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Doc-Morris-Logo auf Masken

Auftritt von CDU-Spitzenpolitikern parteienrechtlich umstritten

Der Auftritt der CDU-Spitzenpolitiker mit den Doc-Morris Masken erregte nicht nur die Gemüter der Apotheker, sondern ist auch aus parteienrechtlicher Sicht umstritten. Zwei Expertinnen von Lobbycontrol und einem Institut für Parteienrecht klären im Gespräch mit der PZ über die rechtliche und politische Einordung des Masken-Gates auf. Die fehlende Transparenz des Werbe-Auftritts könnte sogar verfassungswidrig sein.
Charlotte Kurz
04.11.2020  17:55 Uhr

Ein Auftritt der drei CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen während einer Wahlkampfveranstaltung der Jungen Union verärgerte zuletzt die Apothekerschaft und stößt gleichzeitig eine Debatte über mangelnde Transparenz in der Parteienfinanzierung an. Die drei Politiker, die sich aktuell um den Parteivorsitz der CDU bewerben, trugen Masken mit dem Logo der niederländischen Versandapotheke Doc Morris. Vor allem in den sozialen Netzwerken beschwerten sich insbesondere Apotheker unter dem Schlagwort »Maskengate« über diesen Auftritt, ein Apotheker verschickte zudem einen Brief an die drei Spitzenkandidaten.

Der Auftritt der drei Politiker wirft die Frage auf, wie Werbung wie diese mit dem Parteienrecht zu vereinbaren ist. Auf den ersten Blick ist die Frage leicht zu beantworten. Schaut man sich die Situation jedoch näher an, wird klar, dass sie komplizierter ist als gedacht.

»Parteienrechtlich ist hier zwischen Sponsoring und Parteispenden zu unterscheiden«, erklärt Heike Merten, Geschäftsführerin vom Institut für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung der Heinrich-Heine Universität in Düsseldorf. Beim Sponsoring werden der Partei vonseiten des Unternehmens Leistungen zur Verfügung gestellt, um damit eigene Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit oder Werbung zu verfolgen. Insbesondere bei Parteitagen sind häufig Stände von Wirtschaftsunternehmen zu sehen. Diese mieten die Stände, das Geld geht an die Parteien und wird als Einnahmen aus Veranstaltungen verbucht. Diese müssen die Parteien in den jährlichen Rechenschaftsberichten angeben. Die Einnahmen werden weiter nach Landesgeschäftsstellen und Verbänden aufgegliedert. Eine genaue Auflistung welche Unternehmen wie viel »gesponsert« haben, ist darin jedoch nicht zu finden.

Parteispenden müssen offengelegt werden

Sponsoring ist zudem nicht im Parteiengesetz geregelt, Parteispenden jedoch schon. Geflossene Gelder sind dann Parteispenden, wenn die Leistung und die Gegenleistung außer Verhältnis stehen, so die Juristin Merten. Ab einer gewissen Höhe müssen Parteispenden im Gegensatz zu Sponsoring offengelegt werden. In § 25 Parteiengesetz ist geregelt, dass Spenden von mehr als 10.000 Euro unter der Angabe des Namens und der Anschrift des Spenders sowie die genaue Höhe der Spende im Rechenschaftsbericht angezeigt werden muss. Weiter gilt laut Parteiengesetz: »Spenden, die im Einzelfall die Höhe von 50.000 Euro übersteigen, sind dem Präsidenten des Deutschen Bundestages unverzüglich anzuzeigen. Dieser veröffentlicht die Zuwendung unter Angabe des Zuwenders zeitnah als Bundestagsdrucksache.« Parteispenden aus dem EU-Ausland sind zudem zulässig.

Diese Unterscheidung bei der Darlegungspflicht der Parteien führt dazu, dass die Unternehmen in den vergangenen Jahren ihre Parteispenden reduzierten und Sponsoring immer beliebter wurde, weiß Annette Sawatzki, Expertin für Parteienfinanzierung und Campaignerin beim Verein LobbyControl. »Autokonzerne wie BMW und Volkswagen sind von Spenden auf Sponsoring umgestiegen, auch Daimler kündigte an, nicht mehr spenden zu wollen«, erklärte Sawatzki. Auch die Doc Morris-Aktion bei der Jungen Union sei deutlich als Sponsoring zu erkennen, so die LobbyControl-Sprecherin.

Und genau hier liegt der Knackpunkt: Wenn Doc Morris der Jungen Union eine Summe bezahlt hätte, die den marktüblichen Preis der Masken und auch den Wert des öffentlichen Auftritts der drei Politiker bei weitem übersteigt, würde dies juristisch als Parteispende zählen. In jedem Fall muss die JU eingenommene Gelder der Mutterpartei CDU melden. Bei einer Summe von mehr als 10.000 Euro müsste das Geld dann laut Gesetz transparent im Rechenschaftsbericht der CDU auftauchen, wenn die Gegenleistung keinen entsprechenden Wert hat.

