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CRISPR/Cas-Technologie

Coronavirustest braucht fünf Minuten und ein Handy

Zum Management und zur Kontrolle der Corona-Pandemie sind geeignete diagnostische Verfahren essenziell. Die Schwäche der verfügbaren und eigentlich sehr  zuverlässigen Tests liegt darin, dass man auf deren Ergebnisse zu lange warten muss. Hier könnten ein Verfahren Abhilfe schaffen, das auf einer Spezialanwendung der CRISPR/Cas-Technologie beruht.
Theo Dingermann
13.10.2020  09:00 Uhr

Nach wie vor gilt es als Herausforderung, symptomatische, asymptomatische und präsymptomatische SARS-CoV-Träger zuverlässig, schnell und klinisch aussagekräftig zu identifizieren. Das derzeitige Goldstandard-Diagnostikum, die quantitative Reverse Transkriptions-Polymerase-Kettenreaktion (RT-qPCR), ist zwar gut etabliert, liefert aber vergleichsweise spät Ergebnisse. Die  analytische Nachweisgrenze (limit of detection: LOD) liegt bei 1000 viralen RNA-Kopien/mL (1 Kopie/μL). Die Trägheit dieses sehr empfindlichen und sehr genauen Verfahrens macht es erforderlich, weiter nach alternativen Testverfahren zu suchen, die deutlich schneller Ergebnisse liefern.

Neuer Test basierend auf der CRISPR/CAS-Technologie

Wissenschaftler um Parinaz Fozouni von der University of California, San Francisco, haben nun einen SARS-CoV-2-Tests entwickelt der den Ansprüchen an einen schnellen Point-of-Care-Test genügen sollte. Ihre Daten haben die Wissenschaftler auf dem Preprintserver »MedRxiv« publiziert.

Der Test weist aus einem Rachenabstrich virale RNA direkt nach und basiert auf der CRISPR/Cas-Technologie, für deren Entwicklung vor wenigen Tagen Professor Dr. Emmanuelle Charpentier von der Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene in Berlin und Professor Dr. Jennifer A. Doudna von der University of California in Berkeley den diesjährigen Chemie-Nobelpreis erhielten .  Allerdings wird bei dem SARS-CoV-2-Test als enzymatische Komponente nicht das DNA-abhängige bakterielle Enzym Cas9, sondern das RNA-abhängige Enzym Cas13a verwendet.

Der Test funktioniert nach folgendem Prinzip: Cas13a ist mit einer CRISPR-RNA (crRNA) komplexiert, die eine Leit-Sequenz enthält. Diese dirigiert den RNA-Protein-Komplex an eine komplementäre Ziel-RNA . Dadurch wird die Schere Cas13a aktiviert, die alle in der Umgebung vorhandenen einzelsträngigen RNA-Moleküle (ssRNA) zerschneidet.

Diesen massiven Kollateralschaden kann man einfach als Nachweissystem verwenden, was bereits im Jahre 2017 von Feng Zhang, der am Broad Institute in Cambridge, Massachusetts forscht, beschrieben wurde. Fügt man nämlich eine kleine Menge ssRNA dem Testansatz hinzu, die ein Fluoreszenssignal generiert, wenn sie geschnitten wird, kann man dieses Signal leicht auslesen.

Fozouni und ihre Kollegen haben ihren CRISPR/Cas13a-basierten Schnelltest dahingehend entwickelt, dass die SARS-CoV-2 RNA direkt ausgemessen und quantifiziert werden kann. Eine Amplifikation der viralen Genome ist nicht erforderlich. Dies reduziert auch das Fehlerpotenzial des Tests hinsichtlich der quantitativen Aussagen. Zudem kann das Fluoreszenzsignal mit einer Handykamera, die mit einer kostengünstigen Laserquelle und einer Sammeloptik ausgestattet ist, ausgelesen werden. Wegen der hohen Empfindlichkeit der Kameras, ihrer Konnektivität und GPS-Ausstattung bieten sich Mobiltelefone geradezu an, in Point-of-Care-Systeme integriert zu werden.

Durch die Kombination mehrerer crRNAs zur Erhöhung der Cas13a-Aktivierung und die Analyse der zeitlichen Veränderung der Fluoreszenz anstelle einer reinen Endpunkt-Fluoreszenz ist das hier vorgestellte System in der Lage, innerhalb von 30 Minuten eine SARS-CoV-2-RNA-Detektion von ~100 Kopien/μL zu erreichen. Für ein Set von fünf Patientenproben lieferte der Test innerhalb von fünf Minuten ein korrektes Ergebnis. Somit eignet sich das Testsystem als schnelles, akkurates, portables und kostengünstiges Point-of-Care-SARS-CoV- 2-Diagnostik-Tool, folgern die Forscher.

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