Antikörper gegen α-Synuclein ohne Effekt auf Krankheitsverlauf |
Was lässt die Dopamin-freisetzenden Nervenzellen in der Substantia nigra im Gehirn absterben? Diese Frage ist immer noch nicht geklärt, dabei liegt hier der vielversprechendste Ansatzpunkt für eine effektive Parkinson-Therapie. / Foto: Getty Images/Science Photo Library/Kateryna Kon
Bei Parkinson sterben in der Substantia nigra im Gehirn vermehrt Nervenzellen ab, was zu den typischen Symptomen der Erkrankung führt. Warum genau die Neuronen zugrunde gehen, ist noch unklar. »Bisher wurde vermutet, dass α-Synuclein-Ablagerungen den degenerativen Prozess verursachen können, da die für die Krankheit typischen Lewy-Körperchen, runde Einschlüsse im Zytoplasma von Nervenzellen, aus α-Synuclein bestehen«, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) in einer aktuellen Pressemitteilung. »Daher war die Hoffnung groß, mit α-Synuclein-bindenden Antikörpern eine ursächliche Therapie gegen die Parkinson-Krankheit in der Hand zu haben. Diese Hoffnung wurde jedoch enttäuscht.«
In einem frühen Stadium der Erkrankung eingesetzt, sollen die Antikörper die Aggregation von α-Synuclein unterbinden und so weitere Neuronen vor dem Zelltod bewahren – und damit das normalerweise kontinuierliche Fortschreiten der Erkrankung aufhalten. Vergangene Woche wurden nun die Ergebnisse von zwei randomisierten, placebokontrollierten Phase-II-Studien zu den α-Synuclein-bindenden Antikörpern Cinpanemab von Biogen und Prasinezumab von Roche bei Patienten im Parkinson-Frühstadium im »New England Journal of Medicine« veröffentlicht. Die Forschenden fanden jedoch keinen nennenswerten Effekt auf die klinische Progression der Erkrankung oder die Hirnstrukturen in der Bildgebung, resümiert die DGN.
Die SPARK-Studie mit 357 Probanden, die entweder Placebo oder Cinpanemab in verschiedenen Dosierungen alle vier Wochen per Infusion erhielten, lief über 52 Wochen mit einer dosisverblindeten Verlängerung bis zu 112 Wochen. »Nach der Zwischenauswertung in Woche 72 wurde die Studie jedoch wegen mangelnder Wirksamkeit der Substanz vorzeitig abgebrochen«, so die DGN.
Genauso schlecht sah es in der PASADENA-Studie mit Prasinezumab aus. Auch hier erhielten die 316 Probanden alle vier Wochen entweder den Antikörper in verschiedenen Dosierungen oder Placebo alle vier Wochen über 52 Wochen und darüber hinaus. Auch hier fand sich kein Unterschied in Bezug auf den Krankheitsverlauf zwischen Verum und Placebo, wohl aber Infusionsreaktionen unter Prasinezumab. »Ein kleiner Hoffnungsschimmer zeichnete sich aber ab«, so die DGN. Die Studie war in drei Phasen unterteilt (Phase 1: Woche 0-52, Phase 2: Woche 56-104 und Phase 3: eine fortlaufende 5-Jahres-Fortführung). »Wie der Autor des begleitenden Editorials im NEJM hervorhebt, sei ein Hinweis in Phase 3 darauf gefunden worden, dass die Gabe von niedrigdosiertem Prasinezumab die Progression des sekundären Endpunkts verlangsamen könnte.« Als sekundärer Endpunkt wurde der dopaminerge Neuronenverlust mittels der Dopamin-Transporter-Hirnszintigraphie (DaT-SPECT) gemessen.
»Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass es sich bei α-Synuclein lediglich um einen Biomarker der Erkrankung, nicht aber um ihren pathogenetischen Treiber handelt – und somit eine zielgerichtete Therapie gegen α-Synuclein ins Leere läuft«, kommentiert Professor Dr. Lars Timmermann, Parkinson-Experte und stellvertretender Präsident der DGN.
Ähnliches habe man auch bei Alzheimer gesehen, als die Studien mit einem Antikörper, der Beta-Amyloid im Gehirn, das vermeintlich krankheitsverursachende Agens, abbaut, keinen Effekt zeigen konnten. Während man dort noch spekuliert habe, dass die Substanz in den Studien zu spät eingesetzt worden war, hat man in den beiden vorliegenden Studien die α-Synuclein-bindenden Antikörper ausschließlich an Patientinnen und Patienten in frühen Parkinson-Erkrankungsstadien erprobt. »Die nun vorliegenden Daten sind deswegen relativ ernüchternd: bei einer Ursache-Wirkungskette zwischen α-Synuclein und Parkinson-Progression hätten die Ergebnisse zumindest im Trend positiv ausfallen müssen«, erklärt Timmermann.
Der Marburger Neurologe plädiert dafür, weiter an den Ursachen der Erkrankung und ihrer Bekämpfung zu forschen. »Derzeit wird auch an sogenannten »small molecules« und RNA-basierten Therapieansätzen geforscht, um die vermeintlich pathogenen Proteinaggregationen zu unterbinden. Es bleibt abzuwarten, ob diese Substanzen möglicherweise mehr Wirkung zeigen.«
Hinzu komme, dass man zwar von »der« Parkinson-Krankheit spreche, sich dahinter aber viele verschiedene Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Verläufen verbergen würden. Ein Ziel müsse es daher sein, die Subtypen besser zu klassifizieren und Therapieoptionen an den einzelnen Erkrankungstypen zu testen. »Eine Studie zu einem für einen Tumortyp wirksamen Krebsmedikament würde wahrscheinlich auch negativ ausfallen, wenn Krebspatientinnen und -Patienten mit verschiedenen Tumorerkrankungen eingeschlossen würden«, erläutert Timmermann. »Die Forschung an einer ursächlichen Parkinson-Therapie sollte also forciert weiterbetrieben werden.«