrigen Medikamente zu beachten, die die Betroffenen einnehmen (müssen). Bestimmte Antibiotika, Herz-Kreislauf-Medikamente, NSAR oder Antidepressiva können die Lichtempfindlichkeit der Haut steigern und zu einer Verstärkung der Nebenwirkung führen.
Um Hautschäden zu verhindern, meiden Patienten am besten das Sonnenlicht weitgehend oder denken zumindest stets an einen konsequenten Sonnenschutz. Andere Optionen bei erhöhter Lichtempfindlichkeit wie das Absetzen der Medikation oder eine Dosisreduktion sind für Krebspatienten in der Regel nicht umsetzbar. Wichtig ist der Hinweis an die Betroffenen, dass die Photosensibilisierung nach Behandlungsende noch einige Wochen lang anhalten kann.
Die Medizin nützt das photosensibilisierende Potenzial in Form der Photodynamischen Therapie aber auch in der Krebstherapie. Bei Karzinomen der Haut führen topisch angewendete Photosensibilisatoren wie Porfimer-Natrium, 5-Aminolävulinsäure oder Temoporfin dazu, dass bei Bestrahlung mit Licht einer bestimmten Wellenlänge die Tumorzellen durch eine phototoxische Reaktion geschädigt werden. Die Anwendung ist auch bei anderen Karzinomen, etwa bei Gallengangskarzinomen oder Glioblastom, möglich. Der Photosensibilisator wird dazu systemisch, etwa intravenös, verabreicht und reichert sich im Tumorgewebe an.
Bei der Abgabe von photosensibilisierenden Medikamenten gilt es, Patienten einerseits ausreichend aufzuklären, sie aber andererseits nicht zu verunsichern. Um Photoreaktionen vorzubeugen, ist ein guter UV-Schutz das A und O. Patienten meiden am besten Zeiten von hoher Sonneneinstrahlung und verzichten auch im Winter auf Solarien. Zu beachten ist, dass Glasscheiben kaum Schutz bieten. Phototoxische und photoallergische Reaktionen können auch bei Sonnenexposition hinter Glasscheiben etwa beim Autofahren auftreten; auch dünne Kleidung bietet wenig Schutz.
Insbesondere bei OTC-Medikamenten ist eine möglichst niedrige Dosierung sinnvoll. Bei Medikamenten mit kurzer Halbwertszeit bietet sich die abendliche Einnahme an. Nehmen Patienten verschiedene phototoxische Arzneimittel ein und der Arzt verordnet ein weiteres, kann das Apothekenteam mit dem Arzt und dem Patienten besprechen, ob ein Wirkstoff mit günstigerem Nebenwirkungsprofil die bessere Wahl sein könnte. Reagiert ein Patient photoallergisch auf ein Arzneimittel, sollte er dieses möglichst nicht mehr anwenden. Die Dosis zu verringern, hilft prophylaktisch meist ebenso wenig wie der Versuch, die Lichtexposition zu reduzieren.
Phototoxische und -allergische Hautreaktionen werden meist topisch behandelt, großflächige Blasen wie Verbrennungen zweiten Grades. / Foto: Adobe Stock/Nick Vakhrushev
Das Apothekenteam kann auch dabei unterstützen, die Berichtsquote von Nebenwirkungsverdachtsmeldungen, die auf Photosensibilität beruhen, zu verbessern. Wenn Patienten mit Hautreaktionen nach einer nur leichten Sonnenlichtexposition in die Apotheke kommen, ist immer auch an eine phototoxische oder photoallergische Reaktion zu denken.
Um die Folgen der Wechselwirkung Arzneimittel und Licht adäquat zu behandeln, bietet sich meistens eine symptomatische Therapie mit topischen Glucocorticoiden an. Bei photoallergischen Reaktionen können wie bei einer allergischen Kontaktdermatitis topische Antihistaminika helfen. Großflächige Blasen werden wie Verbrennungen zweiten Grades therapiert. Die Kombination aus Hydrochinon, Tretinoin und Hydrocortison hilft bei postinflammatorischer Melanin-bedingter Pigmentierung (1, 4).
Doch nicht nur für den Menschen kann die Wechselwirkung mit Licht ungünstig sein. Bei einigen Arzneimitteln leidet unter Lichteinfluss die Stabilität. Zu den lichtempfindlichen Wirkstoffen zählen unter anderem Amiodaron, Amlodipin, Cefaclor, Chinin, Cyanocobalamin, Furosemid, Isotretinoin, Molsidomin, Nifedipin, Nitrendipin und Zopiclon. Es können Wirkstoffverluste eintreten, aber auch phototoxische Abbauprodukte entstehen (8).
