Bundestag diskutiert über Impfpflicht |
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags wollen am heutigen Mittwochnachmittag über eine allgemeine Covid-19-Impfpflicht diskutieren. Derzeit befürworten rund 60 Prozent der Bevölkerung die Einführung einer solchen Impfpflicht. / Foto: Getty Images/ Hans-Peter Merten
Nachdem der Bundestag bereits eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Gesundheitspersonal im Dezember 2021 beschlossen hat, geht es in der Debatte am heutigen Mittwochnachmittag um mögliche Anträge zu einer Impfpflicht für die ganze Bevölkerung. Wann eine Impfpflicht eigentlich verfassungsgemäß ist, hat die PZ ausführlich im Vorfeld der Debatte beschrieben. Auch mit Fragen zu den medizinischen Aspekten einer Impfpflicht hat sich die PZ beschäftigt.
Das Besondere an der heutigen sogenannten Orientierungsdebatte ist, dass die Bundestagsabgeordneten fraktionsübergreifend, das heißt über verschiedene Parteien hinweg zusammenarbeiten, um mögliche Impfpflicht-Ideen auszuarbeiten. Einen direkten Gesetzentwurf von der Bundesregierung gibt es aber nicht. Allerdings sollen am Mittwoch drei verschiedene Ideen aus den Reihen der Abgeordneten diskutiert werden. Einen Entwurf um den FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki soll es etwa geben, der die Impfpflicht ablehnt.
An einem weiteren Entwurf arbeiten sieben Abgeordnete aus den Koalitionsfraktionen von SPD, FDP und Grünen. Darunter ist auch der Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen (Grüne) und die SPD-Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens (SPD). Sie schlagen eine Impfpflicht für alle ab 18 Jahren vor. Die Impfung soll auf drei Impfungen angelegt und zeitlich auf ein bis zwei Jahren befristet sein.
Um den Gesundheitspolitiker Professor Andrew Ullmann (FDP) formiert sich zudem eine dritte Gruppe, die einen Mittelweg vorschlagen. In einem Gruppenantrag, der der PZ vorliegt, erklären sie: »Wir wollen mit einem milderen staatlichen Eingriff eine maximale Wirkung erzielen.« Konkret soll es in ihren Augen zunächst eine verpflichtende Impfaufklärung geben. »Wir schlagen ein verpflichtendes, professionelles und persönliches Beratungsgespräch für alle volljährigen Ungeimpften in Deutschland vor«, heißt es in dem Antrag. Damit soll jede ungeimpfte Person einen Termin bekommen, der verpflichtend wahrgenommen werden muss. Im Anschluss dieser Beratung würde dann die Möglichkeit bestehen, sich freiwillig impfen zu lassen. »So können wir viele Fehlinformationen und Ängste direkt entkräften und die Impfquote steigern.«
Offen ist, wer die Impfaufklärung übernehmen könnte. Ob auch Apotheken, insbesondere Apotheken, die auch bald gegen Covid-19 impfen, hier eine Rolle spielen sollen, ist aber noch unklar. Auf Nachfrage der PZ erklärte Ullmann: »Es gibt noch keine abschließende Einigung dazu, wo überall eine verpflichtende Impfaufklärung stattfinden soll. Die Gruppe will keine voreiligen Ausschließungen bei Detailfragen machen. Wir wollen eine möglichst breite Abgeordnetengruppe gewinnen.«
Allerdings betonte er weiter: »Impfzentren sollten ein Ort für die Impfaufklärung sein, da dort bereits ein Termin-System existiert und gleich ‚mitgeimpft‘ werden kann. Ziel ist es ja auch weiterhin, die Impfquote mit dieser Maßnahme zu erhöhen.«
Zudem schlägt die Gruppe um Ullmann im zweiten Schritt eine Impfpflicht ab 50 Jahren vor, sollte die Impfquote in einer vorgegebenen Zeit nach der Einführung der verpflichtenden Impfaufklärung nicht die erforderliche Höhe erreichen. Das Alter sei ein einfach zu messender Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf bei Covid-19, die Zahl der Über-50-Jährigen sei auf den Intensivstationen zudem sehr hoch. Deshalb sei die altersbezogene Impfpflicht auch verfassungsrechtlich einfacher zu rechtfertigen, heißt es in dem Antrag. Ähnlich hatte auch der ehemalige Bundesverfassungsrichter Professor Udio Di Fabio in einem Vortrag über rechtliche Aspekte der Impfpflicht argumentiert. Unterschrieben haben den Gruppenantrag neben Ullmann auch etwa die Grünen-Gesundheitspolitikerinnen Kordula Schulz-Asche und Paula Piechotta.
Zum weiteren Zeitplan: Nach der Debatte können Abgeordnete laut Medienberichten weitere Anträge und Ideen noch bis zum 11. Februar bei der Bundestagsverwaltung einreichen. Die erste Lesung über entsprechende konkretere Gesetzentwürfe könnte dann in der nächsten Sitzungswoche des Parlaments in der Woche ab dem 14. Februar stattfinden.
Laut einer Umfrage des ZDF-Politbarometers vom 14. Januar 2022 befürworten derzeit 62 Prozent der Bevölkerung eine allgemeine Impfpflicht, 36 Prozent lehnen sie ab. Dabei sank die Zustimmung im Vergleich zu Anfang Dezember 2021 etwas, zu diesem Zeitpunkt stimmten noch 68 Prozent der Deutschen für eine Einführung einer solchen Impfpflicht. Im Sommer 2021 hingegen war die Mehrheit der Befragten gegen eine Impfpflicht (64 Prozent) und nur 33 Prozent sprachen sich dafür aus.
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