Corona macht rote Blutkörperchen steif |
Annette Rößler |
29.06.2021 18:00 Uhr |
Wie groß und wie steif die Erythrozyten und andere Blutzellen sind, verrät, wie gut sie ihre jeweilige Funktion ausüben können. / Foto: Adobe Stock/Artem
Viele Patienten, die schwer an Covid-19 erkrankt sind, leiden an einer Beeinträchtigung der Blutzirkulation, die zu lebensgefährlichen Gefäßverschlüssen führen kann. Eine Ursache dafür kann eine Entzündung des Gefäßendothels sein, die durch eine SARS-CoV-2-Infektion ausgelöst wird und in deren Folge die endotheliale Funktion eingeschränkt ist. Darüber hinaus werden aber auch die Blutkörperchen durch den Virusbefall in Mitleidenschaft gezogen, wie ein Forscherteam um Dr. Markéta Kubánková vom Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen jetzt zeigen konnte.
In einer Preprint-Veröffentlichung auf der Plattform des Fachjournals »Biophysical Journal« berichtet die Gruppe über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen von 17 unterschiedlich schwer erkrankten Covid-19-Patienten, 14 Genesenen und 24 gesunden Vergleichspersonen. Die Forscher schickten Blutproben der Probanden durch ein an ihrem Institut entwickeltes Gerät zur Echtzeit-Verformungszytometrie. Dabei strömen die verschiedenen zellulären Bestandteile des Bluts durch einen haarfeinen Kanal, wodurch sie gestreckt werden. Wie stark sich jede einzelne Zelle dabei verformt, wird mithilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgezeichnet. Eine angeschlossene Software, die mittels künstlicher Intelligenz trainiert wurde, analysiert dann, ob beziehungsweise wie stark die Größe und Verformbarkeit der einzelnen Zelltypen von der Norm abweichen.
Die Forscher fanden signifikante Veränderungen sowohl bei den roten als auch bei den weißen Blutkörperchen von Covid-19-Patienten, die sich teilweise erst mehrere Monate nach einer Krankenhausbehandlung wieder erholten. So schwankten etwa die Größe und Verformbarkeit der Erythrozyten von Erkrankten stärker als bei Gesunden, was auf eine Schädigung dieser Zellen hindeuten und das erhöhte Risiko für Gefäßverschlüsse erklären könnte. Im Blut von Infizierten tauchten vermehrt kleinere und steifere Erythrozyten auf und bei den Genesenen besserte sich dieser Befund nur schleppend. Da die Erythrozyten für die Sauerstoffversorgung zuständig sind und eine Unterversorgung mit Sauerstoff Fatigue auslöst, könnte dies eine Erklärung für die anhaltende Erschöpfung sein, an der viele Patienten mit Long-Covid-Syndrom leiden.
Lymphozyten waren dagegen bei den Coronapatienten deutlich weicher und neutrophile Granulozyten weicher und größer, was auf eine starke Immunreaktion hinweisen kann. Diese Immunzellen blieben sieben Monate nach der akuten Infektion drastisch verändert. »Wir vermuten, dass sich das Zellskelett der Immunzellen, welches maßgeblich für die Zellfunktion verantwortlich ist, verändert hat«, erklärt Kubánková in einer Pressemitteilung des Instituts.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.