Arnold: »Digitalisierung braucht menschliche Erklärung« |
Jennifer Evans |
11.10.2021 13:00 Uhr |
LAV-Präsident Mathias Arnold informierte die LAV-Mitglieder in Sachsen-Anhalt über aktuelle politische Entwicklungen im In- und Ausland. / Foto: LAV Sachsen-Anhalt
Bei den diesjährigen Wirtschaftstagen stand alles im Zeichen des Bauhauses. Ganz nach einem Leitsatz der vor gut 100 Jahren gegründeten Kunstschule eröffnete LAV-Präsident Mathias Arnold seinen Vortrag über die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage der Apotheken mit den Worten: »Der Mensch ist das Maß aller Dinge«. Die technische Entwicklung solle ihm zwar dienen, aber nicht schaden und ihn nicht überflüssig machen.
Rückblickend auf das vergangene Jahr hob Arnold hervor, wie der Einsatz des Berufsstands dazu beitragen habe, das Vertrauen der Politiker und der Bevölkerung in die Vor-Ort-Apotheken zu gewinnen. »In der Politik gibt es niemanden mehr, der die Apotheken ersetzen will«, betonte er. Seiner Ansicht nach haben die Apotheker nun »gute Karten« für die neue Legislaturperiode. Allerdings müssten sie diese Position auch nutzen. Die Zukunftsängste einiger Kolleginnen und Kollegen teilt er nicht. Im Gegenteil: Nach Arnolds Auffassung wird es künftig darum gehen, den USP (Unique Selling Proposition) der Apotheken vor Ort besser zu verkaufen: Menschlichkeit. »Auch der modernste digitale Prozess bedarf viel menschlicher Erklärung«, sagte er. Damit meinte er vor allem das E-Rezept. In der Pandemie hätten die Apotheker schon einen Vorgeschmack auf die kommunikativen Herausforderungen bekommen, als es etwa um die Ausstellung der digitalen Impfzertifikate ging.
Erklärungsbedarf wird laut Arnold weiterhin auch rund um neue Arzneimittel bestehen. Zudem müssen die Pharmazeuten ihren Patienten den Nutzen neuer pharmazeutischer Dienstleitungen erläutern und bei ihren Kunden auch ein Bewusstsein für den Anspruch darauf schaffen. Das wiederum sei erneut »eine kommunikative Aufgabe«. In seinen Augen läuft alles auf Empathie, Menschlichkeit und Nähe hinaus. Die Vor-Ort-Apotheke stelle eine Welt voller Alleinstellungsmerkmale dar, die es weiter auszubauen gelte. Aber auch ein Umfeld, in dem die Konkurrenz, gemeint sind Online-Plattformen, Versender und Co. – nicht punkten könnten.
Daher steht der LAV-Präsident einem möglichen wirtschaftlichen Wettstreit gelassen gegenüber, sofern die Offizinen jetzt »ihre Werkzeuge nutzen, um diese Welt aufzubauen«. Und damit schließt er wieder mit dem Geist des Bauhauses. Denn in dieser künstlerischen Strömung ging es auch darum, Kunst und Handwerk mit den vorhandenen Mitteln bestmöglich zusammenzuführen und daraus etwas Neues zu gestalten. In diesem Fall steht zwar nicht das Alltagsdesign im Fokus, aber ein Verbinden von Heilkunst und Digitalisierung im Sinne der Patienten.
Zwar wertete Arnold das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG), das im Dezember 2020 in Kraft getreten ist, als eine Zukunftsperspektive für die Branche. Es sei schließlich kein Spargesetz, sondern habe Stabilität geschaffen. Doch Nachwuchssorgen bleiben nach wie vor ein Thema für die Apothekerschaft.
Über Trends in der europäischen Gesundheitspolitik informierte Arnold, der zugleich Vizepräsident der Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU) ist, am Folgetag. Insbesondere wird das geplante Regelwerk »Digital Services Act« die Apotheken betreffen. Darin geht es um Haftungs- und Sicherheitsvorschriften für Online-Plattformen und E-Commerce. Eine Herausforderung wird es demnach sein, möglicherweise kollidierende Rechtskreise unter anderem mit Blick auf den Verbraucherschutz aus dem Weg zu schaffen. Insbesondere bei Rx-Arzneimitteln mache es einen entscheidenden Unterschied, ob das Herkunftsland- oder das Bestimmungsland-Prinzip greife, so Arnold. Auch beim Thema Lieferengpässe gelte es, wachsam zu sein, damit am Ende nicht der Zugriff auf das Warenlager einer jeden Apotheke in Europa möglich werde.
Zum Rahmenprogramm der Wirtschaftstage in Dessau gehörte ein Besuch im Bauhaus Museum. / Foto: LAV Sachsen-Anhalt
Die digitalen Themen sind Arnolds Steckenpferd. Kein Wunder also, dass er im Rahmen der anschießenden Mitgliederversammlung des LAV Sachsen-Anhalt ebenfalls für die Plattformen Mein-Apothekenportal und Mein-Apothekenmanager warb, an die sich seinen Angaben zufolge inzwischen bereits mehr als 18.000 Betriebsstätten angeschlossen haben. Die cloudbasierten Web-Anwendungen, die von der Abrechnung pharmazeutischer Dienstleistungen, über E-Telefonie und digitaler Terminorganisation bis hin zu einem Fortbildungskalender, einer Patientenakte und Zuzahlungsquittungen alles mögliche bündelt, soll nämlich in Zukunft die Arbeit der Apotheken vor Ort digital unterstützen. Allerdings ist diese Leistung keine des Deutschen Apothekerverbands (DAV), sondern soll mit Mitgliedsgeldern der LAVen finanziert werden.
Über die »solidarische Startfinanzierung« der Portale für die nächsten drei Jahre in Höhe von jeweils bis zu 600 Euro pro Betriebsstätte müssen die LAVen, die später als Gesellschafter fungieren, also zunächst einzeln abstimmen. Die Einnahmen aus dieser zweckgebundenen Umlage dürfen ausschließlich in den Betrieb und die Weiterentwicklung der Plattformen und deren Angebote fließen. Die Mehrheit der Apotheker in Sachsen-Anhalt sprach sich vergangenes Wochenende für den entsprechenden Beschluss aus. Es gab nur zwei Gegenstimmen.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.