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Versender im E-Rezept-Modell

Auch Apologistics ist beim E-Rezept-Start dabei

Ab dem 1. Juli will die Gematik das E-Rezept in der Modellregion Berlin/Brandenburg testen. Auf Apothekenseite können bis zu 120 Vor-Ort-Apotheken aus der Region teilnehmen – und Versandhändler, das hat die Gematik ausdrücklich betont. Fest steht inzwischen auch, dass nicht nur die beiden EU-Versender Doc Morris und Shop Apotheke teilnehmen. Auch die deutsche Versandapotheke Apologistics (u.a. Apodiscounter) ist dabei.
Benjamin Rohrer
25.05.2021  16:30 Uhr

Ab 2022 sollen die meisten Arzneimittel nur noch über das neue, digitale Verordnungssystem via E-Rezept verordnet werden. Bis zum 1. Juli allerdings ist die Gematik gesetzlich dazu verpflichtet, die dafür benötigte Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, also unter anderem den Fachdienst und die E-Rezept-App, über die die Patienten künftig ihre Verordnungen der Apotheke ihrer Wahl zuordnen können. Erst kürzlich teilte die Gematik mit, dass man das neue System ab dem 1. Juli zunächst regional in Berlin/Brandenburg testen wolle. In der Hauptstadtregion läuft derzeit schon ein E-Rezept-Modellprojekt an dem auch die Apotheker maßgeblich beteiligt sind.

Für Verwirrung im Apothekenmarkt hatte zuletzt allerdings die Mitteilung der vom Bundesgesundheitsministerium kontrollierten Gematik gesorgt, dass an dem regionalen Projekt nicht nur Vor-Ort-Apotheken sondern auch alle Arzneimittel-Versandhändler teilnehmen können. Voraussetzung ist, dass die Versender an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen sind, das E-Rezept intern bearbeiten und dann auch zur Abrechnung weitergeben können. Da bei den Apotheken-Softwarehäusern und den Apothekenrechenzentren bezüglich der E-Rezept-Abwicklung noch nicht alle technischen Fragen gelöst sind, ist davon auszugehen, dass nur wenige Versender überhaupt in der Lage sein werden, sich zu beteiligen. Allerdings: Eine Gematik-Sprecherin hatte gegenüber der PZ diesbezüglich erklärt, dass man davon ausgehe, dass sowohl Doc Morris als auch die Shop Apotheke die Berliner Patienten aus den Niederlanden heraus per E-Rezept versorgen können werden.

Apologistics-CEO: Wir werden ab 1. Juli gelistet sein

Jetzt zeigt sich allerdings, dass wahrscheinlich nicht nur die beiden niederländischen Branchenprimi von Anfang an mit dabei sein werden. Vielmehr gab auch Oliver Scheel, CEO der Versender-Gruppe Apologistics, gegenüber der PZ an, dass sein Unternehmen E-Rezepte aus dem Berliner Modell ab dem 1. Juli beliefern werde. Scheel wörtlich: »Wir werden uns für das Projekt registrieren, um am 1. Juli in der Gematik-App gelistet zu sein und E-Rezepte aus der Modellregion bearbeiten zu können. Wir wollen das Feld nicht nur den beiden Großen überlassen, sondern unseren Kunden selbst ein Angebot machen.« Wie die Anbindung an das Projekt technisch ablaufen soll und mit welchen Dienstleistern seine Versand-Gruppe im Bereich Warenwirtschaft und Abrechnung zusammenarbeitet, wollte Scheel allerdings nicht verraten.

Apologistics betreibt insgesamt neun Versand-Portale. Unter anderem die Marken Apodiscounter, Juvalis, Deutsche Internet Apotheke und Apotheke.de gehören zu dem Konzern, der laut eigenen Angaben einen addierten Umsatz von etwa 200 Millionen pro Jahr macht und somit auf Platz 3 hinter der Shop Apotheke und Doc Morris läge. Der Versender war in der Nähe von Leipzig von Apotheker Helmut Fritsch gegründet worden, inzwischen hat sich Apologistics aber auch eine Niederlassung in den Niederlanden aufgebaut. Erst vor wenigen Wochen zog sich Fritsch selbst aus der Unternehmensführung zurück, seitdem leitet der ehemalige Beiersdorf-Manager Scheel den Konzern. Das Investment-Unternehmen THI hält derzeit mit etwa zwei Dritteln die Mehrheit an dem Versandkonzern.

Wie erreichen die Versandkonzerne die Berliner Patienten?

Für die Versender dürfte es allerdings schwierig werden an die Rezepte der am E-Rezept-Modell teilnehmenden Patientinnen und Patienten zu kommen. Denn: Bislang sind nur etwa 50 Arztpraxen vorgesehen, nicht all ihre Patientinnen und Patienten nehmen teil. Insofern müssen die Versandkonzerne neben der technischen Anbindung an das Modellprojekt auch noch wichtige Marketing- und Kommunikationsfragen klären. Auf Nachfrage der PZ wollte Apologistics-CEO Scheel jedenfalls nicht verraten, wie er die Teilnehmer auf das Versandangebot aufmerksam machen will. »Wie genau wir die Patientinnen und Patienten auf unser Angebot hinweisen, kann ich noch nicht verraten. Aufwändige TV-Werbung können wir uns nicht leisten, deswegen werden wir andere Kommunikationsmittel suchen.«

Auf seiner Internetseite rechnet der Konzern vor, dass sich der Marktanteil der Versandhändler durch das E-Rezept bis 2025 verfünffachen werde. Scheel dazu: »Klar ist, dass auch wir die E-Rezepte haben wollen und unseren Rx-Umsatz mehrfach multiplizieren wollen.« Derzeit hat die Gruppe eigenen Angaben zufolge etwa 1,8 Millionen Nutzer und laut Scheel einen »eher kleinen Rx-Anteil«. Scheel weiter: »Da wir uns aber als Problemlöser für Patienten verstehen, wollen wir die Innovation E-Rezept gleich von Beginn an unseren Patienten anbieten. Wir bauen derzeit unsere Niederlassung in den Niederlanden auf – dank unseres Investors arbeiten wir dort mit neuen, hoch automatisierten Prozessen in der Rezepterkennung. Und beschäftigen sowohl in Leipzig als auch in den Niederlanden ausreichend entsprechendes Fachpersonal, die die Rezepte prüfen und bearbeiten.«

Hoffnung der Versender gerechtfertigt?

Ob Apologistics und seine Investoren diese Ziele erreichen, steht allerdings noch in den Sternen. Schließlich ist weiterhin ungeklärt, wie das Bundesgesundheitsministerium die Schnittstellen zwischen der Gematik-App und den Versendern definieren will – der gesamte Markt wartet hier noch auf eine Rechtsverordnung. Hinzu kommt, dass das E-Rezept aufgrund vieler technischer Hürden zumindest anfangs in den meisten Fällen weiterhin ausgedruckt an die Patienten gehen dürfte. Der von den Versendern erhoffte Systembruch durch die bloße Weiterleitung von DataMatrix-Codes wird sich wahrscheinlich alleine deswegen verschieben, weil die Gematik-App zum E-Rezept-Start nur für einen Bruchteil der GKV-Versicherten nutzbar sein wird.

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