Pharmazeutische Zeitung online
Ibuprofen, Phytopharmaka, Mannose 

Blasenentzündung ohne Antibiotika behandeln

Akute unkomplizierte Harnwegsinfektionen erfordern nicht zwangsläufig eine Behandlung mit Antibiotika. Die aktuelle S3-Leitlinie räumt der symptomatischen Therapie eine Bedeutung ein und spricht sich jenseits einer Antibiose für Ibuprofen, Phytopharmaka und Mannose aus.
Elke Wolf
21.05.2021  07:00 Uhr

Eine akute unkomplizierte Zystitis ist primär antibiotisch zu therapieren. So empfiehlt es die S3-Leitlinie zu Harnwegsinfektionen unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie. Die Experten weisen jedoch darauf hin, dass die Diagnose kritisch zu stellen ist, um eine unnötige antibiotische Therapie zu vermeiden sowie einer weiteren Resistenzentwicklung vorzubeugen.

Als vorrangiges Therapieziel einer unkomplizierten Blasenentzündung nennen die Experten das zügige Abklingen der belastenden Beschwerden. So könne bei leichten bis mittelgradigen Beschwerden eine alleinige symptomatische Therapie als Alternative zu Antibiotika erwogen werden. Vor dem Hintergrund einer relativ hohen Selbstheilungsquote von 30 bis 50 Prozent innerhalb einer Woche, einer geringen Komplikationsrate (etwa in Form einer Nierenbeckenentzündung) von rund 2 Prozent und einer zunehmenden bakteriellen Resistenzentwicklung ist dies eine pragmatische Vorgehensweise.

Die symptomorientierte Behandlung der akuten Zystitis ist möglich mit Ibuprofen, sind es doch vor allem die Schmerzen im Unterleib und das Brennen beim Wasserlassen, die den Patientinnen zu schaffen machen. Hintergrund für diese Empfehlung ist eine Studie, die eine dreitägige Therapie mit Ibuprofen (3 x 400 mg) mit der sofortigen Einmal-Fosfomycin-Gabe vergleicht. Das nicht steroidale Antiphlogistikum schneidet darin nur geringfügig schlechter ab. Mit Ibuprofen waren nach einer Woche 70 Prozent der Frauen beschwerdefrei, mit dem Antibiotikum waren es 80 Prozent. Etwa zwei Drittel der Patientinnen mit der rein symptomatischen Behandlung haben kein Antibiotikum benötigt. Allerdings klangen die Symptome unter Ibuprofen weniger rasch ab als unter dem Antibiotikum.

Bei der Entscheidung für eine Therapie sollten die Präferenzen der Patientin angemessen berücksichtigt und das Für und Wider der verschiedenen Therapieoptionen erklärt werden, schreiben die Leitlinienautoren. Dies gelte besonders für die primär nicht antibiotische Behandlung, die mit der Inkaufnahme einer höheren Symptomlast und auch höheren Komplikationsrate einhergehen kann.

Dauerbrenner Zystitis

Etwa jeder zweiten Frau wird mindestens einmal im Leben eine Blasenentzündung zu schaffen machen. Und dabei bleibt es häufig nicht. Denn diese Infekte des Urogenitaltrakts haben eine hohe Tendenz, wiederzukehren. So erleiden nach einem ersten Infekt rund 20 Prozent junger Frauen innerhalb eines Jahres ein Rezidiv. Definitionsgemäß ist ein Harnwegsinfekt rezidivierend, wenn mindestens zwei Episoden innerhalb eines halben Jahres oder mindestens drei in zwölf Monaten der Frau zu schaffen machen.

Für häufig wiederkehrende Zystitiden nennen die Leitlinienautoren Adipositas und eine übertriebene Intimhygiene als Risikofaktoren. Auch der Gebrauch von Diaphragmen und Spermiziden ist mit einem deutlichen Risikoanstieg – laut Studien auf das 2- bis 14-Fache – assoziiert. Möglicherweise hilft es, ein anderes Verhütungsmittel zu wählen. Frauen, die häufig nach dem Geschlechtsverkehr Harnwegsinfekte entwickeln, wird oft die Blasenentleerung »danach« empfohlen. Allerdings sind gemäß Leitlinie die Daten dazu widersprüchlich. Verlässlicher wirke da ein Antibiotikum als Einmalgabe, das Frauen nach dem Geschlechtsverkehr anwenden. Bei Frauen in der Menopause kann die lokale Estriol-Substitution (0,5 mg/d) ein Versuch wert sein. Durch einen lokalen Hormonmangel ist der vaginale pH-Wert erhöht und Krankheitserreger können sich leichter ansiedeln. Ob dies auch jüngeren Patientinnen helfen könnte, ist unklar.

Rezidiv vorbeugen

Erstmals hat das Autorenteam auch die Prophylaxe rezidivierender Infektionen zum Thema einer Zystitiden-Leitlinie gemacht. Dabei sind nicht antibiotische Maßnahmen einer präventiven Langzeitantibiose vorzuziehen. So ist etwa eine dreimonatige Behandlung mit dem oralen Immunprophylaktikum UroVaxom® aus einem E.-coli-Lysat oder die intramuskuläre Gabe – drei Injektionen in wöchentlichem Abstand – von StroVac® (aktive Immunisierung mittels inaktivierter Keime) einen Versuch wert.