Die Photozersetzung kann auf zwei Wegen erfolgen: Für eine primäre Photoreaktion muss das Wirkstoffmolekül Energie in Form von Photonen absorbieren können. Das Molekül geht in einen angeregten Zustand über und gibt die aufgenommene Energie in Form von Fluoreszenz, Wärmestrahlung oder einer chemischen Reaktion wieder ab. Damit eine photochemische Reaktion ablaufen kann, müssen bestimmte strukturelle Voraussetzungen im Molekül gegeben sein. Dies ist beispielsweise der Fall bei aromatischen Halogenverbindungen wie Furosemid, Chlorpromazin und Diclofenac, aromatischen Nitroverbindungen wie Nifedipin und Nitrazepam oder N-Oxidstrukturen wie Chlordiazepoxid.
Möglich ist auch eine sekundäre oder photosensibilisierte Photozersetzung. Dabei absorbiert nicht das Wirkstoffmolekül selbst, sondern ein Hilfsstoff oder eine Syntheseverunreinigung Energie in Form von Photonen. Das aktivierte Molekül überträgt die Energie im nächsten Schritt auf das Wirkstoffmolekül, das sich daraufhin zersetzt. So verstärkt sich beispielsweise die Lichtempfindlichkeit von Folsäure, wenn geringste Mengen des ebenfalls sehr lichtempfindlichen Riboflavins anwesend sind (8).
Pharmazeutische Unternehmer müssen die Photostabilitätseigenschaften neuer Wirkstoffe und Arzneimittel evaluieren, um sicherzustellen, dass eine Lichteinwirkung nicht zu unerwünschten Veränderungen führt. Zu beachten ist, dass Faktoren wie Lichtquelle (natürliches Tageslicht oder künstliche Lichtquelle), Bestrahlungsdosis und Probenpräsentation das Ergebnis von Untersuchungen zur Photostabilität erheblich beeinflussen können.
Einheitliche Vorgaben gibt es in der CPMP/ICH-Guideline on Photostability Testing of New Active Substances and Medicinal Products (CPMP/ICH/279/95) (9). Da die Richtlinie erst 1996 veröffentlicht wurde, fehlten lange einheitliche Vorgaben, wie die Photostabilität zu untersuchen ist. Das hat zu den teilweise inkongruenten Angaben in der Fachliteratur und selbst in Pharmacopöen geführt (8).
Foto: Adobe Stock/Nataliia
Die Wechselwirkung zwischen Licht und Arzneimitteln ist manchmal erwünscht. Das therapeutisch bekannteste Beispiel ist die PUVA-Therapie, eine Photochemotherapie (11–13). Die Abkürzung PUVA bezeichnet den eingesetzten Wirkstoff Psoralen und die verwendete UV-A-Strahlung. Ärzte setzen sie bei Hautkrankheiten wie Psoriasis, atopischer Dermatitis, Vitiligo oder auch beim kutanen T-Zell-Lymphom ein.
Psoralen ist eine Cumarin-ähnliche Substanz, die natürlicherweise in den ätherischen Ölen einiger Pflanzen wie Engelwurz und Nelke vorkommt. Sie macht die Haut lichtempfindlicher und verstärkt dadurch die Strahlenwirkung. In der Folge wird eine niedrigere Strahlendosis für den therapeutischen Effekt benötigt als ohne Wirkstoff.
Die PUVA-Therapie ist systemisch oder topisch möglich. Für die systemische Therapie erhalten die Patienten als Photosensibilisator ein Psoralen-Derivat, in der Regel Methoxsalen (8-Methoxypsoralen, 8-MOP), zur oralen Einnahme. Als Creme oder Gel, gelegentlich auch als Badezusatz, wird der Wirkstoff bei der topischen Therapie auf den betroffenen Hautarealen angewendet. Danach bestrahlt der Arzt die zu behandelnden Hautbereiche für einige Minuten mit UV-A-Licht. Andere Körperpartien werden abgedeckt. Eine spezielle Brille schützt die Augen.
Auch bei einer Lichttherapie mit UV-B-Strahlung kann verstärkend ein Arzneistoff angewendet werden. Hier kommen zum Beispiel topische Glucocorticoide, Cignolin oder Vitamin-D-Analoga zum Einsatz.
