Vollkost für die Zähne |
17.05.2010 21:46 Uhr |
Von Christina Hohmann / Die Ernährung spielt für die Gesundheit der Zähne neben der Mundhygiene und Fluoridzufuhr eine ganz entscheidende Rolle. Durch einige einfache Ernährungsregeln lässt sich das Risiko für Plaquebildung, Karies und Zahnfleischerkrankungen deutlich reduzieren.
Beim Thema Zahngesundheit denkt man in erster Linie an Karies, denn diese ist immer noch die häufigste Zahnerkrankung überhaupt. Nicht einmal 1 Prozent der erwachsenen Deutschen hat ein kariesfreies Gebiss, wie der Situationsbericht »Mundgesundheit« zeigt, den Zahnmediziner des Universitätsklinikums Greifswald vergangenes Jahr für das Robert-Koch-Institut erstellt haben.
Eine vollwertige Ernährung, die kauintensiv und zuckerarm ist, senkt das Risiko für Karies und Zahnfleischerkrankungen.
Foto: DAK/Hanusche+Schneider
Welche entscheidende Rolle die Ernährung für die Kariesentwicklung spielt, zeigt eine Nahrungsrestriktion. Wenn zum Beispiel in Hungerszeiten die Häufigkeit der Mahlzeiten stark reduziert ist oder wenn wegen einer erblichen Fructoseintoleranz Zucker gemieden wird, sinkt die Kariesinzidenz erheblich. Doch solche drastischen Restriktionen sind weder durchzuhalten noch ernährungsphysiologisch sinnvoll. Aber schon mit einfachen Maßnahmen lässt sich das Kariesrisiko senken.
Für den Angriff auf die Zähne sind verschiedene Bakterienarten, vor allem Streptococcus mutans, verantwortlich. Diese siedeln sich auf der Zahnoberfläche zusammen mit anderen Keimen an und bilden einen Biofilm, die sogenannte Plaque. Die kariesverursachenden Bakterien bauen Zucker aus der Nahrung ab, wobei Säuren entstehen, die den pH-Wert im Mund senken. Die Säuren greifen den Zahnschmelz an und lösen Mineralstoffe, vor allem Calcium und Phosphor, heraus. Diese Demineralisation kann durch den Speichel wieder ausgeglichen werden. Er enthält Mineralien wie Calciumphosphate, die in den Zahnschmelz eingebaut werden können. Zwischen Demineralisation durch die Säuren und Remineralisation durch den Speichel besteht normalerweise ein Gleichgewicht. Überwiegt aber die Demineralisation über längere Zeit, entsteht Karies.
Die Kariesentwicklung hängt von verschiedenen Faktoren ab: Zum einen ist die Zusammensetzung der Nahrung, Art der enthaltenen Kohlenhydrate und deren Verweildauer an den Zähnen sowie das Ausmaß und die Zusammensetzung der mikrobiellen Plaque wichtig.
Die kariesfördernden Bakterien werden meist von den Eltern auf das Kind übertragen, etwa durch das Ablutschen des Schnullers oder des Löffels. Denn bei der Geburt ist die Mundhöhle des Kindes noch bakterienfrei. Im Laufe der Zeit nisten sich aber eine Vielzahl von Bakteriearten an. Zwischen diesen besteht ein natürliches Gleichgewicht. Durch einen übermäßigen Zuckerkonsum über längere Zeit wird das Wachstum der kariesfördernden Keime begünstigt. Zucker dient diesen als Energiequelle und als Bausubstanz für die Biofilm-Matrix. Prinzipiell können sie alle Kohlenhydrate nutzen, am schnellsten und effektivsten können sie aber Mono- und Disaccharide verwenden. Hierzu gehören zum Beispiel Glucose, Fructose, Maltose, Lactose oder Saccharose. Diese kleinen Moleküle können in tiefere Schichten des Biofilms eindringen und dort rasch von den Bakterien zu Säure abgebaut werden. Langkettige Kohlenhydrate wie zum Beispiel Stärke müssen erst in Monosaccharide aufgespalten werden, bevor die Keime sie verwerten können. Stärkehaltige Lebensmittel sind daher an sich nicht kariogen. Nur in bestimmten Zubereitungsformen, wenn Stärke zusammen mit Zucker erhitzt wird, wirken stärkehaltige Lebensmittel auch kariogen, weil sie zum einen klebrig werden und länger an den Zähnen haften und zum anderen weil die Hitze den Mehrfachzucker in seine Einzelzucker aufspaltet. Dies gilt für Lebensmittel wie Cornflakes, Chips, Cracker oder Kekse.