Ein positives Votum gaben die Leitlinienautoren auch der D-Mannose (wie Femannose®). In einer kontrollierten Studie erwies sich die regelmäßige Einnahme von täglich 2 g D-Mannose in einem Glas Wasser bei Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten als ebenso effektiv wie eine Langzeitprophylaxe über sechs Monate mit täglich 50 mg Nitrofurantoin. Zudem verursachte der Einfachzucker, der kaum verstoffwechselt, sondern fast vollständig über den Urin ausgeschieden wird, deutlich weniger Nebenwirkungen. Die Wirkung der D-Mannose – die übrigens auch in Cranberries enthalten ist – beruht darauf, dass der Zucker an Bakterien bindet und so deren Typ-1-Fimbrien-vermittelte Adhäsion an die Blasenschleimhaut verhindert. Ob D-Mannose auch in Form eines Gels (wie Gepan® Mannose-Gel ) einen Effekt zeigen könnte, darauf geht die Leitlinie nicht ein.

Plus für Phytos

Ein Plus vergeben die Leitlinienautoren auch dem Einsatz von Phytotherapeutika zur Verhütung von Rezidiven, vor allem den Trockenextrakten von Bärentraubenblättern, Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel. Diese haben sich als wirksame Harndesinfizienzien hervorgetan. Andere Phytotherapeutika, die etwa Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel oder Rosmarinblätter (wie Canephron®) enthalten, setzen auf einen multimodalen Wirkansatz; antiphlogistische, spasmolytische, antinozizeptive und antiadhäsive Eigenschaften sind in vitro beschrieben. Die Phytotherapeutika bieten sich auch als begleitende Maßnahme einer Antibiotika-Therapie an.

Blätter der Bärentraube (wie in Arctuvan®, Cystinol® akut) enthalten Arbutin, dessen aktiver Metabolit Hydrochinon mild antibakteriell wirkt. Diese Wirkung kommt innerhalb der Bakterien zum Tragen, sodass der pH-Wert des Urins ohne Einfluss auf die Wirkung des Arbutins ist. Dass Hydrochinon also nur im schwach basischen Urin richtig wirkt, ist eine lang verbreitete Mär. Tatsache ist allerdings auch, dass es Bakterien nicht sauer mögen, weshalb Ärzte bei rezidivierenden Blasenentzündungen empfehlen, den pH-Wert zu senken. Das gelingt zuverlässig mit Acimethin®. Eine leichte Ansäuerung des Harns ist möglich mit Propolis und Hibiskus (Utipro® plus). 

Pflanzliche Harnwegsdesinfizienzien, die ihren Platz in der Zystitis-Therapie gefunden haben: Bärentraubenblätter, … / Foto: Adobe Stock/Klaus Brauner
Kapuzinerkresse und …. / Foto: Thomas Schpke
Meerrettichwurzel / Foto: Adobe Stock/TwilightArtPictures

Wegen des Arbutingehalts beschränkt die Leitlinie die Gabe von Bärentraubenblätter-Trockenextrakten auf einen Monat. Aufgrund des hohen Gerbstoffgehalts reagieren vor allem empfindliche Menschen nicht selten mit Magen-Darm-Beschwerden, Übelkeit und Erbrechen.

Gut belegt sehen die Leitlinienexperten auch die antibakteriellen Effekte pflanzlicher Senföle (Isothiocyanate), die in der Erfahrungsmedizin bereits sehr lange genutzt werden. Viele Kreuzblütler bilden Senfölglykoside als Fraßschutz: Bei Verletzung der Zellen werden sie enzymatisch in die antibakteriell wirksamen Isothiocyanate umgewandelt. Das Kombinationspräparat Angocin® Anti-Infekt N, das hoch dosierte Senföle aus Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel enthält, ist sowohl zur unterstützenden Behandlung der akuten Zystitis als auch zur Rezidivprophylaxe bei häufig wiederkehrenden Harnwegsinfekten zugelassen. Die Senföle werden gut resorbiert und reichern sich nachweislich stark in den Harnwegen an. Gemäß verschiedener In-vitro-Studien verfügen Senföle über ein breites antibakterielles Wirkspektrum sowohl im grampositiven als auch gramnegativen Bereich, sogar gegen resistente Formen von E. coli und Problemkeime wie MRSA. Die Senföle bieten sich also auch beim Nachweis von resistenten Erregern als Behandlungsoption an.

Eine Empfehlung für die prophylaktische Anwendung von Cranberry-Zubereitungen geben die Leitlinienautoren aufgrund widersprüchlicher Studienergebnisse nicht. Zwar legen In-vitro-Studien nahe, dass die im Saft und Extrakt enthaltenen Tannine (Proanthocyanidine) die Adhäsionsfähigkeit der E.-coli-Bakterien am Uroepithel hemmen und damit deren Vermehrung im Harntrakt eindämmen können. Doch ob dieser Effekt in vivo wirklich zum Tragen kommt, scheint bislang fraglich. Am ehesten seien Effekte mit hoch dosierten Kapseln und Tabletten (Proanthocyanidin-Gehalt von rund 100 mg/Tag, also dreimal mehr als derzeit empfohlen) zu erwarten. Studien mit solchen oralen Darreichungsformen stehen aber bislang aus.

 

Mehr von Avoxa