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Reform in Großbritannien

Apotheker in Wales dürfen Rezepte ausstellen

Die Entlastung für Hausarztpraxen in Wales heißt Apotheke. Seit Kurzem dürfen Pharmazeuten dort nämlich bei bestimmten Krankheitsbildern selbst Rezepte ausstellen, bei denen bis dato ein Arztbesuch nötig war.
Jennifer Evans
02.05.2022  16:30 Uhr

Eine Reform des walisischen Gesundheitsministeriums ermöglicht es Apotheken vor Ort seit Kurzem mehr Services anzubieten und damit deutlich mehr Verantwortung zu übernehmen. Die Neuregelungen sind nach Angaben des Ministeriums das Ergebnis von Verhandlungen mit dem Walisischen Apothekerverband Community Pharmacy Wales (CPW). Seit Anfang April dürfen die Pharmazeuten im ganzen Land nun unter anderem bei sogenannten »minor ailments«, also geringen Beschwerden, einspringen. Dazu zählt Wiederholungsrezepte auszustellen, Grippe-Impfungen durchzuführen und sich in Beratung und Abgabe von Verhütungspräparten einzubringen.

Aber damit nicht genug: Entsprechend geschulte Apotheker sind jetzt ebenfalls berechtigt, Rezepte für Erkrankungen auszustellen, für die bislang ein Besuch beim Hausarzt nötig war. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn der Patient mit Symptomen in der Apotheke erscheint. Zunächst geht es um Medikamente, die bei akuten Infekten der Harnwege oder der oberen Atemwege helfen – darunter auch Antibiotika. Auch Empfängnisverhütungsmittel sowie Präparate, die bei chronischen Schmerzen helfen, zählen dazu.

Gesundheitsministerium investiert in Apotheker

Das Gesundheitsministerium fördert diesen Verschreibungsservice und will die Gelder von den derzeit jährlichen 1,2 Millionen Britischen Pfund (gut 1,4 Millionen Euro) bis April 2024 sogar auf 20,2 Britische Pfund (mehr als 24 Millionen Euro) aufstocken. Bei dieser Reform handelt es sich um den »fundamentalten Wandel der apothekerlichen Arbeit seit der Gründung des NHS vor mehr als 70 Jahren«, betonte die walisische Gesundheitsministerin Eluned Morgan.

Kaum zufriedener könnte auch der CPW-Vorstandsvorsitzende Russell Goodway sein: »Schon seit vielen Jahren haben die Apotheken vor Ort argumentiert, dass sie mehr klinische Angebote für Patienten bieten können sowie insgesamt in der Lage sind, einen größeren Beitrag für die Bedürfnisse des NHS Wales zu leisten.« Umgekehrt erhofft sich die Regierung von diesem Schritt die Hausärzte zu entlassen, die sich dann stärker um »komplexere Bedürfnisse« der Patienten kümmern sollen, wie es heißt.

Für England, Schottland und Nordirland gelten die Neuregelungen übrigens nicht. Der nationale Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) existiert zwar in ganz Großbritannien mit demselben Namen, die Gesundheitsdienste, also die NHS, der einzelnen Landesteile entscheiden und agieren aber unabhängig voneinander. 

In Arztpraxen werden viele Termine frei

Der Zuspruch ist groß. Bereits 90 Apotheken sind geschult und stellen seit Anfang April selbst Rezepte aus. Bis Ende des Jahres sollen es – zumindest nach den Wünschen der walisischen Regierung – ein Drittel der insgesamt 712 Vor-Ort-Apotheken im Land sein. Wie der britische Nachrichtendienst BBC berichtete, freuen sich die Mediziner über den Zeitgewinn. Demnach werden durch den Service der Apotheken in einigen Arztpraxen rund 100 Termine pro Monat frei.

Während die schottischen Apotheker bei einigen Indikationen bereits selbst Verordnungen ausstellen dürfen, ist es den Kollegen in England bislang nicht erlaubt. Dagegen dürfen Pharmazeuten in der ganzen UK, die in Arztpraxen oder Kliniken angestellt sind, bereits seit 2003 Rezepte ausstellen. In England und Nordirland wollen dem BBC-Bericht zufolge offizielle Stellen nun ebenfalls prüfen, ob die dortigen Apotheker nach dem Vorbild von Wales künftig mehr Aufgaben übernehmen sollen.

Zuschuss für Abgabe-Roboter

Darüber hinaus unterstützt die walisische Regierung die Apotheken, wenn sie in neue technische Lösungen investieren. Gemeint sind Abgabe-Roboter und Verschreibungssysteme, die es Patienten »im ATM-Stil ermöglichen, ihre Rezepte 24 Stunden am Tag abzuholen«, heißt es aus dem Ministerium. Das soll nicht nur praktischer für die Kunden sein, sondern auch die Arbeit der Offizinen effizienter gestalten. In den vergangenen drei Jahren haben nach Angaben des Gesundheitsministeriums aber nur rund 25 Apotheken von Zuschüssen für neue Technologien profitiert.

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