Mit einer Lichttherapie lassen sich zwar oft gute Erfolge erzielen, die Behandlungen sind jedoch recht aufwendig. Die Bestrahlung mit UV-Licht ist zudem nicht als Dauertherapie geeignet, da sie möglicherweise das Risiko für hellen Hautkrebs ansteigen lässt.
Als akute Nebenwirkungen der Photochemotherapie können sonnenbrandähnliche Erytheme und phototoxische Reaktionen auftreten, wenn die Bestrahlung überdosiert wird. 8-MOP kann bei oraler Einnahme zu gastrointestinalen Beschwerden führen, auch Schwindelgefühl oder Kopfschmerzen sind beschrieben. Bei starken Beschwerden kann ein Wechsel auf 5-Methoxypsoralen helfen. Am Behandlungstag verbrennt die sensibilisierte Haut sehr leicht bei geringster Sonnenlichtexposition. Auch die Augen benötigen besonderen Schutz.
Nicht immer bedeutet die Anwesenheit eines lichtempfindlichen Wirkstoffs, dass auch das Arzneimittel kein Licht verträgt. Einige Hersteller lösen das Stabilitätsproblem, indem sie die Galenik optimieren und Tabletten zum Beispiel mit einem vor Licht schützenden Überzug versehen. Im Einzelfall ist daher ein Blick in die Fach- oder Gebrauchsinformation unabdingbar. In der Fachinformation stehen die Lagerungshinweise unter Punkt 6.4 »Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Aufbewahrung« und in der Gebrauchsinformation unter Punkt 5. Wenn dort angegeben ist, dass das Medikament lichtgeschützt zu lagern ist, kann von einer Photoinstabilität ausgegangen werden. Der Hinweis »im Originalkarton lagern« deutet ebenfalls daraufhin, dass Licht für das Arzneimittel zum Problem werden könnte.
Besondere Lagerungshinweise sind im Beipackzettel vermerkt. / Foto: Adobe Stock/liveostockimages
Auch die Art der Verpackung gibt Hinweise. Lichtempfindliche flüssige Arzneiformen füllen Hersteller zum Beispiel häufig in Braunglasflaschen, feste Arzneiformen befinden sich oft zum Lichtschutz in Alu-Alu-Blistern.
Einige Arzneimittel müssen nicht nur lichtgeschützt gelagert, sondern nach Angaben in der Fachinformation auch lichtgeschützt appliziert werden. Dazu zählen bestimmte Vitamine, Antiinfektiva, kardiovaskulär und auf das zentrale Nervensystem wirkende Substanzen oder auch einige Elektrolytlösungen. Die Dauerinfusion von Amiodaron soll beispielsweise unter Lichtschutz erfolgen. Bei Nitroprussidnatrium-Dihydrat wird empfohlen, das Arzneimittel mit gefärbten Spritzen und Schläuchen zu verabreichen. Weitere Wirkstoffe, für die ein Lichtschutz wichtig ist, sind Dacarbazin, Nifedipin und Vitamine aus dem B-Komplex.
In manchen Kliniken wird zur Applikation die Infusionsflasche mit einer speziellen Hülse geschützt oder mit Aluminiumfolie umwickelt. Eine Alternative sind lichtundurchlässige Spritzen und Applikationssysteme. B-Braun setzt zum Beispiel mit seinem orange-transparenten UV-protect-Portfolio auf Produkte, die außer einem guten Lichtschutz auch das Erkennen von Luftblasen und Partikeln im System ermöglichen (10).
Geht es um die richtige Lagerung von Arzneimitteln, ist nicht zu vergessen, dass mit Licht auch Wärme verbunden ist. Zu hohe Temperaturen können auch für viele nicht lichtempfindliche Arzneimittel zur Gefahr werden. Unter direkter Sonneneinstrahlung wird gerade im Sommer schnell die für viele Arzneimittel maximale Lagertemperatur von 25 °C oder 30 °C überschritten. Der ideale Aufbewahrungsort vieler Arzneimittel ist daher dunkel und trocken, etwa im Schlafzimmer oder Flur.
Nicole Schuster studierte zwei Semester Medizin, dann Pharmazie und Germanistik in Bonn und später in Düsseldorf. Während ihres Studiums machte sie Praktika bei verschiedenen wissenschaftlichen Verlagen. Nach dem Zweiten Staatsexamen und der Approbation 2010 absolvierte Schuster ein Aufbaustudium in Geschichte der Pharmazie in Marburg und wurde 2016 mit ihrer Dissertation »Traditionelle pflanzliche Febrifuga als moderne Phytopharmaka« zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Die PZ-Leser kennen Schuster als Autorin zahlreicher Fachbeiträge.