Allerdings ist nicht bekannt, wie viel Doc Morris für die Werbeaktion ausgab. Auf eine entsprechende Nachfrage der PZ antwortete die niederländische Versandapotheke mit den Worten: »Unsere Demokratie lebt von und auch durch den Wettbewerb der Parteien. Das Werben und Streiten aller Parteien und deren Jugendorganisationen mit klaren demokratischen Zielen, um die besten politischen Lösungen und die europäische Idee, unterstützen wir als Unternehmen daher sehr gerne.« Die Junge Union ignorierte die Nachfrage der PZ ebenfalls und erklärte lediglich, dass sie mit Sponsoren zusammenarbeiten, dazu gehöre auch die Firma Doc Morris.

Preis für die Aktion: Vermutlich ein fünfstelliger Betrag

Sawatzki schätzt, dass Doc Morris für diese Aktion einen fünfstelligen Betrag bezahlte. Aus Aufzeichnungen von Abgeordnetenwatch kann zudem eine Summe abgelesen werden, die Doc Morris den Grünen bei der Bundesdeligiertenkonferenz im Januar 2018 in Hannover gesponsert hatte: 2521 Euro. Die prominente Werbefläche auf den Gesichtern der drei Spitzenpolitiker dürfte deutlich mehr kosten. Die Grünen legen ihre Sponsoring-Einnahmen seit 2012 für die Bundesparteitage freiwillig offen. Auch die SPD veröffentlicht diese Einnahmen seit drei Jahren. Dies geschah allerdings erst auf Druck der Öffentlichkeit: »2016 wurde bekannt, dass Unternehmen und Lobbyisten ein Gespräch oder ein gemeinsames Essen mit SPD-Spitzenpolitikern kaufen konnten«, erklärt Sawatzki. Auch die damalige Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) zeigte eine umstrittene Nähe zu Doc Morris. Nach dem Skandal »Rent a Sozi« entwarf die SPD zwar einen entsprechenden Gesetzesentwurf, in den Bundestag gelang dieser aber nicht – die Union stellte sich gegen die Gesetzesänderung hin zu mehr Transparenz.

»Partei-Sponsoring kritisieren wir seit Jahren«, betont Sawatzki. »Wir fordern, dass zumindest die Zahlungen offengelegt werden müssen«. Dass jetzt Spitzenpolitiker Werbung für private Unternehmen auf dem Körper tragen, wie es bei Rennfahrern beispielsweise üblich ist, habe es noch nie gegeben, so Sawatzki. »Das ist eine deutliche Grenzüberschreitung!«, betont die 47-Jährige. Sie kann sich gut vorstellen, dass auch konservative Politiker kritisch darüber denken. Sorgen macht sich Sawatzki auch darüber, dass solche Aktionen das Bild der Politik beschädigen. »Dieses Verhalten fördert Politikverdrossenheit, denn es suggeriert, dass Volksvertreter für ein paar tausend Euro zu haben seien.«

Auch die Juristin Merten findet, der Auftritt hat ein »politisches Geschmäckle«. Parteien sind laut Grundgesetz zur Transparenz verpflichtet. In Artikel 21 Grundgesetz steht: Parteien »müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.« Dass die Transparenz von Partei-Sponsoring bislang nicht gesetzlich geregelt ist, widerspricht damit zwar der Verfassung, hat aber einen einfachen Grund: »Das Parlament entscheidet über das Parteiengesetz, damit entscheiden sie in eigener Sache«, betont Merten. »Parteiengesetzänderungen, die für die Parteien nicht vorteilhaft sind, werden immer schwer durchs Parlament gebracht.«

Öffentlicher Druck muss erhöht werden

Im September 2020 befasste sich der Bundestag erstmals mit einem Lobbyregister. Der Gesetzesentwurf der großen Koalition sieht eine Registrierungspflicht für Interessensvertreter, die gegenüber dem Bundestag, den Abgeordneten oder Fraktionen Lobbyarbeit betreiben wollen, vor.

Die Transparenz bei Sponsoring-Geldern ist jedoch nicht Teil dieses Gesetzes. Dies muss dringend im Parteiengesetz geregelt werden, fordert Merten. Auftritte, wie der von Merz, Laschet und Röttgen, zeigen, dass die Wissenschaft, Juristen, Medien und die Öffentlichkeit den Druck erhöhen müssen, damit die Parteien eher dazu geneigt sind, diese Änderungen anzupassen und mehr Transparenz zu schaffen, so Merten.

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