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ABDA-Stellungnahme

Apotheker strikt gegen Paxlovid-Abgabe in Arztpraxen

Die Bundesregierung will den Zugang zu antiviralen Covid-19-Therapeutika erweitern und künftig Ärzten die Abgabe dieser Medikamente erlauben. Die ABDA lehnt es grundsätzlich ab, von dem eingespielten Abgabeweg über Apotheken abzuweichen.
Ev Tebroke
05.08.2022  16:00 Uhr

Um vor allem Risikopatienten vor schweren Covid-19-Verläufen zu schützen, setzt die Bundesregierung unter anderem auf den Einsatz antiviraler Medikamente wie Paxlovid®. Kurz nach einem positiven Coronatest eingenommen, können diese Wirkstoffe das Risiko insbesondere vulnerabler Personen für einen tödlichen Krankheitsverlauf reduzieren.

Bislang steht für die Applikation durch den Patienten selbst ausschließlichPaxlovid zur Verfügung. Es wird aber nur zögerlich verordnet. Deshalb will Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) die Abgabemöglichkeiten nun erweitern. Per Änderung der der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung (AMVV) sollen künftig Ärzte befristet das Medikament in der Praxis bevorraten und es direkt an Patienten abgeben dürfen, wenn ein positiver Coronatest vorliegt. Auch Pflegeheime sollen so verfahren dürfen. Die ABDA ist strikt gegen dieses Dispensierrecht. 

Aus Sicht der Bundesvereinigung ist der derzeit mögliche Vertriebs- und Abgabeweg über die Apotheken ausreichend, um Patienten mit den antiviralen, oralen Corona-Arzneimitteln zeitnah und schnell zu versorgen. Die Standesvertretung sieht keinerlei Grund dafür, von diesem Prozedere abzuweichen.

Die zögerliche Verordnung ist das Problem

Bislang läuft die Versorgung mit den zentral vom Bund beschafften Covid-19-Medikamenten zentral über die öffentlichen Apotheken. Sobald die ärztliche Verordnung in der Offizin vorliegt (es reicht auch die telefonische Ankündigung durch die bekannte Arztpraxis) kann der betreffende Patient oder die Patientin mit dem Präparat versorgt werden. Eine unverzügliche und zeitnahe Abgabe an die Patienten – erforderlichenfalls per Botendienst – sei flächendeckend im gesamten Bundesgebiet sichergestellt, heißt es in der Stellungnahme. Dies gelte insbesondere auch für die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen.

Aus Sicht der ABDA ist nicht die Verfügbarkeit und Abgabe das Problem, sondern das zögerliche Verordnungsverhalten der Ärzte. »Die Erfahrungen aus der Praxis belegen, dass – auch angesichts der Bevorratung in den Apotheken – nicht die Verfügbarkeit und Abgabe der Arzneimittel das Problem darstellt, sondern vielmehr die fehlende Bereitschaft der Ärztinnen und Ärzte (aus welchen Gründen auch immer), diese Arzneimittel zu verschreiben,« heißt es. Dass dieses Problem durch die Möglichkeit einer direkten Abgabe durch die Ärzte selbst beziehungsweise das Pflegepersonal auf ärztliche Verordnung sachgerecht gelöst werden könnte, erschließe sich nicht.

Apotheken checken Interaktionen und fördern Adhärenz

Die ABDA fordert »nachdrücklich«, von den geplanten Änderungen Abstand zu nehmen. Vielmehr sollten konstruktive Wege gesucht werden, im Miteinander der akademischen Heilberufe – Ärzte als medizinische Behandler, Apotheker als pharmazeutische Experten – die bestmögliche Arzneimittelversorgung für die betroffenen Patienten sicherzustellen, heißt es in der Stellungnahme.

Insbesondere die in diesen Fällen erforderlichen hochkomplexen Prüfungen möglicher Wechselwirkungen zwischen den jeweils eingenommenen Arzneimitteln müssten im vertrauensvollen und partnerschaftlichen Dialog zwischen den beteiligten Heilberufen vorgenommen werden.

Ohne die Einbindung der Apotheker mit ihren spezifisch pharmazeutischen Fachkenntnissen drohten ansonsten »eine qualitativ schlechtere Versorgung sowie damit verbundene Gesundheitsschäden, wenn potentielle Risiken nicht erkannt werden«. Darüber hinaus wirke auch die patientenindividuelle Beratungsleistung der Apotheker zusätzlich auf die Effektivität der Therapie und die Patientensicherheit hin.

Apotheken-Botendienst besser als Praxisbesuch

Neben dieser grundsätzlichen Kritik sieht die ABDA auch Probleme bei der Umsetzung der geplanten Regeln. An Covid-19 erkrankte Patienten müssten sich nach den geltenden Landesvorgaben isolieren. In den allermeisten Fällen legten Arztpraxen großen Wert darauf, dass dieser Personenkreis nicht persönlich in der Praxis erscheint, sondern in anderer Weise versorgt wird, betont die Bundesvereinigung.

An Covid-19 Erkrankte, die sich bereits in häuslicher Quarantäne befinden, würden mithilfe von etablierten Botendiensten der Apotheken zügig versorgt. Die Versorgungskette über die Apotheken funktioniere im Verordnungsfall (gegebenenfalls auch vorab telefonisch) bis zur Lieferung an die Haustür oder ans Krankenbett »sicher und effizient«. Für die nun vorgesehene direkte Abgabe der Arzneimittel durch die Ärzte würde hingegen ein direkter persönlicher Kontakt erforderlich werden, denn ein medizinischer Botendienst sei nicht existent.

Finanzieller Anreiz für die Arzneimittelabgabe in der Kritik

Darüber hinaus hält die ABDA es insgesamt für bedenklich, dass die Ärzte für die Arzneimittelabgabe eine Vergütung erhalten sollen. Den Medizinern würden direkte finanzielle Anreize zu einer Arzneimittelverordnung und -abgabe eröffnet.

Laut geplanter Änderung der SARS-CoV-2-AMVersV sollen Ärzte 15 Euro erhalten für jede abgegebene Packung. Die Vergütung der Apotheken soll im Gegenzug von derzeit 30 Euro pro abgegebener Packung auf 15 Euro gesenkt werden, da dann der Aufwand für Bevorratung und Belieferung entfalle, heißt es im Entwurf.

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