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Migräneprophylaxe

Antikörper Erenumab ist Topiramat klar überlegen

Wer an mehreren Tagen pro Monat unter Migräneattacken leidet, kommt für eine medikamentöse Prophylaxe infrage. Erstmals konnte nun für einen Antikörper gezeigt werden, dass er Attacken besser verhindern kann als das Antikonvulsivum Topiramat – bei besserer Verträglichkeit.
Christiane Berg
09.12.2021  11:00 Uhr

Erenumab (Aimovig® von Novartis) war der erste CGRP (Calcitonin Gene Related Peptide)-Rezeptor-Antikörper, der im November 2018 auf den Markt kam. Nun wurde der Wirkstoff mit dem gleichermaßen zur Migräne-Prophylaxe eingesetzten Antiepileptikum Topiramat verglichen. Um es vorwegzunehmen: Erenumab erzielte hinsichtlich Effektivität und Verträglichkeit deutlich bessere Ergebnisse.

Im Rahmen der kürzlich in der Zeitschrift »Cephalalgia« publizierten randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten »Head-to-head Study of Erenumab Against Topiramate in Patients With Episodic and Chronic Migraine« an 82 Studien-Zentren in Deutschland nahmen 777 Patientinnen und Patienten teil, die an mindestens vier Tagen pro Monat unter einer Migräne litten. Nach Zufallsprinzip in zwei Gruppen unterteilt, erhielten sie über 24 Wochen entweder subkutan Erenumab (70 oder 140 mg/Monat) plus Topiramat-Placebo oder oral Topiramat (50-100 mg/Tag) plus Erenumab-Placebo.

95,1 Prozent der Teilnehmenden beendeten die Studie. Doch während in der Erenumab-Verumgruppe nur 10,6 Prozent aufgrund unerwünschter Ereignisse frühzeitig ausschieden, waren es in der Topiramat-Gruppe 38,9 Prozent. Signifikant mehr Patienten erreichten mit Erenumab eine mindestens 50-prozentige Reduktion ihrer monatlichen Migräne-Tage (55,4 versus 31,2 Prozent).

Verträglichkeit als entscheidender Faktor für Therapieerfolg

»Bei der Migräneprophylaxe stellt neben der Wirksamkeit auch die Verträglichkeit einen entscheidenden Faktor für die Einnahmetreue und somit den Therapieerfolg dar«, macht Professor Dr. Hans-Christoph Diener, in einem Statement der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zur Studie deutlich. Vor diesem Hintergrund könne sich die hier gezeigte Überlegenheit von Erenumab als bedeutsam erweisen.

Allerdings könnten die monoklonalen Antikörper zur Migräne-Prophylaxe, zu denen neben Erenumab auch die CGRP-Inhibitoren Galcanezumab und Fremanezumab zählen, gemäß Vorgaben des GBA nur verordnet werden, wenn konventionelle Medikamente zur Migräneprophylaxe sich als nicht wirksam erweisen beziehungsweise unverträglich oder kontraindiziert sind.

Weitere Möglichkeiten zur Migräne-Prophylaxe

Stehen zur Migräne-Therapie verschiedene Medikamente zur Verfügung, hätten sich in der Akutbehandlung neben anderen zunächst (leitliniengemäß am besten belegt) nicht steroidale Analgetika wie ASS und Ibuprofen, bei unzureichender Wirkung sodann Triptane bewährt. Bei steigender Krankheitslast, also Zunahme der Häufigkeit, Dauer und Stärke der Attacken, könne die dauerhafte, zielgerichtete und personalisierte Migränevorbeugung unumgänglich werden.

Im Ranking der Empfehlungen zur Prophylaxe der Migräne kommen neben den Antikonvulsiva Valproinsäure und Topiramat leitliniengemäß Betablocker wie Propranolol und Metoprolol und der Calciumantagonist Flunarizin zum Einsatz. Auch das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin kann sich bei entsprechender psychischer Komorbidität als effektiv erweisen.

Valproinsäure sollte nicht bei Frauen im gebärfähigen Alter ohne sichere Verhütungsmethode eingesetzt werden. Ebenfalls wirksam, wenn auch weniger gut untersucht, haben laut DGN zudem der Betablocker Bisoprolol, ACE-Hemmer und Sartane ihre Berechtigung in der Migräne-Prophylaxe. Bei chronischer Migräne mit oder ohne Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln könne auch OnabotulinumtoxinA angezeigt sein, das gegebenenfalls alle drei Monate im Bereich der Stirn, der Schläfe, des Hinterkopfs, des Nackens und der Schultermuskulatur injiziert wird. Leitliniengemäß können auch Therapieversuche mit Pestwurzextrakt und Mutterkraut versucht werden.

Die medikamentöse Prophylaxe sollte durch nicht medikamentöse Verfahren wie Ausdauertraining, kognitive Verhaltenstherapie, Biofeedback, Stressmanagement und Entspannungstechniken bei regelmäßigem Ausdauersport ergänzt werden.

In Deutschland, so die DGN, leiden circa 20 Prozent aller Frauen und 8 Prozent aller Männer an Migräne als eine der häufigsten Kopfschmerzformen, die nicht nur zu Arbeitsausfällen, sondern auch zu starken Beeinträchtigungen im sozialen Miteinander führen können.

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