»Apotheken sind ein Garant für Datensicherheit« |
Cornelia Dölger |
09.11.2022 15:00 Uhr |
Beim jüngsten ABDA-Talk sprachen ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening (rechts) und die Linken-Politikerin Kathrin Vogler über aktuelle Themen wie die Verzögerungen beim E-Rezept und die geplante Cannabislegalisierung. Moderiert wurde der Talk von RND-Journalist Timot Szent-Ivanyi. / Foto: Youtube/Screenshot: PZ
Seit vergangener Woche ist beim E-Rezept mal wieder Sand im Getriebe. Weil mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) die letzte verbliebene KV aus der gleichermaßen letzten verbliebenen E-Rezept-Pilotregion ausgestiegen ist und vorerst keine weiteren Arztpraxen für den Rollout akquiriert, dürfte sich das ohnehin sehr gemächlich laufende Vorhaben nun weiter in die Länge ziehen. Der Grund für den Rückzug der KVWL ist, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber Bedenken gegen den sogenannten dritten Weg hat, also die Option, E-Rezepte in Apotheken über die elektronische Gesundheitskarte (EGK) und ohne PIN einzulösen, wie es viele Ärzte und Apotheken favorisieren. (Als erster und zweiter Weg gelten der Papierausdruck des Tokens sowie die voll digitale, allerdings komplizierte Option über die Gematik-App, die ein NFC-fähiges Handy, eine NFC-fähige Karte sowie eine PIN erfordert.) Kelber sorgt sich bei dem dritten Weg darum, dass hierbei kriminelle Apothekenmitarbeitende unbefugt die Rezeptdaten ihrer Patienten einsehen und somit Datenmissbrauch betreiben könnten.
Sein Beharren auf einem solchen Risikoszenario, das selbst das Bundesgesundheitsministerium gestern als zu vernachlässigendes »Restrisiko« bezeichnet hatte, sorgte nun dafür, dass ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening beim jüngsten ABDA-Talk deutliche Worte in Richtung Bundesregierung und Bundesdatenschutz fand. »Apotheken sind ganz sicher ein Garant für Datensicherheit und kein Risiko«, sagte die Apothekerin. »Meine Kolleginnen und Kollegen haben eine hohe Sensibilität für Datenschutz und für die Integrität der Menschen, die zu ihnen kommen und sich ihnen anvertrauen.«
Auch sie beklage, dass es hier offenbar eine Datenschutzproblematik gebe, aber diese müsse behoben werden, anstatt den dritten Weg komplett zu streichen. Zudem sei zu betonen, dass die Apotheken mit allen Daten, die dort verarbeitet würden, »äußerst sorgfältig umgehen«. »Das ist in allen Apotheken so«, unterstrich die ABDA-Chefin. Es sei zu wünschen, dass die Politik hier eine sensiblere Terminologie finde, um nicht sämtliche Apothekenteams unter Verdacht zu stellen.
Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion »Die Linke« im Bundestag, stimmte dem zu. »Daran kann man sehen, dass bei den Apotheken die Nerven ein bisschen blank liegen«, sagte die Politikerin, die als Gast zu dem gestern Abend gestreamten Gespräch im Berliner ABDA-Haus eingeladen war. Zu oft sei der gesamte Berufsstand in den vergangenen Monaten Zielscheibe auch »unfairer Angriffe« gewesen. »Da sollte man klar dagegenhalten.« Gleichwohl, so Vogler weiter, glaube sie nicht, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte mit seinen Bedenken allen Apotheken eine kriminelle Energie unterstellen wolle. Bezüglich der Lösung über die EGK sei sie im Übrigen zurückhaltend, weil hierbei keinerlei Sicherheit zur Identifizierung der Patienten gegeben sei. Overwiening entgegnete in dem von dem RND-Journalisten Timot Szent-Ivanyi moderierten Gespräch, dass diese schließlich auch beim herkömmlichen rosa Rezept nicht gewährleistet sei. »Da muss man auch mal die Kirche im Dorf lassen.«
Beim Thema Cannabislegalisierung zeigten Overwiening und Vogler wiederum grundsätzliche Einigkeit, was die geplante Rolle der Apotheken angeht. Bekanntlich sieht der Koalitionsvertrag der Ampelparteien für die Abgabe Lizenzgeschäfte vor; Apotheken werden dabei nicht genannt. In einem kürzlich vorgestellten Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums tauchten sie allerdings als mögliche Vertriebsstätten wieder auf. Overwiening wie auch Vogler hoben beim ABDA-Talk die Rolle der Pharmazeuten als Heilberuflerinnen und Gesundheitsdienstleister hervor, der eine Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken prinzipiell entgegenstünde. »Apotheken sind ja auch nicht als Lizenzinhaber für den Verkauf von Alkohol und Tabak vorgesehen«, so Vogler.
