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Versandhandel

Auch Apotheken-Boten dürfen ausliefern

Eine Apotheke mit Versandhandelserlaubnis darf Rezepte in einem Supermarkt einsammeln und die Arzneimittel anschließend über eigene Boten ausliefern. Das hatte das Bundesverwaltungsgericht bereits im April 2020 entschieden. Jetzt liegen die Urteilsgründe vor.
Stephanie Schersch
31.07.2020  07:00 Uhr

Der Fall reicht zurück bis ins Jahr 2014. Seitdem betreibt eine Apothekerin im nordrhein-westfälischen Herne eine Rezeptsammelbox im Eingangsbereich eines benachbarten Supermarkts. Zugleich verfügt sie über eine Versandhandelserlaubnis. Kunden können Rezepte und OTC-Bestellungen in die Box einwerfen, die einmal täglich von der Apotheke abgeholt und später beliefert werden. Knackpunkt ist dabei die Art der Zustellung. So erhalten Kunden im Umland ihre Arzneimittel über ein Logistikunternehmen, für Lieferungen ins Stadtgebiet Herne greift die Apotheke auf eigene Boten zurück.

Die Behörden waren damit nicht einverstanden und untersagten der Apothekerin das Konzept im Oktober 2015. Aus Sicht der Stadt Herne fehlte der Apotheke schlichtweg die Erlaubnis für den Betrieb der Sammelbox. Die Apothekerin klagte daraufhin, scheiterte mit ihrem Anliegen jedoch beim Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen. Auch am Oberverwaltungsgericht Münster hatte sie keinen Erfolg. Dort verwiesen die Richter auf § 24 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Apotheken dürfen Rezeptsammelstellen demnach nur mit explizierter Erlaubnis betreiben und auch nur dann, wenn die Box dazu beiträgt, die Arzneimittelversorgung an abgelegenen Orten sicherzustellen. Ihre Versandhandelserlaubnis konnte die Apothekerin aus Sicht der Richter nicht als Argument für den Betrieb der Sammelstelle heranziehen. Schließlich sei das Konzept mit der Belieferung durch Boten nicht als Versandhandel zu werten, urteilten sie.

Kein Verstoß gegen Arzneimittel- und Apothekenrecht 

Das sieht das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) anders. Im April dieses Jahres gaben die Leipziger Richter der Apothekerin in dritter Instanz recht und hoben damit die vorangegangenen Entscheidungen wieder auf. »Die beanstandete Einrichtung zum Sammeln von Verschreibungen steht im Einklang mit den Vorschriften des Arzneimittel- und des Apothekenrechts«, heißt es in der nun vorliegenden Urteilsbegründung. Demnach schreibt das Gesetz für den Versand an keiner Stelle vor, dass die Apotheke einen Logistiker mit der Auslieferung beauftragen muss. »Sie darf die bestellten Arzneimittel auch durch eigenes Personal transportieren und ausliefern.« Auch die in § 17 ApBetrO geregelten Vorgaben für den Botendienst stünden dem nicht entgegen, schreiben die Richter. So ist der Botendienst auf Kundenwunsch grundsätzlich zulässig, ohne dass die Apotheke dafür eine Versandhandelserlaubnis braucht. »Die Vorschrift regelt aber nicht, dass im Versandhandel die Zustellung durch Boten der Apotheke unzulässig ist.«

Dabei stützt das BVerwG seine Argumentation auch auf die Vorschriften für den Arzneimittelversandhandel, die im Arzneimittelgesetz in § 43 und im Apothekengesetz in § 11a geregelt sind. So habe der Gesetzgeber den Versandhandel unter anderem zugelassen, damit Apotheken ihren Service im Wettbewerb gezielt ausbauen könnten, schreiben die Richter. »Diesem Anliegen entspricht, es der Disposition der einzelnen Apotheke zu überlassen, ob sie die Versendung durch externe Transportdienstleister durchführen lässt oder die bestellten Arzneimittel durch eigene Boten ausliefert.« Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz sieht das Gericht ohnehin nicht in Gefahr. Demnach ist der Transport über eigene Boten nicht weniger sicher als der Versand per Post. »Im Gegenteil dürfte dies die Sicherheit noch erhöhen.«

Apotheken ohne Versandhandelserlaubnis sind im Nachteil 

Auch das recht regionale Einzugsgebiet der Apotheke in Herne spricht nach Meinung der Richter nicht gegen die Einstufung des Geschäftsmodells als Versandhandel. So habe die Politik bei der Zulassung des Versandhandels nicht nur Kunden mit größerer Entfernung zur nächsten Apotheke im Blick gehabt, sondern ganz grundsätzlich chronisch Kranke und immobile Patienten. Die Richter sehen daher keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber einen Versandhandel ausschließen wollte, der auf den Einzugsbereich einer Präsenzapotheke ausgerichtet ist. »Ein lokaler Versand trägt dem Anliegen von Kunden Rechnung, die ihre Versandbestellung gezielt bei einer Vor-Ort-Apotheke aufgeben möchten, die sie kennen«, so das Gericht.

Die Klägerin betreibt ihre Sammelbox nach Meinung der Richter somit im Rahmen des Versandhandels und benötigt daher keine explizite Erlaubnis für ihr Modell. Präsenzapotheken ohne Versandhandelserlaubnis sind damit im Nachteil. Sie bräuchten für eine entsprechende Sammelstelle durchaus eine Genehmigung der Behörden. Auch das Gericht räumt diese Ungleichbehandlung ein. »Die Differenzierung ist aber Folge der Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln«, schreiben die Richter. Es sei daher nun Sache der Politik, ob beziehungsweise welche Konsequenzen sie daraus zieht.

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