Coronaimpfung könnte Long-Covid-Symptome lindern |
Daniela Hüttemann |
20.05.2021 09:30 Uhr |
Viele Menschen berichten auch noch Wochen nach einer überstandenen SARS-CoV-2-Infektion von Symptomen wie Erschöpfung, Kurzatmigkeit und Schmerzen. / Foto: Getty Images/Westend61
Das Long-Covid-Syndrom ist weiterhin schwer fassbar. Wann beginnt es, welche Symptome gehören dazu und wie sind die Besserungschancen? Betroffene klagen zum Beispiel Wochen nach der abgeklungenen SARS-CoV-2-Infektion über ständige Müdigkeit bis hin zu chronischer Fatigue, Kurzatmigkeit, Muskelschwäche und Schmerzen. Hier ist vieles noch unklar, vor allem zur Behandlung.
Diskutiert wird seit Verfügbarkeit der Covid-19-Impfung, ob diese Long-Covid-Betroffenen eher schadet oder nützt. Eine erste Studie dazu erschien bereits im März. Eine neue Befragung von rund 900 Betroffenen weist nun auf einen Nutzen hin. Nach Angaben der beteiligten britischen Selbsthilfeorganisation LongCovidSOS ist es die bislang größte Analyse ihrer Art.
Die Organisation hatte Betroffene, die nach ihrer Erkrankung geimpft wurden, um eine Bewertung ihrer Symptome vor und nach der Impfung gebeten. Um akute Nebenwirkungen auszuschließen, sollte dabei seit der Impfung mindestens eine Woche verstrichen gewesen sein. Wissenschaftlich begleitet wurde die Befragung von Forschern der University of Exeter Medical School und der University of Kent. Die Ergebnisse erschienen gestern auf der Website von LongCovidSOS sowie auf einem Preprintserver und haben noch kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen.
Die Teilnehmer hatten mindestens eine Impfdosis von Astra-Zeneca (50 Prozent), Biontech/Pfizer (40 Prozent), Moderna (8,6 Prozent) oder Janssen (1 Prozent) bekommen. Ausgeschlossen wurden unvollständige Berichte und Berichte von Multiple-Sklerose-Patienten, weil diese Erkrankung häufig mit Fatigue assoziiert ist, sowie von Patienten mit chronischem Fatigue-Syndrom. Abgefragt wurde die Intensität von 14 Symptomen.
Dabei gaben 57 Prozent der Befragten eine Verbesserung ihrer Symptomatik an, während 24 Prozent keinen Unterschied feststellten und 19 Prozent eine Verschlechterung. 27 Prozent der Studienteilnehmer berichteten eine Verbesserung einiger bis aller Symptome und bei keinem Symptom eine Verschlechterung. 24 Prozent hatten je nach Symptom teils bessere, teils schlechtere Erfahrungen, aber im Schnitt war ihr Befinden um 20 Prozent gestiegen. Lediglich 3 Prozent berichteten, dass sich bei ihnen alle Symptome verschlechtert hatten, allerdings oft nur vorübergehend. Aufgeschlüsselt nach Impfstoff zeigte sich folgendes Bild: Die Moderna-Vakzine reduzierte den Symptomscore im Durchschnitt um 31 Prozent, Biontech/Pfizer um 24,4 Prozent und die Adenovirus-basierten Vektorimpfstoffe, also Astra-Zeneca und Janssen, um jeweils 23 Prozent.
»Diese Daten zeigen, dass es vielen Menschen nach der Impfung besser geht und sich die Symptome nur bei einem kleinen Teil verschlechtern«, fasst Ondine Sherwood von LongCovidSOS zusammen. »Wir hoffen, dass die Ergebnisse dieser Umfrage Menschen mit Long Covid beruhigen und sie nicht zögern, einen der angebotenen Impfstoffe anzunehmen.« Ob Covid-19-Impfungen wirklich einen therapeutischen Effekt haben, sollte jedoch noch in kontrollierten klinischen Studien untersucht werden. Unklar ist auch noch, wie lange der mögliche Effekt anhalten könnte.
Studienautor Professor Dr. David Strain von der Universität Exeter sprach von vorsichtigem Optimismus. »Trotz aller Vorbehalte in Bezug auf Beobachtungsdaten, Selbstberichterstattung über Symptome und mangelnde Zeitkontrolle lässt die überwiegend positive Reaktion bei Menschen, die seit bis zu zwölf Monaten leiden, darauf schließen, dass die Impfung bei den Betroffenen wahrscheinlich keine Verschlechterung verursacht und bei Long Covid möglicherweise von Vorteil sein kann.« Dies sei wichtig, um die Betroffenen vor Reinfektionen zu schützen.
Forscher vermuten, dass Long-Covid-Symptome durch immer noch im Körper vorhandene Coronaviren oder Fragmente verursacht werden – oder von einer aus dem Lot geratenen Immunreaktion nach der Infektion. Eine Hypothese ist, dass eine Covid-19-Impfung dem Körper hilft, eventuelle Virusreste zu eliminieren und das Immunsystem wieder neu auszurichten.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.