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Mutation D614G

Coronavirus-Variante ist leichter übertragbar

Lange war nicht klar, wie sich die Mutation mit der Bezeichnung D614G im Spike-Protein des SARS-Coronavirus-2 auf dessen Eigenschaften auswirkt. Jetzt melden US-amerikanische Forscher: Sie macht das Virus infektiöser, aber nicht pathogener.
Christina Hohmann-Jeddi
13.11.2020  17:30 Uhr

Die Coronavirus-Variante mit der Mutation Spike D614G breitet sich seit Anfang Februar in Europa aus und sei dort in Gebieten, in die sie neu eingetragen wurde, schnell die dominante Form geworden. Inzwischen ist sie weltweit die häufigste Variante des neuen Coronavirus und hat das ursprüngliche Virus verdrängt. Schon früh gingen die Wissenschaftler um Bette Korber vom Los Alamaos National Laboratory in New Mexico, die sie entdeckt und beschrieben haben, davon aus, dass die Variante Vorteile gegenüber anderen hat, weil sie sich so stark durchsetzen kann. Wie genau die Mutation sich auf die Eigenschaften des Erregers hinsichtlich der Übertragbarkeit, Pathogenität und Schutzwirkung von Impfstoffen, die gerade entwickelt werden, auswirkt, war bislang aber noch nicht untersucht.

Ein Team um Yixuan J. Hou von der University of North Carolina at Chapel Hill hat sich daher die Variante, bei der an Position 614 der Aminosäuresequenz ein D (Asparaginsäure) durch ein G (Glycin) ersetzt wurde, genauer angeschaut. In einer Reihe von Experimenten mit menschlichen Zellen und Tiermodellen untersuchten die Forscher die Eigenschaften der Varianten und verglichen sie mit dem Wildtyp. Dabei zeigte sich, dass die D614G-Variante humane Epithelzellen der Atemwege deutlich besser infizierte als der Wildtyp. Sie replizierte in diesen stärker, behielt dabei aber ihre Morphologie, berichten die Forscher im Fachjournal »Science«.

»Die D614G-Variante schlägt den ursprünglichen Stamm um das 10-Fache«, erklärt Seniorautor Professor Dr. Ralph Baric in einer Mitteilung der Universität. Sie repliziere extrem effizient in den Nasen-Epithelzellen des Menschen, die für die Übertragung des Erregers eine große Rolle spielen.

In Mäusen und Hamstern, die so verändert waren, dass sie menschliche Zelleigenschaften aufweisen, erreichten beide Virusvarianten ähnlich hohe Konzentrationen in den Atemwegen und riefen auch vergleichbare Symptome hervor, wobei die Tiere mit der Mutante geringfügig mehr Gewicht verloren. Die Pathogenität erhöhe sich durch die Mutation also nicht wesentlich, schließen die Forscher daraus. Bei einem Experiment, in dem infizierte Hamster in getrennten Käfigen, aber in räumlicher Nähe von nicht infizierten Hamstern gehalten wurden, testeten die Forscher die Übertragbarkeit der Varianten. Auch hier war die D614G-Variante dem Wildtyp überlegen – sie übertrug sich deutlich schneller. Während bei der Mutante an Tag zwei sechs der acht exponierten Hamster angesteckt waren, war dies beim Wildtyp kein einziger. Allerdings waren bei beiden Varianten an Tag vier alle exponierten Tiere infiziert.

Ein Grund könnte sein, dass die D614G-Mutation die Konformation der Rezeptor-Bindedomäne (RBD) verändere, sodass sie den ACE2-Rezeptor effizienter binden kann, wie frühere Untersuchungen gezeigt hätten, schreiben die Forscher. Ob das Einfluss auf die Bindung von Antikörpern hat, untersuchten sie in einem weiteren Experiment: Sie testeten, ob das veränderte Spike-Protein von neutralisierenden Antikörpern aus dem Serum von Genesenen noch erkannt wird – was entscheidend für die Impfstoffentwicklung ist, die mehr oder weniger vollständig auf das charakteristische Oberflächenprotein ausgerichtet ist. Bei den Neutralisationsversuchen zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Varianten. Das bedeute, dass die Mutation nicht dazu führt, dass die sich in der Entwicklung befindlichen Impfstoffe an Wirksamkeit verlieren.

Es sei insgesamt wichtig, die Mutationen von SARS-CoV-2 weiter im Auge zu behalten, schreiben die Forscher. »Neue Varianten tauchen immer wieder auf«, so Baric. Als jüngstes Beispiel sei hier das Cluster5-Virus zu nennen, das bei Nerzen in Dänemark entdeckt wurde. Auch diese Variante trage die D614G-Mutation, sagt Baric. »Um die öffentliche Gesundheit maximal zu schützen, müssen wir den Mutationen nachgehen und aufklären, wie sie sich auf den Krankheitsverlauf, die Übertragbarkeit, Wirtsspektrum und Ansprechen auf die Vakzine-induzierte Immunität auswirken.«

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