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Zukunft der Apotheke

Das Backoffice wird zum Herzstück der Offizin

Schnell, flexibel, spontan und souverän – so sollte das Backoffice einer Apotheke agieren. Es wird sich lohnen, diesen Bereich auszubauen. Gut gemanagt wird er angesichts des E-Rezepts und der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen nämlich bald zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Jennifer Evans
15.07.2021  09:00 Uhr

Über die verschiedensten Kanäle laufen schon jetzt tagtäglich die Anfragen in der Apotheke vor Ort ein, beispielsweise via Telefon, E-Mail, WhatsApp oder die Apotheken-Website. Die zuständigen Mitarbeiter müssen diese sichten, priorisieren, steuern und abwickeln. Mit der Einführung des E-Rezepts wird die Aufgabe nicht leichter. Im Gegenteil: Einem guten Management im Backoffice wird in Zukunft noch mehr an Bedeutung zukommen. Bei der Organisation wird es vor allem um Geschwindigkeit und Flexibilität gehen. Um den Versandhandel langfristig die Stirn bieten zu können, sollten auch die Apotheken vor Ort demnächst Services wie Click & Collect oder Mail & Sail anbieten. Entscheidend wird auch ein schneller Botendienst samt zugehöriger Routenplanung und Live-Tracking der Lieferung sein.

Und mehr noch: Das Management von Terminen für Tele-Pharmazie, Medikationsanalysen, Reise- und Impfberatungen oder etwaige andere neue pharmazeutische Dienstleistungen wird zusätzlich bald mehr Gewicht bekommen. Und nebenbei landen ja auch nach wie vor noch analoge Dokumente in der Offizin. Um alles im Blick behalten und die Anfragenflut zeitnah bewältigen zu können, wird für das Backoffice der Zukunft nicht nur ausreichend Personal nötig sein, sondern auch unterstützende Software-Lösungen sowie Mitarbeiter, in der Regel pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA), die mit einer guten Portion Stressresistenz ausgestattet sind.

Die »Taktfrequenz des Arbeitens« hat sich in der gesamten Apotheke erhöht. Diese Entwicklung beobachtet Eva Brandt schon seit einiger Zeit. Nicht weil sie selbst hinter dem HV-Tisch steht, sondern weil sie Expertin für Erwachsenenbildung mit Schwerpunkt Psychologie ist und seit mehr als 20 Jahren Apothekenteams schult. Die Nachfrage nach Seminaren in diesem Bereich sei in den vergangenen Jahren gestiegen, berichtet sie der PZ. Allerdings nicht in Bezug auf die Arbeitsabläufe oder die inhaltliche Tätigkeit, sondern sehr viel mehr im Bereich Stresskompetenz, Absprachen im Team sowie Priorisieren von Aufgaben, wenn der Druck zunimmt. Insbesondere im Backoffice sei »sehr viel Flexibilität, Spontanität und Souveränität gefragt.« Brandt rät, unter anderem im Alltag Zeitdiebe zu entlarven sowie Tages- und Wochenziele festzulegen. Ihrer Erfahrung nach ist es der Traum jeder PKA, eine Person im Team zu haben, die sich ausschließlich um das Telefon kümmert. Der zweite Wunsch betreffe meist mehr Ablagefläche im Backoffice-Raum, um Dokumente besser sortieren und die Übersicht behalten zu können. Nach Brandts Auffassung sollten Backoffice-Mitarbeiter künftig folgende Fertigkeiten haben, damit ihr Arbeitstag entspannter abläuft: »Konfliktmanagement und der Umgang mit schwierigen Telefonanrufern. Ebenso ist das Selbst- und Zeitmanagement eine wichtige Kompetenz, die man schon in der Ausbildung trainieren sollte.«

Personalführung und digitale Tools zentral

Dass im Backoffice von morgen »außerordentlich viel Potenzial steckt«, davon ist auch die Apothekengewerkschaft Adexa überzeugt. Die Vor-Ort-Apotheken müssten sich auf dem Markt neu positionieren und ihre klassischen Aufgaben mit einem modernen Unternehmertum kombinieren. Die Tätigkeiten der PKA wie »schnelle Reaktionen auf Marktveränderungen, Rabattverträge oder Produkt-Trends bis hin zur maximalen Lieferbarkeit und einer ständigen Kontrolle der Preisstruktur« seien eben »nicht mal eben zwischen HV und Rezeptur durch pharmazeutisches Personal« zu erfüllen, hebt die Gewerkschaft gegenüber der PZ hervor. Bei dem zunehmenden Stress hält sie außerdem eine gute Personalführung seitens der Apothekenleitung für zentral.

