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Epilepsie

Cenobamat durchbricht Therapieresistenz

Mit Cenobamat ist ein neues Antiepileptikum auf dem Markt, das therapieresistenten Patienten mit fokalen Anfällen helfen kann. Als Zusatztherapie zur antiepileptischen Medikation gegeben, reduzierte es in Studien deutlich die Anfallshäufigkeit.
Brigitte M. Gensthaler
02.07.2021  07:00 Uhr

Cenobamat ist zugelassen zur Zusatztherapie («adjunktive Behandlung«) fokaler Anfälle mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei erwachsenen Patienten mit Epilepsie, die trotz einer Behandlung mit mindestens zwei antiepileptischen Arzneimitteln nicht ausreichend kontrolliert sind (Ontozry®, Arvelle Therapeutics Netherlands).

Die Behandlung wird mit 12,5 mg Cenobamat einmal täglich eingeleitet und langsam (alle zwei Wochen) schrittweise auf die empfohlene Zieldosis von 200 mg pro Tag titriert. Die Tagesdosis kann maximal 400 mg betragen. Der Patient schluckt die Tablette mit Wasser einmal täglich immer ungefähr zur gleichen Zeit, aber unabhängig von einer Mahlzeit. Das langsame Aufdosieren ist wegen des Risikos schwerer Nebenwirkungen erforderlich. Wenn mit höheren Dosen begonnen und schnell titriert wurde, wurde eine Arzneimittelreaktion mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS) beobachtet; dieses Syndrom kann lebensbedrohlich oder sogar tödlich verlaufen.

Versäumte Dosen kann der Patient nachholen, solange der Zeitraum bis zur nächsten regulären Dosis mehr als zwölf Stunden beträgt. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion; eventuell muss die Zieldosis reduziert werden. Die Medikation wird schrittweise über mindestens zwei Wochen abgesetzt, um das Risiko für Rebound-Anfälle zu minimieren.

Cenobamat wird nach oraler Anwendung weitgehend resorbiert. Eine fettreiche Mahlzeit beeinflusst die Resorption nicht signifikant. Der Arzneistoff wird umfangreich metabolisiert (Glucuronidierung und Oxidation) und hauptsächlich renal ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit liegt bei 50 bis 60 Stunden, ein Steady State wird nach14 Tagen erreicht.

Cenobamat ist kontraindiziert bei Patienten mit familiärem Short-QT-Syndrom, einem seltenen genetischen Syndrom, das mit einem erhöhten Risiko für plötzlichen Tod und ventrikuläre Arrhythmien, vor allem Kammerflimmern, verbunden ist. Unter Cenobamat wurde eine dosisabhängige Verkürzung des QT-Intervalls am Herzen beobachtet. Ärzte sollten vorsichtig sein bei der Verordnung des Antiepileptikums in Kombination mit anderen Arzneimitteln, die die QT-Zeit verkürzen.

Gut wirksam, aber ….

Cenobamat hat einen dualen Wirkmechanismus. Es ist ein positiver allosterischer Modulator von Subtypen des γ-Aminobuttersäure-(GABAA-)Ionenkanals, bindet aber nicht an die Benzodiazepin-Bindungsstelle. Zudem reduziert Cenobamat das wiederholte neuronale Feuern, indem es die Inaktivierung von Natriumkanälen verstärkt und den Natriumstrom hemmt. Wie das Molekül genau auf die fokalen Anfälle einwirkt, ist jedoch unbekannt.

Die Zulassung basiert unter anderem auf zwei placebokontrollierten Phase-II-Studien (C013, NCT01397968, und C017, NCT01866111) und einer offenen Phase-III-Sicherheitsstudie mit Patienten, die trotz zwei oder drei Antiepileptika fokale Anfälle erlitten.

