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Akute Rückenschmerzen

Dank Schmerzmitteln sofort aktiv werden

Menschen mit akuten Rückenschmerzen sollten durch umgehende Schmerzlinderung in die Lage versetzt werden, sich ausreichend zu bewegen. So steigen die Chancen, dass der Schmerz nicht chronisch wird. Ein neuer Leitfaden rät zu Schmerzgels, NSAR oder Paracetamol.
Christiane Berg
15.11.2021  13:30 Uhr

»Körperliche Aktivität ist eine tragende Säule zur Verhinderung der Schmerz-Chronifizierung«, heißt es im aktuell erschienenen »DGS-PraxisLeitfaden zur Behandlung akuter Kreuz-/Rückenschmerzen« der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin. Da es in der frühen Phase akuter und subakuter Schmerzen, also in den ersten vier bis sechs Wochen, sehr viel einfacher sei, den Verlauf positiv zu beeinflussen und Chronifizierungs-fördernden Entwicklungen zu begegnen, fokussiere sich der Leitfaden auf Patienten mit akuten Schmerzen.

In Bewegung kommen Rückenschmerz-Patienten aber nur mit einer ausreichenden Schmerzlinderung. Ob lokal zum Beispiel mit NSAR- oder Menthol-haltigen Cremes und Gels und/oder oral mit Paracetamol oder NSAR in Niedrigdosis über kurze Zeit: Der frühzeitigen supportiven medikamentösen Selbstbehandlung durch den Einsatz apothekenpflichtiger Arzneimittel und Medizinprodukte in den ersten Stunden der akuten Schmerzphase kommt eine wichtige Rolle zu, so die Autoren.

Bei den meisten Patienten mit akuten Kreuz- und Rückenschmerzen könne eine rasche und nachhaltige Beschwerdelinderung erzielt und somit die Aufrechterhaltung beziehungsweise Wiedererlangung der dringend notwendigen körperlichen Aktivität ermöglicht werden, wobei stets auch psychosoziale Risikofaktoren als Ursachen einer Schmerzchronifizierung Berücksichtigung finden müssten. Zu diesen Risikofaktoren (sogenannten »Yellow Flags«) zählen unter anderem Angst, Depressionen, Stress, Konflikte in der Partnerschaft oder belastende Lebenserfahrungen.

Halten die Beschwerden jedoch länger als zwei Wochen an oder nehmen gar zu, so sollte zeitnah ein Arzt konsultiert werden, um durch eine ausführliche Anamnese und Differentialdiagnose schwere Grunderkrankungen oder strukturelle Schäden, Deformationen und Fehlbildungen (sogenannte »Red Flags«) auszuschließen.

Aufklärung und Nicht-Opiode statt MRT und OP

Dabei sollte der Einsatz bildgebender Verfahren – bei unauffälligem körperlichem Befund – vermieden werden. Er wird von den Autoren des Praxis-Leitfadens kritisch kommentiert. Bildgebende Verfahren, die auf der Grundlage zufällig gleichzeitig auftretender Befunde vermeintlich kausale Zusammenhänge identifizieren, führten häufig zu einer Fehldiagnose und chirurgischen Fehlbehandlung, die das Problem oft und unnötig verschlimmern, sagen sie. Die Patienten sollten vielmehr ausführlich über die eigentliche »gutartige« Natur ihrer Schmerzen sowie die Gefahren passiver Schonhaltung und körperlicher Inaktivität informiert werden.

Um die rasche und aktive Mobilisation des Patienten zu ermöglichen, sei es gegebenenfalls empfehlenswert, ärztlicherseits auch NSAR in höheren Dosierungen, Nicht-Opioid-Analgetika (NOPA) wie Metamizol sowie insbesondere Muskelrelaxanzien wie Pridinol oder Methocarbamol in Mono- oder Kombinationstherapie zu verordnen. So sei es möglich, auch die muskuläre Funktionalität wieder zu gewährleisten, die für die Wiederaufnahme der im Kampf gegen die Schmerzen dringend notwendigen körperlichen Bewegung bedeutend ist. 

Kreuz- und Rückenschmerzen gelten weltweit als häufigster Grund für schmerzbedingte Beeinträchtigungen von Funktionalität, Berufsunfähigkeit und vorzeitiger Berentung. Ihre Lebenszeitprävalenz, so die DGS, liegt in Deutschland bei circa 80 Prozent der erwachsenen Bevölkerung mit einem Schwerpunkt in der Altersgruppe der 35- bis 50-Jährigen.

Die häufigsten Ursachen für Rückenschmerzen

In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle, sprich: zu circa 85 Prozent, seien die Schmerzen auf harmlose und in der Regel auch selbstlimitierende Ursachen zurückzuführen, die unter der Diagnose »mechanische« beziehungsweise »nicht spezifische« Kreuz- und Rückenschmerzen unter anderem durch Muskelverspannungen oder Bänderzerrungen zusammen gefasst werden.

In wenigen, also 3 bis 4 Prozent der Fälle, lägen den Schmerzen potenziell schwerwiegendere Ursachen wie Bandscheibenvorfälle, Spondylolisthesiden, osteoporotisch oder traumatisch bedingte Kompressionsfrakturen der Wirbelkörper beziehungsweise Spinalkanalstenosen zugrunde. Selten, also in weniger als 1 Prozent aller Fälle, seien die Schmerzen Ausdruck einer schwerwiegenden Entzündung wie einer Spondylitis ankylosans oder aber einer Krebserkrankung (meist infolge einer Metastasierung) beziehungsweise einer Infektion.

Akute Kreuz- und Rückenschmerzen, so die DGS, haben in der Regel eine gute Prognose. Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen verschwinden die Beschwerden binnen vier bis sechs Wochen. Durch geeignete Maßnahmen könne die Zahl chronifizierender Verläufe stark und nachhaltig gesenkt werden, wenn den individuellen therapeutischen Bedürfnissen der Patienten Tribut gezollt und maßgeschneiderte multimodale Therapiekonzepte realisiert werden können.

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