Apotheker könnten auch gegen FSME und Pneumokokken impfen |
Die Bürgerinnen und Bürger schätzen den niederschwelligen Zugang zum Impfen in der Apotheke. Warum also das Angebot nicht ausweiten, meint Thomas Preis, Chef des Apothekerverbandes Nordrhein. / Foto: PZ/Alois Müller (Archiv)
Die Grippe-Impfmodellprojekte sind ein voller Erfolg, vor allem in Nordrhein. Hier hatten der Apothekerverband (AVNR) und die AOK Rheinland-Hamburg den ersten entsprechenden Vertrag bundesweit geschlossen. Was mit vier Modellregionen im Herbst 2020 startete, wurde 2021 auf ganz Nordrhein ausgeweitet. Seit Beginn dieses Jahres beteiligen sich dort zudem zahlreiche Betriebskrankenkassen.
Anteilig betrachtet wurden dadurch in Nordrhein die meisten Grippe- und auch Covid-19-Impfungen durchgeführt. So konnten die Apotheken an Rhein und Ruhr durch ihre vorherige Schulung zur Grippeimpfung und die gesammelten Erfahrungen relativ schnell und in größerer Zahl als in anderen Kammergebieten mit den Corona-Impfungen starten, berichtete Thomas Preis, Vorsitzender des AVNR, am heutigen Donnerstag bei einem Symposium »Impfen in der Apotheke«, veranstaltet vom Pharmaunternehmen Pfizer.
»Weil man die Corona-Impfung unabhängig von der jeweiligen Versicherung bekommen kann, wurden in den Apotheken an Rhein und Ruhr seit 8. Februar dieses Jahres mit etwa 20.000 Corona-Impfungen zehn Mal so viel Impfungen wie bei den Grippeimpfungen durchgeführt.«
Für ihn ist es nur folgerichtig, dass die Modellphase nun vorzeitig beendet wird. Denn mit dem Pflegebonus-Gesetz, das heute in zweiter Lesung im Bundestag diskutiert wird, soll die Grippeimpfung in der Apotheke zur Regelleistung werden. »Gerade mit Blick auf den kommenden Corona-Winter gehören flächendeckende Corona- und Grippeimpfungen zusammen. Deshalb ist es nur konsequent, dass die Politik dies den Bürgerinnen und Bürgern in Zukunft in den Apotheken ermöglichen will. Wir rechnen damit, dass sich dann noch mehr Apotheken dazu entscheiden werden, ein Impfangebot zu machen.« Zurzeit böten etwa 500 Apotheken im Rheinland Corona- beziehungsweise Grippeimpfungen an.
Preis wünscht zudem, dass die Apotheken dies nicht nur in ihren eigenen Räumlichkeiten anbieten dürfen, sondern auch als »aufsuchendes Impfen« in Pflegeheimen und Betrieben. Entsprechende Anfragen gebe es bereits.
Wie gut das niederschwellige Impfangebot bei der Bevölkerung ankommt, hatte die Evaluation des Projektes gezeigt, die Anfang des Monats vorgestellt wurde: Die Geimpften hätten das Angebot der Apotheke durchweg positiv beurteilt, so die Politikwissenschaftlerin Cosima Bauer, Mitinhaberin des Forschungsunternehmens »May & Bauer«, die die Evaluation durchgeführt hat.
Besonders positiv bewertet wurde der niederschwellige Zugang, also die gute Erreichbarkeit und das Impfen ohne lange Wartezeiten und zum Teil ohne Termin. Zudem gebe es ein großes Vertrauen in die Kompetenz des Apothekers, das sich durch die vielen zusätzlichen Aufgaben, die die Apotheken während der Corona-Pandemie übernommen habe, noch vergrößert habe. Und das vielleicht wichtigste Argument: Jeder zweite Geimpfte wäre sonst nicht zur Grippeimpfung gegangen. »Das Impfen in der Apotheke ist sicher, effektiv und auch ökonomisch sinnvoll«, so Bauers Fazit. Zudem wünschten sich die Befragten, auch andere Impfungen in der Apotheke vornehmen zu lassen.
»Wir haben einen guten Zugang zu den Bürgern, aber um das Angebot bekannter zu machen, brauchen wir auch 100 Prozent Unterstützung der Politik«, forderte Preis. So sollten die Apotheken demnächst in die Grippe- und Corona-Impfkampagnen explizit einbezogen und in der Kommunikation auch in einem Atemzug mit den Ärzten genannt werden.
Zudem solle die Politik schnellstens prüfen, welche Impfungen die Apotheken noch anbieten können. Hier bieten sich laut Preis zum Beispiel die Schutzimpfungen gegen FSME und Pneumokokken an, die ebenfalls als sehr sicher gelten und wo es große Impflücken gebe. Gegen FSME wird beispielsweise problemlos auch in zwölf anderen EU-Ländern in Apotheken geimpft. In Frankreich dürfen die Apotheken seit Neuestem sogar alle Impfungen mit Totimpfstoffen durchführen.
»Das ganzjährige Impfen in der Apotheke, nicht nur gegen Corona und Grippe, ist die Zukunft, da muss die Politik jetzt ran!«, so Preis. Denn für die Apotheken sei es ökonomisch und planerisch schwierig, entsprechendes Personal und Räumlichkeiten für nur acht Wochen im Jahr bereitzuhalten. Zudem könnten die Arztpraxen dadurch weiter entlastet und die Impfquoten erhöht werden. »Wir sollten den Zugang zum Impfen so breit wie möglich machen«, meinte auch Bauer.
Da es immer weniger hausärztlich praktizierende Ärzte gibt, dünnt sich nicht nur der Zugang für die Bevölkerung aus. Durch die Praxisschließungen werde es auch wirtschaftlich schwierig für die dort ansässigen Apotheken, sich allein über die Arzneimittelversorgung zu finanzieren, so Preis. Da mache es doppelt Sinn, wenn sie Dienstleistungen wie das Impfen anbieten können. Angesichts des Fachkräftemangels sollte man darüber hinaus überlegen, ob man nicht auch PTA erlaubt, unter Aufsicht von Apothekern zu impfen, wie es auch die MFA in Arztpraxen übernehmen.
Zwar könne aus Personal- oder auch räumlichen Gründen nicht jede Apotheke das Impfen anbieten. »Aber allein wenn es jede dritte oder vierte Apotheke macht, bekommen wir schon eine gute Flächendeckung«, versicherte Preis. Er wünscht sich dabei eine bundesweit einheitliche Vergütung in gleicher Höhe für Arztpraxen und Apotheken. Schließlich sei das Impfen in der Apotheke genauso gut und sicher.
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