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Apothekerkammer Niedersachsen

Burs: »Zukunftsprojekte nicht weiter vertrödeln«

»Es gab keinen Masterplan«. Dennoch haben die Apotheker während der Corona-Krise ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, kreative, innovative und praktische Lösungen zur Pandemiebekämpfung zu finden und die anstehenden Herausforderungen unter immensem Zeitdruck bei anhaltenden Personalengpässen zu stemmen, machte Cathrin Burs auf der gestrigen Kammerversammlung der Apothekerkammer Niedersachsen deutlich.
Christiane Berg
18.11.2021  14:00 Uhr

»Die Apothekerschaft hat während der Pandemie verlässliche Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft gezeigt, die große Anerkennung nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Politik findet«, sagte sie. Klima, Inflation, Corona: Sorge, so die Kammerpräsidentin, bereite ihr die Spaltung der Gesellschaft und auch die erschütternde Zuspitzung an Gewalt angesichts der derzeitigen gesellschaftspolitischen Entwicklungen, die sich sogar beim Tragen der Schutzmasken zeige. »Nicht nur die Umwelt ist in einem schlechten Zustand, auch das Zwischenmenschliche und die Debattenkultur sind seit Monaten angespannt. Die gesamte Gesellschaft ist erschöpft und verunsichert, was sich oftmals in Aggressivität niederschlägt«, so Burs.  

Ob Impfungen, Masken oder Tests, ob 3G, 2G oder 2Gplus: »Die Politik erreicht die Menschen nicht mit Vorhaltungen und Schuldzuweisungen. Das führt uns die Corona-Debatte allzu deutlich wie schmerzlich vor Augen. Die Menschen müssen mitgenommen werden«, bemerkte die Kammerpräsidentin. »Es braucht das Gespräch, die Überzeugung, um alle zu einem gemeinsamen Handeln zu bewegen«, machte sie eindringlich deutlich.

Pharmazeutische Dienstleistungen adäquat honorieren

Gerade die Apotheker, die als Angehörige der freien Berufe wie »Seismographen« eng mit ihren Patienten verbunden seien, kennen deren Sorgen und Nöte und wissen, was diese brauchen. »Die freien Berufe und mit ihnen auch wir sind der Schlüssel für gesellschaftliche Zukunftsaufgaben«, so Burs mit Verweis auf ein Zitat von Friedemann Schmidt, Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe, vormalig Präsident der ABDA. »Ich wünsche mir, dass diese Tatsache seitens der Politik mehr gewürdigt wird«, machte die Kammerpräsidentin deutlich.

Anerkennung erwarte sie auch von den Krankenkassen, so Burs mit Blick auf die derzeit in Diskussion befindliche Art und Vergütung pharmazeutischer Dienstleistungen. Denn: »Wir Apothekerinnen und Apotheker wissen um die Versorgungsdefizite und können diesen mit  Kompetenz gegensteuern. Wir minimieren durch eine adäquate Medikationsanalyse die Risiken der Polymedikation. Wir helfen, Kosten durch vermeidbare Krankenhauseinweisungen einzusparen. Wir verbessern durch ein gezieltes Coaching der Patienten die Therapietreue. Und wir haben bei den vielen Patientenkontakten das Potenzial, uns mit Präventivleistungen einzubringen, sprich: Volkskrankheiten früh zu erkennen und Vorsorge zu leisten«, betonte sie.

Die Patientinnen und Patienten nähmen den Mehrwert, den ihnen die Vor-Ort-Apotheken bieten, deutlich wahr. Auch die Politik habe sich mit dem VOASG zur  Werthaltigkeit der pharmazeutischen Dienstleistungen bekannt und den rechtlichen Grundstein für die Honorierung gelegt. »Nur die Krankenkassen, die in dieser Frage letztlich doch per se nur eine operative Rolle haben, zögern«, kritisierte Burs.  Wenig überraschend hätten diese die Verhandlungsrunden des GKV-Spitzenverbandes mit dem DAV blockiert, so dass sich am Ende ein Schiedsgerichtsverfahren nicht vermeiden ließ.

Burs machte deutlich, dass ihr die angespannte Finanzlage der Kassen mit einem angekündigten Defizit von 14 Milliarden Euro in 2022 durchaus bewusst sei. Dennoch erwarte sie, dass die anstehenden Verhandlungen zu Lösungen und Angeboten auch im Sinne der Apothekerschaft führen.  

»Mehr Fahrt beim E-Rezept aufnehmen«

Entschlossenheit und Disziplin habe die Apothekerschaft auch bei der Umsetzung der Digitalisierung im Gesundheits- und Apothekenwesen gezeigt. »Während die Kassenärztliche Bundesvereinigung von der neuen Bundesregierung ein einjähriges Moratorium fordert, haben wir neben der Bewältigung vieler Zusatzaufgaben in der Pandemie mit digitalen Impf- und Testnachweisen Innovationsfähigkeit bewiesen und außerdem die Voraussetzungen für die Einführung des E-Rezeptes in den Betrieben geschaffen«, hob Burs hervor 

Bundesweit, so Burs, verfügten schon im März dieses Jahres drei Viertel aller Apotheken über die richtigen Konnektoren. Etwa 90 Prozent der Inhaber hätten schon ihre Institutskarte vorliegen. Auch in Niedersachsen hätten die Kollegen Schritt gehalten und bereits im November letzten Jahres zu 95 Prozent den Heilberufeausweis und ihre SMC-B beantragt hatten. Sie seien mittlerweile quasi am Start wie auch 2.200 angestellte Apotheker, deren HBA bereits genehmigt sei.

»Wenn die Digitalisierungskomponenten auch noch nicht alle ausgereift sind und der Bundesgesundheitsminister sich zeitlich verplant hat: Das Tempo bei der Einführung des E-Rezeptes sollte aufrechterhalten bleiben«. in die Zukunftsprojekte E-Rezept und E-Patientenakte sei bereits viel Geld der GKV-Beitragszahler geflossen, ohne dass bisher ein Nutzen für die Versicherten erkennbar sei. »Dabei lassen sich mit der Digitalisierung deutliche Verbesserungen in der Patientenversorgung erreichen«, so Burs.

Angesichts des insgesamt schlechten Digitalisierungsstatus in Deutschland im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Ländern müsse die neue Bundesregierung Fahrt aufnehmen. Ehrgeiz und Disziplin ständen auch dieser besser zu Gesicht als die weitere »Vertrödelung« des Verfahrens.

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