Lutscher sind besonders schädlich für die Zähne, weil sie lange im Mund bleiben.
Foto: Pixelio/Rike
Neben dem Anteil der niedermolekularen Zucker ist auch die Verweildauer im Mund entscheidend für die Kariogenität von Lebensmitteln. Besonders kritisch zu sehen sind daher klebrige Süßigkeiten oder solche, die über längere Zeit im Mund verbleiben wie Lutscher oder Bonbons.
Ganz auf zuckerhaltige Lebensmittel zu verzichten, ist in der Praxis kaum durchzuhalten. Ein völliger Verzicht ist auch nicht nötig. Hin und wieder naschen ist erlaubt. Dabei kommt es nach heutigem Kenntnisstand weniger auf die konsumierte Zuckermenge an, als auf die Häufigkeit des Verzehrs. Also lieber einmal am Tag ein Stück Kuchen essen, als mehrmals einen kleinen Bonbon naschen. Denn bei häufigen Verzehr hat der Speichel kaum die Möglichkeit, den Säureangriff auf die Zähne wieder zu neutralisieren. Zahnärzte empfehlen daher, nur ein- oder zweimal am Tag Süßes zu verzehren, am besten zu oder nach den Hauptmahlzeiten und dann anschließend die Zähne zu putzen. Zwischendurch sollten aus demselben Grund zuckerfreie Getränke konsumiert werden.
Versteckter Zucker
Zuckerfreie Lebensmittel zu finden, ist nicht immer ganz einfach. Denn der Aufdruck »ohne Zucker« bezieht sich ausschließlich auf Haushaltszucker (Saccharose). Diese Produkte können dann aber Zucker in anderer Form wie etwa Fruchtzucker oder Sirup enthalten. Auf der Zutatenliste kann sich Zucker unter verschiedenen Synonymen wie Dextrose, Maltodextrin, Glucosesirup oder Invertzucker verbergen und zum Teil mehrfach aufgeführt sein. Auf unbehandelte Lebensmittel zurückzugreifen, um Zucker zu vermeiden ist auch nicht immer sinnvoll, denn einige Nahrungsmittel wie Obst enthalten von Natur aus Zucker.
Honig ist keine Alternative zu Haushaltszucker, weil er ebenso kariogen ist.
Foto: Pixelio/Winzer
Naturbelassene Süßungsmittel wie Sirup oder Honig stellen keine Alternative zu Haushaltszucker dar, da sie einen hohen Anteil niedermolekularer Saccharide enthalten und zudem noch wegen ihrer klebrigen Konsistenz lange an den Zähnen haften. Braunem Zucker wird manchmal nachgesagt, dass er weniger zahnschädigend sei als weißer. Doch diese Einschätzung beruht auf fehlerhaften Messungen in alten Studien und ist schon lange widerlegt.
Eine tatsächliche Alternative für Haushaltszucker stellen dagegen Süßstoffe und die meisten Zuckeraustauschstoffe dar. Süßstoffe wie Cyclamat oder Aspartam sind in der Regel synthetisch hergestellte Substanzen, die kalorienfrei sind und nicht kariogen wirken, weil sie für die kariesfördernden Bakterien nicht zu verwerten sind. Kinder sollten Süßstoffe allerdings nur in kleinen Mengen konsumieren, zum Beispiel in Form von zuckerfreien Kaugummis. Das Kauen regt den Speichelfluss an, was eine reinigende und remineralisierende Wirkung hat.
Die meisten zuckerfreien »zahnschonenden« Süßigkeiten werden aber mit Zuckeraustauschstoffen hergestellt. Diese sind im Gegensatz zu den Süßstoffen natürlichen Ursprungs und enthalten Kalorien. Sie können aber ebenfalls nicht von den kariesverursachenden Bakterien verstoffwechselt werden, weshalb sie für die Zähne nicht schädlich sind. Zu den Zuckeraustauschstoffen zählen Xylit, Sorbit, Mannit, Isomalt oder Maltit. Diese Substanzen haben aber den Nachteil, dass sie in größeren Mengen konsumiert zu Durchfall und Blähungen führen können. Sie sollten daher sparsam eingesetzt werden. Am besten ist es, den Verzehr von Süßigkeiten und gesüßten Getränken möglichst einzuschränken.
Nicht nur Zucker, sondern auch Säure ist schädlich für die Zähne, denn sie weicht den Zahnschmelz auf.
