Apothekenlieferdienste: »Keine Konkurrenz« |
Cornelia Dölger |
03.02.2022 14:30 Uhr |
In vielen Großstädten sind inzwischen Fahrradkuriere von Apothekenlieferdiensten unterwegs. / Foto: Mayd
In Pandemiezeiten schlägt die Stunde der Lieferdienste. Fahrradkuriere eilen durch die Innenstädte und transportieren in ihren Rucksäcken Waren aller Art – seit einiger Zeit auch OTC-Arzneimittel und Apothekenprodukte. Lieferdienst-Start-ups wie First A, Kurando oder Mayd arbeiten dabei mit Apotheken zusammen und versprechen ihrer Kundschaft Lieferungen binnen kürzester Zeit. Auch beim Firmenwachstum legen sie ein beachtliches Tempo vor. Jetzt hat Mayd in einer Finanzierungsrunde erneut eine Millionensumme von Investoren eingesammelt. Eine Kooperation helfe den Apotheken, betont das Start-up.
Mayd, der Name steht für »Meds At Your Doorstep« («Medizin bis vor die Haustür«) und ist bei dem Berliner Start-up Programm. Binnen 30 Minuten sollen Kunden OTC-Arzneimittel sowie Apothekenprodukte nach Hause geliefert bekommen, die sie zuvor über die Online-Plattform des Unternehmens bestellt haben. Das Sortiment umfasst laut Unternehmensangaben etwa 2000 Artikel. Die bestellten Produkte werden von Mayd-Kurieren bei kooperierenden Apotheken abgeholt und an die Kunden geliefert. Bei Bedarf ist auch eine telefonische Beratung von der Apotheke möglich.
Dieses Prinzip, das in ähnlicher Form auch Kurando oder First A verfolgen, verfängt offenbar bei den Geldgebern. Erst im vergangenen Jahr gegründet, hat Mayd inzwischen bereits zum zweiten Mal viel Geld von Investoren bekommen, das laut Co-Gründer und Geschäftsführer Hanno Heintzenberg in die weitere Expansion des Unternehmens fließen soll. In einer ersten Runde gab es demnach 13 Millionen Euro, nun noch einmal 30 Millionen, unter anderem vom US-Investor Lightspeed Venture Partners, wie Mayd vergangene Woche mitteilte. In sechs deutschen Großstädten sind die Mayd-Kuriere inzwischen unterwegs und auch die Märkte außerhalb Deutschlands sind für das Unternehmen interessant. Viel Gelegenheit also, das neue Kapital zu investieren.
Dabei hat Mayd nach eigenem Bekunden neben seinem Wachstum auch das Wohlergehen der Vor-Ort-Apotheken im Sinn. Wie Heintzenberg im Gespräch mit der PZ betonte, könnten diese von der Kooperation mit Mayd profitieren. »Wir sind davon überzeugt, dass gerade kleinere oder ländlich gelegene Apotheken gestärkt werden, wenn sie unsere Partner werden«, so Heintzenberg. »Schließlich landen die Aufträge der Onlinekunden bei ihnen und nicht beim Versandhandel.« Über die Online-Plattform könne etwa in Berlin die gesamte Fläche abgedeckt werden, »so dass die Apotheken eine viel höhere Reichweite bekommen«. Das Angebot mache also »nicht nur für Kunden Sinn, sondern auch für die Apotheken«. Letztlich stärke die Zusammenarbeit die Apotheken gegen die Onlinekonkurrenz, betonte Heintzenberg. In Berlin, so der Mayd-Chef, nähmen bislang 15 der insgesamt 800 Apotheken daran teil.
15 von 800, das ist bislang überschaubar, allerdings geht die Wachstumskurve des Unternehmens eben steil nach oben, zudem ist eine Menge Geld im Spiel. Da irritiert es, wenn Mayd sich insbesondere als Retter der Apotheke vor Ort geriert. Immerhin stellt das Unternehmen durchaus eine Konkurrenz zu Apotheken dar, die ja selbst Botendienste anbieten. Das weist Heintzenberg aber weit von sich. »Da gibt es keinen Wettbewerb«, so Heintzenberg zur PZ. Vielmehr sei Mayd abhängig von der Zusammenarbeit mit den lokalen Apotheken, weil das Geschäftsmodell darauf beruhe. »Diese Kooperation ist ein wesentlicher Bestandteil.«
Heintzenberg reagierte damit auf die Nachfrage der PZ, warum sein Unternehmen die Vor-Ort-Apotheken aber offenbar durchaus als Konkurrenz sehe. Das hatte der Mayd-Chef zuvor in einem Zeitungsinterview gesagt. Diese Aussage, so Heintzenberg, sei in dem Interview »verkürzt dargestellt« worden und ein »Kommunikationsfehler« gewesen. »Wir haben in dem Interview darüber gesprochen, welche Optionen Kunden haben, die online Medikamente bestellen«, erklärte der Mayd-Chef. »Dabei haben wir die Kanäle Versandhandel, lokale Apotheke und eben uns genannt, daher kam das mit dem Wettbewerb überhaupt erst auf«, so Heintzenbergs Begründung.
