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VOASG in erster Lesung

Bundestag diskutiert über Rx-Boni, Dienstleistungen und Botendienste

In erster Lesung beschäftigte sich der Bundestag heute mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG). Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte den Gesetzesentwurf. Er argumentierte, dass die Apotheker in der Coronavirus-Krise ihre Bedeutung für die Versorgung erneut untermauert hätten. Daher seien Stärkungen an mehreren Stellen notwendig. Kritik zum Thema Botendienst und zur Regelung der Preisbindung kam von der Opposition.
Benjamin Rohrer
Charlotte Kurz
Ev Tebroke
11.09.2020  15:30 Uhr

Der Bundestag hat am heutigen Freitag in erster Lesung über das VOASG beraten. Zu Anfang der rund 30-minütigen Debatte verteidigte Minister Jens Spahn (CDU) sein Vorhaben, das das Bundeskabinett schon im Sommer 2019 beschlossen hatte. Spahn sagte, dass beim VOASG »der Name Programm ist«, denn die Apotheker würden damit gestärkt. Und diese Stärkung hätten sich die Apotheker auch verdient – denn sie hätten in der Coronavirus-Krise eine »Wahnsinnsarbeit« geliefert, so Spahn.

Der Minister erinnerte an die Situation im März, als viele Patienten in Apotheken Hamsterkäufe erledigten. Es folgte die Produktion von Desinfektionsmitteln. Insgesamt hätten Apotheker eine »wichtige Arbeit« geleistet und gut beraten. Spahn richtete daher ein Dankeschön an alle Apotheker sowie PTA und andere Apothekenmitarbeiter. Später schloss sich auch der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich an: Er habe es selbst im Wahlkreis erlebt, wie die Apotheker sehr schnell Desinfektionsmittel hergestellt haben.

Spahn sagte, dass das Gesetz die Apotheker in drei Punkten stärke. Erstens müsse es neben dem Fixhonorar bald zusätzlich zum Packungsabgabehonorar eine Vergütung für pharmazeutische Dienstleistungen geben. Als Beispiele dafür nannte Spahn unter anderem die Modellvorhaben für Grippeimpfungen. Spahns zweiter Punkt betrifft eigentlich nur bedingt das VOASG: das E-Rezept, das in mehreren Regelungen des Patientendaten-Schutzgesetzes (PDSG) näher geregelt ist. Spahn sagte, es sei »wichtig und richtig«, dass das E-Rezept die Papierverordnungen ablöse. Es sei aber auch wichtig, die Apotheken im dann entstehenden Wettbewerb zu stärken.  Schließlich sorge das VOASG mit dem Rx-Boni-Verbot für einen »fairen Wettbewerb« zwischen Versendern und Apotheken. Es dürfe keinen »Wildwest« mehr mit Boni-Gewährungen geben. Spahn sagte dazu wörtlich: »Arzneimittel sind keine Ware wie jede andere, wir brauchen klare Regeln.«

Hennrich eigentlich Anhänger des Rx-Versandverbots

Sein Parteikollege Hennrich ging zudem auf das Rx-Versandverbot ein. Er sei »tief im Herzen eigentlich ein Freund des Rx-Versandverbots«. Allerdings habe er feststellen müssen, dass er damit »old-fashioned« sei und nicht der Realität der Patienten entspreche. Die Diskussion um das Verbot sei von den Apothekern getriggert worden, so Hennrich. Die CSU-Politikerin Emmi Zeulner hingegen sprach sich dafür aus, das Rx-Versandverbot wieder zu verfolgen, wenn das Rx-Boni-Verbot scheitert.

Sehr deutlich war Hennrichs Rede auch mit Blick auf die Übernahme der Teleclinic durch den Schweizer Zur-Rose-Konzern. Er erinnerte daran, dass ärztliche Verordnungen und die Medikamentenabgabe seit Jahrhunderten voneinander getrennt sind. Diese Übernahme stelle nun einen »fundamentalen Wechsel« dar. Man müsse daher nun »Flagge zeigen« und eine Regelung finden. Zur Erinnerung: Die Unionspolitiker hatten das Bundesgesundheitsministerium erst kürzlich gebeten, die Übernahme rechtlich zu prüfen. 

