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Lieferengpässe

Bei diesen Arzneimitteln fallen die Festbeträge weg

Um die Versorgungssituation bei Schmerzmitteln und Antibiotika zu verbessern, hat der GKV-Spitzenverband zahlreiche Festbeträge für drei Monate aufgehoben. Inzwischen ist auch klar, welche Wirkstoffe betroffen sind.
Benjamin Rohrer
11.01.2023  09:00 Uhr

Für insgesamt 180 Fertigarzneimittel sollen die Festbeträge vorübergehend fallen. Dies erklärte der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) am gestrigen Dienstag in einer Mitteilung. Betroffen sind demnach 10 Festbetragsgruppen. Laut GKV-SV schafft die Maßnahme die Voraussetzung, dass einer weiteren Verschärfung der angespannten Versorgungslage mit Kinderarzneimitteln kurzfristig entgegengewirkt werden könne. Die Hersteller sollen durch die Regelung motiviert werden, mehr Ware in den deutschen Markt zu liefern. Im Falle der Kindermedikamente müssen Eltern demnach keine Aufzahlungen befürchten, auch wenn den Kassen dafür höhere Kosten entstehen, weil die Hersteller höhere Preise verlangen. Zur Erklärung: Aufzahlungen für Patienten entstehen dann, wenn Hersteller ihre Preise über Festbetragsniveau anheben.

Am gestrigen Dienstagnachmittag hat der GKV-Spitzenverband dann die Einzelheiten zu den vorübergehenden Festbetragsstreichungen bekanntgegeben. Betroffen sind die folgenden Festbetragsgruppen und Wirkstoffe:

1)    Amoxicillin – Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 2)

2)    Cefalosporine - Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 1)

3)    Cefalosporine – Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 2)

4)    Cefalosporine – Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 3)

5)    Ibuprofen – Sirup, Suspension zum Einnehmen (Gruppe 1b)

6)    Makrolide, neuere - Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 1)

7)    Paracetamol – Lösung zum Einnehmen, Sirup (Gruppe 1b)

8)    Paracetamol – Suppositorien (Gruppe 2)

9)    Phenoxymethylpenicillin – Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 2)

10) Sulfamethoxazol und Trimethoprim – Suspension zum Einnehmen

Einige Aufzahlungen fallen sofort weg

 Insbesondere im Antibiotikabereich dürften somit Aufzahlungen für Eltern wegfallen, die in den vergangenen Wochen entstanden sind. Denn einer der wichtigsten Anbieter in diesem Segment (Infectopharm) hatte vor einigen Wochen angekündigt, die Preise aller Kinder-Antibiotika über Festbetrag anzuheben, um gegenüber der Politik ein Zeichen zu setzen. Bei den meisten Generika-Herstellern, die antibiotische Produkte in den genannten Gruppen anbieten, lagen die Preise ohnehin schon unter Festbetrag. Ähnlich verhält es sich bei den Fiebersäften, die Ibuprofen oder Paracetamol enthalten: Auch hier lagen die meisten Präparate schon unter dem Festbetrag und es kam nicht zu Aufzahlungen. Allerdings: Ratiopharm hatte seine Preise im Herbst über das Festbetragsniveau bei den Fiebersäften angehoben. Falls die Apotheken entsprechende Produkte überhaupt bekommen sollten, entfallen also auch hier die Aufzahlungen.

Neue Zuzahlungs- und Rabatt-Regelungen

Zur Frage, wie der Kassenverband auf die genannten Präparate gekommen ist, heißt es in der Erläuterung des Beschlusses: »Die zur Festbetragsaussetzung bestimmten Darreichungsformen bilden die aktuelle Marktlage ab (Produktstand 01.01.2023) und wurden anhand der in den Fachinformationen ausgewiesenen Darreichungsformen identifiziert.«

Der Kassenverband weist zudem darauf hin, zu welchen weiteren preislichen Auswirkungen die temporäre Aussetzung der Festbeträge führt. Weil die Arzneimittel in den Apotheken als Nicht-Festbetragsarzneimittel betrachtet werden, gelten die für Festbeträge bekannten Zuzahlungsfreistellungen nicht. Zur Erinnerung: Wenn Hersteller ihren Preis mindestens 30 Prozent unter Festbetrag anbieten, können die Kassen die Zuzahlungen streichen. Da die beschriebenen Präparate für den 3-Monats-Zeitraum aber nicht als Festbetragsarzneimittel eingestuft sind, übernehmen die Kassen die Kosten also komplett. Da die Festbeträge nicht dauerhaft gestrichen, sondern nur ausgesetzt wurden, gelten für die Hersteller auch die sonst anfallenden Regelungen (Herstellerabschlag und Preismoratorium) nicht. Der 10-prozentige Abschlag für wirkstoffgleiche, patentfreie Arzneimittel muss allerdings gewährt werden.

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