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Passive Immunisierung

Covid-19-Antikörpern auf der Spur

Wissenschaftler des Universitätsklinikums Erlangen und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) arbeiten an einer passiven Immunisierung gegen das Coronavirus mithilfe von monoklonalen Antikörpern.  Sie soll zum Beispiel Hochrisikogruppen und medizinisches Personal vor Covid-19 schützen, kann aber auch für die Therapie von schwerkranken Patienten interessant sein.
Christiane Berg
24.04.2020  16:40 Uhr

In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig sowie dem Deutschen Primatenzentrum in Göttingen sind dazu zwei Wege beschritten worden, heißt in einer Pressemeldung der Uniklinik Erlangen. Eine Arbeitsgruppe um Professor Dr. Thomas Winkler, Inhaber des Lehrstuhls für Genetik am Nikolaus-Fiebiger-Zentrum für Molekulare Medizin der FAU, analysierte Blutproben von fünf genesenen Covid-19-Patienten . Darin identifizierten die Forscher rund 2000 verschiedene Antikörpergene. Von 20 bisher getesteten Antikörpern sei etwa ein Drittel gegen das neue Coronavirus gerichtet.

Ein weiteres Team um Professor Dr. Hans-Martin Jäck, Leiter der Molekular-Immunologischen Abteilung des Uniklinikums Erlangen, wiederum gewann Antikörper aus genveränderten Mäusen, die zuvor mit Bestandteilen des Coronavirus geimpft wurden. Auf diese Weise seien circa 20 Antikörper identifiziert worden, die sich im Kampf gegen das Virus eignen.

Das Spike-Protein des Coronavirus blockieren

Die besten dieser Antikörper ziehen nun in die nächste Runde ein. Sie werden derzeit von der Arbeitsgruppe um Professor Dr. Klaus Überla, Direktor des Instituts für Klinische und Molekulare Virologie des Uniklinikums Erlangen, auf die Fähigkeit getestet, sich an das sogenannte Spike-Protein von SARS-CoV-2 zu binden und dieses somit zu deaktivieren.

Das Spike-Protein gilt als schärfste Waffe und gleichermaßen auch als Schwachstelle des Coronavirus: Es nutzt sein Oberflächen-Protein, um an ACE2-Rezeptoren menschlicher Zellen andocken und so durch die Zellmembran eindringen zu können. Allerdings, so ist zwischenzeitlich bekannt, können spezifische Antikörper die Anbindung des Spike-Proteins verhindern, indem sie sich selbst anheften.

In einem nächsten Schritt soll am Primatenzentrum getestet werden, ob sich die aus Zellkulturen gewonnenen Erkenntnisse im Tierversuch bestätigen lassen. Mit ersten klinischen Studien an menschlichen Patienten, so heißt es weiter, sei frühestens in sechs Monaten zu rechnen.

Biotech- oder Pharmafirmen ins Boot holen

»All dies sind unerlässliche Schritte auf dem Weg, schon bald Patienten mit der möglichen passiven Impfung behandeln zu können, der sicher, verträglich und vor allem wirksam ist«, so Winkler. Entscheidend sei allerdings auch, dass man zeitnah Biotech- oder Pharmafirmen mit Erfahrung in der Herstellung und Zulassung von Antikörper-Therapeutika einbindet. »Mit etwas Glück könnte dann in neun Monaten ein passiver Impfstoff bereitstehen.«

Zum Hintergrund: Die passive Impfung gilt im eigentlichen Sinne nicht als Impfung, da der Antikörper nicht vom menschlichen Organismus selbst gebildet, sondern quasi von außen zugeführt wird. Da diese Antikörper im Körper nach und nach abgebaut werden, kann keine bleibende Abwehr gebildet werden, sondern lediglich eine Immunität von zwei bis drei Monaten entstehen. Bei einer aktiven Impfung, also der Applikation von abgeschwächten Erregern oder Erreger-Bestandteilen hingegen wird der zu immunisierende Körper angeregt, selbst Antikörper gegen diese Erreger zu bilden und im besten Fall ein Leben lang immun zu bleiben. Winkler: »Natürlich ist ein aktiver Impfstoff die bessere Alternative. Doch bis dieser zur Verfügung steht, kann es noch dauern.«

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