Die SPD ist ebenfalls von Spahns Gesetzesentwurf überzeugt. Edgar Franke nannte das VOASG das »richtige Rezept für die Apotheke von morgen«. Seine Parteikollegin Sabine Dittmar findet den Entwurf »richtig und wichtig«, das Gesetz sei eine »Aufwertung der heilkundlichen Kompetenz der Apotheker«. Allerdings gibt sie zu, dass das kürzlich veröffentlichte IGES-Gutachten zum Ergebnis kommt, dass sich auch nach den gesetzgeberischen Veränderungen im Rx-Versandhandel nichts Wesentliches ändern wird. Ein Rx-Versandhandelsverbot lehnt Dittmar jedoch entschieden ab, denn die deutschen Versandhändler würden bei der Versorgung von Patienten mit speziellen Bedürfnissen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen: »Nur 300 von unseren 19.000 Apotheken verfügen über ein Sterillabor, das wichtig ist, um besondere Bedarfe abzudecken«, erklärte Dittmar.

SPD: VOASG ist europarechtskonform

Bezüglich der Bedenken, dass das VOASG aufgrund der Verschiebung der Preisbindung ins Sozialgesetzbuch mit dem EU-Recht kollidieren könnte, sagte Dittmar: »Im Wettbewerb zwischen Offizinapotheken und europäischen Versendern müssen gleich lange Spieße hergestellt werden, und das europarechts- und verfasssungskonform.« Die SPD geht demnach davon aus, dass europarechtskonforme Bedenken vollständig aus dem Weg geräumt wurden.

Kritik von der Opposition gab es unter anderem beim Thema Botendienst. Petra Sitte von der Linksfraktion im Bundestag kritisierte vor allem das im VOASG angesetzte Botendiensthonorar von 2,50 Euro: »Dafür schaltet der Taxi-Fahrer noch nicht mal die Uhr an«, erklärte Sitte. Von der AfD-Fraktion kam die Forderung, den Versand mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu verbieten und den Botendienst zu stärken. In einem entsprechenden Änderungsantrag forderte die rechtspopulistische Partei zuletzt eine Vergütung von 5 Euro pro Botendienst.

FDP nennt die Neuregelung der Preisbindung einen »Taschenspielertrick«

Die FDP hält das Gesetz nach wie vor für europarechtswidrig. »Da machen wir nicht mit«, sagte die Gesundheitsexpertin der Liberalen, Christine Aschenberg-Dugnus. Die von Spahn über das Sozialrecht geregelte Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten nannte sie einen »Taschenspielertrick«, um das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2016 zu umgehen. Dieser Weg würde unweigerlich zu einer Schadenersatzklage aus Brüssel führen, so die FDP-Politikerin. Ein Notifizierungsverfahren wäre aus Sicht der Liberalen der richtige Weg gewesen, um von Anfang an europarechtlich Klarheit zu haben.

Der aktuelle Gesetzentwurf gehe zudem von der falschen Annahme aus, Apotheken vor Ort seien durch den Versandhandel gefährdet. Die Patienten seien aber längst weiter: »Sie entscheiden sich trotz Boni für die Apotheke vor Ort«, so Aschenberg-Dugnus. Die FDP sei nach wie vor für einen fairen Wettbewerb mit einem schmalen Boni-Korridor. Darüber hinaus plädieren sie für eine bessere Vergütung der Beratung.

Grüne: Lesung als »Höhepunkt eines Trauerspiels«

Auch die Grünen sind gegen das aktuelle Gesetzesvorhaben. Die erste Beratung des VOASG heute bezeichnete die Gesundheitsexpertin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, als den »Höhepunkt eines Trauerspiels«, welches mit der Diskussion um ein Rx-Versandverbot nach dem EuGH-Urteil in 2016 begann. Die Grünen nennen das Gesetz ebenfalls eine »Finte« und plädieren für eine wirkliche Stärkung der Vor-Ort-Apotheken über eine gezielte Honorierung der Beratungsleistungen. »Die Stärke der Apotheken liegt nicht in der Packungsabgabe sondern in ihrer heilberuflichen Kompetenz«, bekräftigte Schulz-Asche. Das VOASG verlängere nur die Debatte um ein Rx-Versandverbot und verhindere eine nachhaltige Diskussion um eine tatsächliche Stärkung der flächendeckenden Apotheken-Versorgung. Die Grünen plädieren dafür, den Nacht- und Notdienstfonds weiter zu entwickeln zu einem Strukturfonds, um Apotheken zu unterstützen.

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