Was das Thema Konkurrenz angeht, sind die Fronten zwischen Apotheken und Mayd also eher noch Auslegungssache. Konkurrenten mit offenem Visier sind hingegen die internationalen EU-Versender. Was passiert also, wenn ein mächtiger Versender wie Doc Morris/Zur Rose eines Tages an die Tür klopft und Mayd kaufen will? Dieses Szenario sei »derzeit kein Thema und rein hypothetisch«, sagte Heintzenberg. Das Start-up arbeite daran, die Beziehung zu den Partnerapotheken auf- und auszubauen, da denke man bei Mayd über einen Verkauf »derzeit wirklich nicht nach«. Stabilität verspricht er auch für die Zeit nach der flächendeckenden Einführung des E-Rezepts. Auch dann werde sich am Geschäftsmodell von Mayd nichts ändern, versicherte Heintzenberg. Das E-Rezept sowie die Option, darüber auch in den Rx-Markt einzutreten, sei »ja überhaupt erst der Treiber bei der Geschäftsgründung gewesen«. Und zum Geschäftskonzept von Mayd gehörten ganz klar die lokalen Apotheken.
Dass die rechtliche Lage bei der Belieferung von Medikamenten durch externe Boten nicht ganz geklärt ist, bereitet dem Mayd-Gründer kein Kopfzerbrechen. Umstritten hierbei ist bekanntermaßen, ob die Boten zum Apothekenpersonal gehören müssen oder nicht. Nach dem im Herbst 2019 geänderten § 17 Abs. 2 der Apothekenbetriebsordnung muss die Zustellung von Arzneimitteln »durch Boten der Apotheke« erfolgen. Dies soll klarstellen, dass der externe Bote weisungsgebunden ist und sich Apothekenboten grundsätzlich von Mitarbeitern von Paketdiensten unterscheiden. So erläutert es der Begründungstext der entsprechenden Verordnung, allerdings sind Begründungen von Verordnungen meist rechtliche Grauzonen, die nur zum besseren Verständnis dienen sollen. Laut Bundesgesundheitsministerium ergibt sich daraus, dass die Lieferung aus der Apotheke »nicht durch willkürlich eingesetztes Personal erfolgen soll«, wie es auf PZ-Anfrage hieß. »Somit ist die konkrete Ausgestaltung des Botenverhältnisses relevant.«
Die ABDA hat dazu eine klare Position: Für sie steht fest, dass die Apothekenleitung die Auslieferung von Arzneimitteln nur gestatten darf, wenn die Boten zum Apothekenpersonal gehören. Der Einsatz externen Personals sei apothekenrechtlich unzulässig, hatte die Bundesvereinigung schon vor einiger Zeit der PZ gesagt. Eine bloße Weisungsbefugnis reiche nicht.
Das sieht Mayd naturgemäß anders. Das Start-up setzt darauf, dass die Boten nicht bei der Apotheke angestellt sein müssen, und beruft sich darauf, dass die externen Botinnen und Boten zu jeder Zeit den Weisungen der Partnerapotheke unterlägen. Und auch falls die Gesetzeslage eines Tages eindeutig und unmissverständlich die Apothekenzugehörigkeit vorschreiben sollte, sieht Heintzenberg sein Unternehmen gerüstet. »Sämtliche Apotheken, mit denen wir zusammenarbeiten, besitzen eine Versanderlaubnis, deshalb würde unser Konzept auch weiterhin bestehen bleiben können.« Er gehe aber davon aus, dass auch eine konkretisierte Vorschrift zugunsten der Lieferdienste ausfallen werde – »schließlich arbeiten wir im Sinne der Apotheken«.
Die Rechtsfrage beschäftigt die Apotheken natürlich auch schon länger. Auf PZ-Anfrage erläuterte Klaus Laskowski, stellvertretender Geschäftsführer und Justiziar der Bayerischen Landesapothekerkammer, hierzu: »Wenn der Bote bei der Apotheke angestellt ist, gehen Sie auf Nummer sicher.« Sollte die Apotheke trotzdem an einer Zusammenarbeit mit einem externen Lieferdienst interessiert sein, sei wichtig, dass das Weisungsgebot dann zumindest vertraglich abgesichert sei, betonte Laskowski. Er rate dazu, sich den Kooperationsvertrag und hierbei insbesondere die Ausgestaltung des Botenverhältnisses genau durchzulesen. Den Vertrag sollten die Apotheken dann bei ihrer Aufsichtsbehörde vorlegen und prüfen lassen. Zudem sollten Apotheken, die eine Kooperation mit einem der Lieferdienste in Betracht zögen, durchrechnen, ob sich diese überhaupt für sie lohnen würde. »In vielen Fällen kommt es die Apotheken schlicht und einfach günstiger, wenn jemand aus ihrem Team die Arzneimittel ausliefert; oft genug wird das auf dem Heimweg quasi mit erledigt«, so Laskowski.
In den Großstädten, wo die Lieferdienste aktiv sind, sind solche Kooperationen den Behörden bis dato eher theoretisch bekannt. Beim Kreisverwaltungsreferat in München etwa hatte man damit bislang noch keinen Kontakt. Das teilte eine Sprecherin der PZ auf Anfrage mit. Auch aus Berlin berichtet das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales lediglich theoretisch über solche Kooperationen. Die Lieferdienste hätten keine Anzeigepflicht gegenüber der Behörde, heißt es auf PZ-Anfrage. Für den Fall, dass Kooperationsverträge geschlossen würden, würden diese »ordnungsbehördlich geprüft«. In Hamburg, wo die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz zuständig ist, heißt es, die Einhaltung des Weisungsgebots könne »jeweils nur durch eine individuelle Fallbetrachtung beurteilt werden«. Wie die Botendienste organisiert seien, würde im Rahmen von Apothekenrevisionen überwacht. »Inwieweit es einer Nachschärfung der noch relativ neuen rechtlichen Rahmenbedingungen bedarf, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden«, teilte die Hamburger Behörde der PZ mit.