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Immunologische Prägung

Bei Omikron-Impfstoffen wohl nicht problematisch

Unterscheiden sich die in angepassten Impfstoffen enthaltenen Antigene nicht deutlich genug von dem Antigen, mit dem ein Immunsystem erstmals konfrontiert wurde, werden immer wieder die ursprünglich gebildeten B-Zellen reaktiviert. Ergebnisse aus Tierversuchen deuten jetzt an, dass dieses Problem bei den an Omikron angepassten Impfstoffen nicht so gravierend sein könnte.
Theo Dingermann
01.09.2022  11:30 Uhr
Bei Omikron-Impfstoffen wohl nicht problematisch

Eine ganze Kollektion spezifischer Serumantikörper mit unterschiedlichen Affinitäten und Feinspezifitäten bildet die Speerspitze eines immunologischen Schutzes vor Krankheitserregern. Bei der Etablierung dieses Abwehrsystems ist der erste Kontakt des Antigens mit dem Immunsystem von hoher Relevanz. Hier manifestiert sich die sogenannte immunologische Prägung, die auch als antigene Erbsünde bezeichnet wird. Je nach Ausprägung dieses Phänomens neigt das Immunsystem auch bei Exposition mit abgewandelten Antigenen dazu, immer wieder die erste Kohorte von B-Zellen zu reaktivieren und die Bildung neuer B-Zellen mit angepassten Spezifitäten zu unterdrücken.

Auch im Kontext der Auffrischimpfungen mit an Omikron angepassten Impfstoffen wird über die immunologische Prägung diskutiert. Es gibt die Befürchtung, dass Infektionen mit früheren Varianten von SARS-CoV-2 und Impfungen mit Impfstoffen gegen den Wildtyp des Virus die Induktion eines Schutzes gegen sich schnell entwickelnde Virusvarianten behindern könnten. Ob dies tatsächlich zutrifft, ist allerdings schwierig zu ermitteln, da die Messung spezifischer Reaktionen auf eine Impfung eine Herausforderung darstellt.

Dieser Herausforderung haben sich jetzt Wissenschaftler um Ariën Schiepers vom Laboratory of Lymphocyte Dynamics an der Rockefeller University in New York gestellt. Die Forschenden verfolgten mithilfe von intelligent hergestellter Reagenzien die Bildung und die Vermehrung neuer Antikörper als Konsequenz einer Booster-Impfung gegen Omikron-Varianten von SARS-CoV-2. Dabei konnten sie mit den von ihnen entwickelten Reagenzien ursprünglich angelegte B-Zellen von neu induzierten B-Zellen unterscheiden. Die Ergebnisse ihrer Arbeit, die noch nicht begutachtet sind, veröffentlichten sie auf dem Preprint-Server »Biorxiv«.

Die Autoren zeigen anhand von Impfungen an Mäusen mit Impstoffen gegen SARS-CoV-2 oder Influenza, dass die Serum-Antikörperreaktion nach einer sequenziellen homologen Boosterung die Reaktivierung der primär gebildeten B-Zellklon gegenüber der Rekrutierung neuer, naiver B-Zellen gemäß der Theorie der immunologischen Prägung stark bevorzugt. Dieser Effekt nimmt jedoch in Abhängigkeit von der antigenen Distanz der Virusvarianten ab, sodass eine sekundäre Immunisierung mit deutlich veränderten Oberflächen-Glykoproteinen die Prägung umgehen kann. Dann bekommt die Immunantwort eine Chance, auf neue Epitope produktiv zu reagieren und neue spezifische B-Zellen zu aktivieren.

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