Foto: Pixelio/Rose
Aber nicht nur süße Lebensmittel sind zahnschädlich, sondern auch saure. Produkte mit einem hohen Gehalt an natürlichen oder zugesetzten Säuren wie Zitronen-, Ascorbin- oder Kohlensäure, senken den pH-Wert des Speichels. Bei einem regelmäßigen Verzehr führt dies dazu, dass Mineralien aus der Zahnhartsubstanz herausgelöst werden. Deshalb sollten Zitrusfrüchte, saure Bonbons, Cola oder pure Fruchtsäfte zurückhaltend konsumiert werden. Außerdem ist zu beachten, dass die Säure den Zahnschmelz aufweicht, weshalb nach dem Verzehr nicht sofort die Zähne geputzt werden sollten, da sonst Zahnsubstanz weggeputzt wird. Besser ist es, den Mund mit Wasser auszuspülen oder den pH-Wert mit Milch oder Käse zu neutralisieren, bevor die Zähne geputzt werden.
Vollwertig ernähren
Insgesamt ist es empfehlenswert, sich vollwertig nach den »10 Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung« zu ernähren (siehe dazu Vollwertige Ernährung: So einfach ist das, PZ 10/2009). Hierbei machen pflanzliche ballaststoffreiche Lebensmittel den größten Anteil aus. Diese Lebensmittel wie Vollkornbrot, Gemüserohkost und Obst müssen intensiv gekaut werden, wodurch sie die Produktion des schützenden Speichels anregen. Durch solch eine kauaktive und zuckerarme Kost lässt sich das Kariesrisiko senken. Zudem gehören ausreichend Milch und Milchprodukte auf den Speiseplan, da sie gute Calciumlieferanten sind. Der Mineralstoff wird nicht nur für den Aufbau der Knochen, sondern auch der Zähne benötigt. Ein wichtiger Aspekt bei der zahngesunden Ernährung ist auch das Trinken. Als Durstlöscher sind zuckerfreie Getränke wie Wasser und ungesüßte Tees empfehlenswert. Fruchtsäfte sollten, da sie kariogen wirken, nur mäßig und möglichst verdünnt als Schorle konsumiert werden.
Wie zerstörerisch sich süße Getränke im Dauerkonsum auf das Gebiss auswirken, zeigt eine Sonderform der Karies: die sogenannte Nuckelflaschenkaries. Diese entsteht, wenn Eltern den Säuglingen oder Kleinkindern Fläschchen zum Dauernuckeln zur Beruhigung oder als Einschlafhilfe überlassen. Besonders schädlich wirken sich dabei Fruchtsäfte oder gesüßte Kindertees aus. Aber auch bei vollgestillten Kindern, die häufig angelegt werden, ist diese Kariesform schon aufgetreten.
Eine wichtige Rolle für die Zahngesundheit spielt die Fluoridzufuhr. Der Mineralstoff kann entweder mit der Nahrung, mit Getränken und über spezielle Tabletten aufgenommen oder mithilfe von Zahnpasten, Gelen und Lacken direkt auf den Zahn aufgebracht werden. Der Fluoridgehalt in Lebensmitteln und im Trinkwasser in Deutschland ist relativ gering und trägt nur wenig zur Versorgung bei. Ausnahmen bilden schwarzer Tee und Fischwaren, die Haut und Gräten enthalten (wie Ölsardinen oder Sprotten). Da über Lebensmittel und Trinkwasser die benötigte Fluoridmenge nicht erreicht wird, ist die Verwendung von fluoridiertem Speisesalz empfehlenswert. Dies ist aber nicht notwendig, wenn Mineralwasser getrunken wird, das mehr als 0,7 mg Fluorid pro Liter enthält. Säuglinge und Kinder unter sieben Jahren sollten ein solches Mineralwasser nicht auf Dauer zu trinken bekommen, da es dies zu Überdosierungen führen kann. Treten diese in der Schmelzbildungsphase auf, kann das die Struktur des Schmelzes stören, und es entstehen Dentalfluorosen. Diese äußern sich in Form von weißen Flecken auf dem Zahn und in schweren Fällen auch in braunen Verfärbungen und Schmelzdefekten. Dentalfluorosen treten meist in Gegenden auf, die einen hohen Gehalt von Fluor im Trinkwasser aufweisen. Sie können aber auch entstehen, wenn fluoridsupplementierte Säuglingsnahrung mit fluoridreichem Mineralwasser kombiniert wird. /
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Biesalski, H.-K., Ernährungsmedizin, Georg Thieme Verlag, Stuttgart (2004).
Aid-Broschüre: »Biss für Biss gesunde Zähne« (2006).
Dieser Artikel ist Teil der Serie Ernährung. Die nächste Folge zum Thema »Zusatzstoffe« wird in PZ 22/2010 erscheinen. Eine Übersicht aller bereits veröffentlichten Beiträge ist unter Zum Thema zu finden.