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Senolytika

Covid-19 bekämpfen – und das Alter gleich mit

Ältere Menschen haben bei Covid-19 bekanntlich eine deutlich höhere Sterblichkeit als jüngere. Wirkstoffe, die auf zellulärer Ebene das Alter bekämpfen, könnten hier Abhilfe schaffen. Das zeigt eine Tierstudie aus den USA.
Annette Rößler
10.06.2021  16:30 Uhr

Ein biologisches Merkmal des Älterwerdens ist die sogenannte Immunseneszenz, also ein Nachlassen der Leistungsfähigkeit des Immunsystems. Hierbei spielen unter anderem seneszente Zellen eine Rolle, das sind Körperzellen, die sich infolge ihres Alters nicht mehr teilen. Sie hat ein Team von Forschern der US-amerikanischen Mayo Clinic und der University of Minnesota nun als Treiber der Hyperinflammation infolge einer SARS-CoV-2-Infektion identifiziert. Denn wie die Wissenschaftler im Fachmagazin »Science« ausführen, verändern seneszente Zellen als Reaktion auf den Kontakt mit Pathogenen wie SARS-CoV-2 ihre Eigenschaften und setzen unter anderem Botenstoffe frei, die dem Virus das Eindringen auch in nicht seneszente Zellen ihrer Umgebung erleichtern. Das beobachtete das Team um Professor Dr. Christina D. Camell zunächst in Zellkulturen.

In einem zweiten Schritt infizierten die Forscher junge und alte Mäuse, die bis dato in einer sterilen Umgebung gehalten worden waren, mit verschiedenen Erregern, darunter auch ein SARS-CoV-2-ähnliches Betacoronavirus. Während die jungen Mäuse sich schnell an die mikrobielle Besiedelung gewöhnten und ohne größere Einschränkungen weiterlebten, reagierten nahezu alle alten Mäuse mit einer starken Entzündung und starben. Die anschließende Untersuchung zeigte, dass bei diesen Tieren diverse Seneszenzmarker stark erhöht waren.

Wirkstoffe, die seneszente Zellen gezielt abtöten, nennt man Senolytika. Ihr Einsatz wird schon seit einer Weile bei Covid-19 untersucht. Zu den Wirkstoffen zählen etwa Fisetin, ein Inhaltsstoff von Erdbeeren und anderen Früchten, sowie die Kombination aus dem Krebsmittel Dasatinib (Sprycel®) und dem Pflanzeninhaltsstoff Quercetin. Verabreichten die Forscher in dem Experiment alten Mäusen vor der Pathogen-Exposition entweder Fisetin oder Dasatinib/Quercetin, starb nur noch die Hälfte der Tiere, die Sterblichkeit sank also um 50 Prozent. Zudem wirkte sich die Senolytika-Behandlung signifikant positiv auf Seneszenz- und Entzündungsmarker aus und führte zur verstärkten Bildung antiviraler Antikörper.

Es sei zu erwarten, dass es die Resilienz von kranken oder alten Personen stärke und ihre Sterblichkeit infolge von Virusinfektionen unter anderem mit SARS-CoV-2 reduziere, wenn bei ihnen die Menge seneszenter Zellen mittels eines Senolytikums gesenkt würde, schlussfolgern die Autoren. Mitarbeiter der Mayo Clinic testen den Einsatz von Fisetin bei Covid-19 bereits in drei verschiedenen Studien an hospitalisierten Patienten, Pflegeheimbewohnern sowie Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf (NCT04476953, NCT04537299 und NCT04771611).

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