Andererseits befänden sich die Offizinen hier in einem »Zielkonflikt«, sagte Overwiening. Diesen Begriff hatte sie in der Vergangenheit bereits mehrmals ins Gespräch gebracht, um das Dilemma der Pharmazeuten bei der Cannabisabgabe auf den Punkt zu bringen. Auf der einen Seite seien die Apotheken dem großen Gut Gesundheit verpflichtet; »als Heilberufler befürworten wir eine Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken also nicht«, so Overwiening. Wenn aber die Politik und auch die Gesellschaft von einer Legalisierung überzeugt seien und hierzu entsprechende Zielsetzungen und Schutzvorgaben formulierten, »dann ist das eine andere Motivlage«. Hier sei das Fachwissen und die Beratungskompetenz der Offizinen gefragt, um den politisch gewollten Schritt möglichst sicher für die Patienten zu gestalten.
Overwiening erklärte: »Wenn die Politik also will, dass die Legalisierung mit möglichst wenigen Risiken einhergeht, dann wird dies über die Apotheken am ehesten erreicht.« Nur vor diesem Hintergrund sei eine Beteiligung der Apotheken für sie vorstellbar, dem hätten bis zu 70 Prozent der Apotheken unter diesen Bedingungen laut Umfragen zugestimmt. Und dennoch: »Der Zielkonflikt ist definitiv für uns gegeben.« Unabdingbar sei übrigens, dass es für Apotheken »niemals eine Verpflichtung« geben dürfe, Cannabis zu Genusszwecken abzugeben.
Zu den Bedenken, dass das Vorhaben gegen EU-Recht verstoßen könnte, zeigte sich Vogler entspannt. Die europäischen Regeln besagten lediglich, dass die Mitgliedsländer den unerlaubten Vertrieb von Cannabis zu unterbinden hätten, nicht aber den erlaubten, so die Linken-Politikerin. »Ich bin da zuversichtlich.«
In großen Teilen könne sie der Apothekenkritik an den Sparplänen zur GKV-Sanierung zustimmen, erklärte Vogler beim nächsten Thema, dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Sie selbst habe in einer Bundestagdebatte das Gesetz einst als »Murks« bezeichnet, insbesondere weil es die Lasten nicht gerecht verteile. »Den Großteil tragen doch die Versicherten.« An dem falschen Ansatz des Regelwerks, das Ende Oktober vom Bundestag trotz Kritik aus etlichen Lagern beschlossen wurde, hätten nun auch die Apotheken zu leiden. Dass der Apothekenabschag für zwei Jahre auf zwei Euro pro Rx-Arzneimittel erhöht werden solle, setze die Apotheken, die ohnehin Belastungen und Herausforderungen wie Lieferengpässe, Rabattverträge, Retaxierungen, Inflation und steigende Energiekosten zu tragen hätten, zusätzlich unter Druck. »Das kann vielleicht eine Apotheke hier in Berlin Mitte tragen, nicht aber die kleine Offizin auf dem Land.« Kompensiert worden seien diese Belastungen in der Vergangenheit nicht. Stattdessen werde »mit dem Rasenmäher drübergegangen, statt zu schauen, wo filigranere Lösungen zu finden sind«.
Overwiening ergänzte, zwar habe die Politik die Leistungen der Apotheken während der Pandemie gewürdigt und gelobt. Das passe aber nicht zu den einschneidenden Sparplänen. Wenn Politik immer nur sage, dass sie die Apotheken brauche, aber letztlich nichts für bessere Rahmenbedingungen täte, könnten die Apothekerinnen und Apotheker ihr letztlich »nicht mehr glauben und auch nicht mehr folgen«. Overwiening forderte: »Wort und Tat müssen deckungsgleich werden.«
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.