Auch Automatisierung und Digitalisierung durch Kommissionierautomaten, elektronische Preisetiketten oder entsprechende Software-Programme entlasten laut Adexa die Backoffice-Mitarbeiter. Die Anforderungen an PKA haben sich jedoch verändert: Aus Sicht der Gewerkschaft sollte es schon bald neue Ausbildungspläne geben, die noch intensiver die kaufmännische Richtung sowie wirtschaftliches Denken und Handeln in den Fokus rücken. Aber auch Gesprächsführung, Verhandlungsgeschick, analytisches Denken und Social-Media-Kompetenz sollten Teil der PKA-Ausbildung sein. »Ziel wäre, dass die Apothekenleitung künftig den Einkauf an ihr kaufmännisches Personal abgibt und sich so Raum und Zeit schafft für Personalführung und Unternehmensentwicklung«, heißt es.

Die Motivation der Mitarbeiter spielt nämlich eine entscheidende Rolle. Nach Adexa-Angaben berichten PKA immer wieder, dass sie sich gerne mehr einbringen und Prozesse optimieren würden, aber nicht dürfen. Dabei existiere insbesondere in diesen Zeiten mehr denn je die Möglichkeit, den Beruf neu zu denken und dessen Positionierung in der Apotheke zu stärken. In einer modernen Offizin sieht Adexa die PKA als »die rechte Hand der Apothekenleitung«.

Software entwickelt sich schnell weiter

Nicht zuletzt die Pandemie hat gezeigt, dass in einem gut funktionierenden Backoffice perspektivisch ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für die Apotheke vor Ort liegt. Dazu müssen die Mitarbeiter allerdings auch fit im Umgang mit technischen und digitalen Hilfsmitteln sein, um die Datenflut zu managen. Der Software-Anbieter Pharmatechnik ist nach eigenen Angaben »bestrebt mit IXOS der Apotheke eine Apotheken-EDV zur Verfügung zu stellen, mit der diese für jede Anforderung gut gerüstet ist und gleichzeitig die Aufwände und Komplexität« reduzieren kann. Wie das Unternehmen der PZ sagte, will es sein Produkt weiter ausbauen, um die Menge eingehender Daten und Bestellungen zu bündeln und »clever zu sortieren«. Geplant ist demnach ebenfalls, verstärkt das Thema Organisation in der Offizin anzugehen. So sollen Aufgaben direkt im System bestimmten Mitarbeitern zugeteilt werden können. Das Abarbeiten dieser Zuweisungen soll dann weitestgehend automatisiert erfolgen.

Darüber hinaus ist es nach Auffassung des Herstellers relevant, dass die Software über Schnittstellen zu Webshops und anderen Kooperationsanbietern verfügt. »Ein Patient wird sich für die Apotheke entscheiden, die ihm am schnellsten eine positive Rückmeldung über seine Bestellung oder seinen Beratungswunsch zurückspielt«, heißt es. Auch Remotelösungen für mobiles Arbeiten gehören laut Pharmatechnik zu den Trends, die nun immer stärker nachgefragt sind.

Eine sogenannte Multishop-Anbindung bietet ebenfalls der Softwarehersteller CGM Lauer an. Damit könne die Apotheke gleich auf mehreren Portalen präsent sein, so der Hersteller gegenüber der PZ. Für das Bearbeiten von digital einlaufenden Online-Bestellungen und E-Rezepten im Backoffice bietet das Unternehmen nach eigenen Angaben über sein WINAPO-System für die Lieferung der Arzneimittel etwa eine Botendienst-Organisation samt Smart-Courier, der die Route plant und die Sendung trackt, also live verfolgt, oder eine Lieferung an eine Abholstation. »Der Kunde wird dabei über den Status und die Fertigstellung seiner Bestellung elektronisch informiert.« Auch Telepharmazie mit und ohne Terminbuchung sei über das System bereits möglich.

Verantwortung der PKA steigt

Weil die Anforderungen ans Backoffice immer größer werden, will auch Stephan Torke ab dem nächsten Jahr mehr Mitarbeiter in diesem Bereich einsetzen. Das sagte der Inhaber der Grund Apotheke im sächsischen Freital auf Nachfrage der PZ. Wie auch die Adexa erachtet er die künftige Position der PKA als »Allrounder« und »rechte Hand des Chefs«, die deutlich mehr betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Marketing-Wissen sowie Social-Media-Kompetenz mitbringen sollte. Wer bereit ist, diese Verantwortung zu übernehmen und den Chef zu entlasten, wird das sicher auch bald am Gehalt merken, meint der Apotheker. Was die Software-Angebote betrifft, geht Torke davon aus, dass die Hersteller »sich zügig weiterentwickeln müssen«. Für unabdingbar hält er außerdem ein Customer-Relationship-Management. »Nur durch eine Vielzahl an Daten und deren Auswertung werden wir unsere Kunden optimal beraten und persönlich binden können. Der menschliche Faktor muss durch Künstliche Intelligenzen unterstützt werden«, ist er überzeugt. Eine große Erleichterung in der Kommunikation wäre in seinen Augen auch eine Chat-Funktion mit dem Kunden – ähnlich wie WhatsApp. »Für beide Seiten effektiver als das Telefon oder der Videochat, da man seine Antworten zeitlich besser an die Gegebenheiten anpassen kann.«

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