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Mikrobiota

Covid-19 hinterlässt auch im Darm Spuren

Die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm kann neueren Studien zufolge die Krankheitsschwere und die Immunantwort auf eine SARS-CoV-2-Infektion beeinflussen. Praktische Konsequenzen ergeben sich daraus aber noch nicht.
Christina Hohmann-Jeddi
19.01.2021  11:00 Uhr

Covid-19 ist vor allem eine Erkrankung der Atemwege mit Fieber, Husten und Atembeschwerden als prominenten Symptomen, doch auch der Darm scheint eine wichtige Rolle zu spielen. So treten auch Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall bei SARS-CoV-2-Infizierten auf und scheinen auf einen schwereren Verlauf hinzudeuten. Der Frage, ob eine schlechte Darmgesundheit eine schlechtere Covid-19-Prognose bedingt, geht der Mikrobiologe Dr. Heenam Stanley Kim von der Universität Korea in Seoul in einem Review im Journal »mBIO« der Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie nach.

Es gebe zunehmend Hinweise darauf, dass eine Störung der Mikrobiota und infolgedessen eine Störung der Darmbarriere zu gastrointestinalen Symptome und darüber hinaus zu einem SARS-CoV-2-Befall innerer Organe führen könnten. Denn eine Dysbalance der Darmmikrobiota kann die Integrität der Barriere stören, was es Pathogenen erleichtern könnte, in intestinale Epithelzellen einzudringen, heißt es in dem Review. Dieser Zusammenhang sei aber noch nicht nachgewiesen.

Weniger Diversität im Darm

Bisher wurde gezeigt, dass die Diversität der Darmmikrobiota bei Covid-19-Patienten reduziert ist. Insbesondere nützliche Arten verschwinden und pathogene Spezies, etwa der Familien Ruminococcaceae und Lachnospiraceae, reichern sich an. In ihrer Anzahl zurück gehen zum Beispiel Arten, die kurzkettige Fettsäuren (SCFA) wie Butyrat produzieren und damit einen Beitrag zur Darmbarriere leisten. In einer Untersuchung stellten Forscher um Tao Zuo von der Chinesischen Universität Hong Kong eine inverse Korrelation zwischen dem Vorkommen der antiinflammatorisch wirkenden Art Faecalibacterium prausnitzii und der Krankheitsschwere bei Covid-19-Patienten fest (»Gastroenterology«, DOI: 10.1053/j.gastro.2020.05.048).

Vier verschiedene Bacteroidetes-Spezies, die zumindest bei Mäusen die Expression von ACE2 im Darm herunterregulieren, waren negativ mit einem SARS-CoV-2-Befall des Darms korreliert. Lagen diese Bakterien im Überfluss vor, war die Zahl der Viren also gering. Mit einer Anzahl von 15 Probanden kann die Untersuchung allerdings nur als Pilotstudie gelten.

In Teilen wurden die Ergebnisse nun von einer etwas größeren aktuellen Studie der gleichen Arbeitsgruppe im Fachjournal »Gut« bestätigt (DOI: 10.1136/gutjnl-2020-323020). Hier untersuchte das Team 274 Stuhlproben von 78 Covid-19-Patienten. Diese wiesen einen höheren Anteil an Ruminococcus gnavus, Ruminococcus torques und Bacteroides dorei auf als die Proben von Gesunden. Unterrepräsentiert waren dagegen Faecalibacterium prausnitzii, Eubacterium rectale und Bifidobakterien.

Westliche Lebensweise als Risikofaktor?

Eine Analyse der Blutproben der untersuchten Patienten zeigte, dass eine Störung des Darmmikrobioms mit erhöhten Konzentrationen an proinflammatorischen Zytokinen und Markern für Gewebeschäden assoziiert war. Das Mikrobiom könnte somit die Immunantwort auf die Coronavirus-Infektion mitbestimmen und die Krankheitsschwere beeinflussen, schreiben die Forscher. Belegt ist das alles noch nicht, aber durchaus plausibel, denn der Darm beherbergt den größten Teil des menschlichen Immunsystem und die Pathogenese von Covid-19 wird stark durch eine überschießende Immunantwort bestimmt.

Kim führt in seinem Review noch ein weiteres Argument an: Industrialisierte Länder wie die USA und auch Länder Westeuropas seien trotz einer guten medizinischen Infrastruktur besonders stark von der Pandemie betroffen. Dies könnte darauf hinweisen, dass die westliche Ernährungsweise, die arm an Ballaststoffen und ein klassischer Risikofaktor für Störungen der Darmmikrobiota ist, eine negative Rolle spielen könnte. Der Zusammenhang von Darmgesundheit und Covid-19 müsse aber noch weiter untersucht werden.

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