In die Studie C017 wurden etwa 400 Patienten einbezogen, die trotz einem bis drei begleitenden Antiepileptika (am häufigsten Levetiracetam, Lamotrigin, Carbamazepin und Lacosamid) Anfälle erlitten. Zusätzlich erhielten sie Placebo oder eine tägliche Dosis von 100, 200 oder 400 mg Cenobamat. Eine 50-Prozent-Ansprechrate, das heißt Reduktion der Anfallshäufigkeit um 50 Prozent gegenüber der Baseline, erreichten rund 25 Prozent in der Placebogruppe, 40 Prozent unter 100 mg Cenobamat, 56 Prozent unter 200 mg und 64 Prozent unter 400 mg. Anfallsfrei wurden 11 Prozent in der 200-mg-Gruppe und 21 Prozent in der 400-mg-Gruppe versus 1 Prozent unter Placebo. Fast alle Patienten entschieden sich für die Teilnahme an der offenen Verlängerungsstudie; acht von zehn blieben mindestens zwölf Monate und 58 Prozent mindestens 60 Monate in der Studie.

… dosisabhängige Nebenwirkungen

Den sehr guten Erfolgsraten bei stark vorbehandelten, als therapieresistent geltenden Epilepsiepatienten stehen mitunter schwere unerwünschte Arzneimittelreaktionen gegenüber. Die häufigsten waren Somnolenz (Schläfrigkeit), Schwindel, Müdigkeit/Fatigue, Sehstörungen und andere ZNS-bezogene Symptome.

Die Abbruchraten wegen Nebenwirkungen lagen in klinischen Studien dosisabhängig (100 bis 400 mg Tagesdosis) bei 5 bis 19 Prozent, verglichen mit 3 Prozent bei Patienten unter Placebo . Bei der 400-mg-Dosis kam es deutlich häufiger zu Nebenwirkungen, vor allem wenn die Patienten gleichzeitig Clobazam einnahmen. Am häufigsten zum Absetzen führten Ataxie, Schwindel, Somnolenz, Nystagmus und Doppeltsehen. Diese unerwünschten Reaktionen sind dosisabhängig.

Die Symptome einer Überdosierung entsprechen vermutlich den Nebenwirkungen: Somnolenz, Müdigkeit und Schwindel. Es gibt kein spezifisches Gegenmittel gegen Cenobamat.

Auf zuverlässige Kontrazeption achten

Cenobamat kann die Blutspiegel von Arzneistoffen verringern, die hauptsächlich von den Cytochrom-P450-Isoenzymen CYP3A4 (zum Beispiel Midazolam) und 2B6 (zum Beispiel Bupropion) metabolisiert werden. Zudem kann es die Exposition von Arzneistoffen erhöhen, die hauptsächlich von CYP2C19 (zum Beispiel Omeprazol) verstoffwechselt werden. Wird die Behandlung mit Cenobamat begonnen oder abgebrochen oder die Dosis geändert, kann es zwei Wochen dauern, bis das neue Niveau der Enzymaktivität erreicht ist.

Da auch hormonelle Kontrazeptiva über CYP3A4 metabolisiert werden, kann deren Wirksamkeit durch Cenobamat abnehmen. Daher sollten Frauen im gebärfähigen Alter während und bis zu vier Wochen nach der Cenobamat-Einnahme zuverlässige zusätzliche oder alternative nicht-hormonelle Verhütungsmaßnahmen anwenden. Ohne begleitende Kontrazeption soll das Antiepileptikum nicht gegeben werden.

Die gleichzeitige Einnahme von Cenobamat mit anderen zentral dämpfenden Stoffen wie Alkohol, Barbiturate und Benzodiazepine kann das Risiko für neurologische Nebenwirkungen erhöhen. Daher müssen die Dosen von Barbituraten und Benzodiazepinen möglicherweise reduziert werden.

Bei Kombination mit anderen Antiepileptika wie Phenytoin, Phenobarbital, Lamotrigin oder Clobazam kann es zu veränderten Blutspiegeln kommen, was eventuell eine Dosisanpassung von Cenobamat oder des anderen Wirkstoffs erfordert.

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