Abhilfe bei sportlicher Katerstimmung |
Dehnen, recken und strecken: Das beugt so mancher Unannehmlichkeit vor. / Foto: Getty Images/RyanJLane
Der Seitenstech-Schmerz, der seitlich unterhalb der Rippen einschießt, ist ziemlich fies und lässt jeden flotten Ausdauersportler rasch erlahmen. Meist trifft es schlecht Trainierte, etwa jetzt beim Wiedereinstieg in die Freiluftsaison nach der Winterpause. Das Gute: Meist vergeht der Schmerz so schnell wie er auftauchte. Und Seitenstechen ist unbedenklich.
Die Ursache dieser Unannehmlichkeit ist indes bislang nicht abschließend geklärt. Am plausibelsten ist Experten zufolge die Zwerchfell-Theorie, da sie erklärt, warum Seitenstechen häufiger bei unrhythmischem Ein- und Ausatmen auftritt, also eher bei Untrainierten. Beim Zwerchfell handelt es sich um eine Muskelgruppe, die den Brustraum vom Bauchraum trennt. Es zieht sich beim Einatmen zusammen, damit sich die Lunge besser entfalten kann. Das Zwerchfell wird nur beim Ausatmen durchblutet. Wenn aber nur kurz ausgeatmet wird, dann wird es naturgemäß weniger mit Blut versorgt – Schmerzen können sich einstellen. Erfolgt das Ein- und Ausatmen jedoch rhythmisch, sollte es kein Seitenstechen geben.
In jedem Fall heißt es erst mal Tempo drosseln und eine Pause einlegen. Dabei lang und kontrolliert ausatmen. Besser dabei nicht krümmen, sondern tief und regelmäßig in den Bauch atmen, dann auch mal die Arme hochnehmen und sich recken und strecken. Das dehnt die an der Atmung beteiligte Muskulatur.
Will man nach der Winterpause zu schnell zu viel, rächt sich das am nächsten Morgen: Der Muskel ist druckempfindlich, hart und schmerzt. Lange Zeit galt Laktat als Übeltäter für den Muskelkater. Mittlerweile haben Mediziner Mikrotraumen als Ursache ausgemacht, die entstehen, wenn der Muskel überlastet wird. Die feinen Risse schmerzen zunächst nicht, denn Schmerzrezeptoren fehlen innerhalb der Muskelfaser. Allerdings werden proinflammatorische Botenstoffe ausgeschüttet, und Flüssigkeit tritt langsam ins Gewebe über. Einerseits bilden sich so nach einigen Stunden Ödeme, die einen Dehnungsschmerz auslösen. Andererseits treffen die Schmerzstoffe erst dann auf Rezeptoren, wenn die Botenstoffe nach und nach aus der Zelle ausgeschwemmt werden. Deshalb tritt der Muskelkater verzögert auf, bis zu 18 Stunden nach der Belastung.
Der Körper braucht mehrere Tage, um die lädierten Stränge zu reparieren. In dieser Zeit ist der Muskel nicht voll belastbar, doch leichte Beanspruchung mit Dehnen und Lockern fördert die Regeneration des Gewebes, weil sie die Durchblutung anregt. Auch Sauna oder ein heißes Bad lindern die Beschwerden. Durchblutungsfördernde Topika unterstützen den Abtransport der Botenstoffe, etwa Arnika- oder Campher-haltige Fluide, Muskelcremes mit ätherischen Ölen wie Rosmarin- oder Fichtennadelöl (wie Doloplant®, Lindofluid®, Allgäuer Latschenkiefer® Arnika Vital Fluid, Retterspitz® Muskelcreme).
Der Muskel bessert in dieser Zeit keineswegs nur die entstandenen Schäden aus. Er reagiert vielmehr äußerst raffiniert auf die Verletzung, bereitet sich darauf vor, dass er künftig vergleichbaren oder noch größeren Belastungen standhalten muss. Dazu stellt er in seinem Inneren neue zusätzliche Eiweißmoleküle her, also Aktin- und Myosinfilamente, die sich ineinanderschieben können und deren Gesamtheit die Kraft des Muskels bestimmt. Letztendlich geht der Muskel also gestärkt aus der Katerstimmung hervor.
Zieht sich plötzlich der Wadenmuskel zusammen, kann sich selbst der Profisportlicher nicht mehr halten und geht zu Boden. Warum Krämpfe sich hauptsächlich an den unteren Extremitäten manifestieren, darüber lässt sich nur spekulieren. Vermutlich sind die dort arbeitenden tonischen, langsam kontrahierenden Typ-1-Faser-Muskeln besonders anfällig für die Art ihrer Erregung am Übergang von Nerv zu Muskel an der motorischen Endplatte. Denn einem Muskelkrampf liegt kein muskuläres Problem zugrunde, sondern ein neurologisches. Ausgelöst werden Muskelkrämpfe durch spontane Depolarisationen der Nervenmembranen. Es bilden sich vermehrt Aktionspotenziale aus, also Nervenimpulse, die dann im Endeffekt zu einem »Erregungssturm« im Muskel führen, erklärt die S1-Leitlinie zu »Crampi/Muskelkrampf« und zu »Myalgien« der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).
Muskelkrämpfe treten aber auch auf, wenn der Flüssigkeits- und Mineralstoffhaushalt aus dem Lot geraten ist. Durch körperliche Belastung besonders während der Sommermonate, durch Erbrechen, Durchfall oder einseitige Diäten verliert der Körper nicht nur Flüssigkeit, sondern auch wichtige Mineralstoffe wie Magnesium oder Kalium. Fehlen diese Elektrolyte, ist das Muskelgewebe leichter erregbar und hat eine erhöhte Krampfbereitschaft.
Die Möglichkeiten, den Krampf zu lösen, sind begrenzt. Im Akutfall bleibt leitliniengemäß eigentlich nur, die verkrampfte Muskulatur zu dehnen und die Antagonisten, also die entgegengesetzten Muskeln, anzuspannen. Eine Maßnahme, die die meisten Menschen intuitiv ergreifen. Dafür ziehen sie etwa beim durchgestreckten Bein die Zehen Richtung Knie und treten mit der Ferse, die Bodenkontakt hält, nach vorne.
Auch was die Vorbeugung betrifft, empfehlen die Leitlinienautoren ausdrücklich die Zweckmäßigkeit regelmäßiger passiver Dehnübungen und Massagen. Denn werden sie vor dem Sport gemacht, beugen sie belastungsinduzierten Krämpfen vor. Ebenso empfehlen die Leitlinienautoren die Einnahme von Magnesium, obwohl seine Wirksamkeit nicht ausreichend belegt ist. »Ein Therapieversuch sollte aber in jedem Falle unternommen werden. Magnesium führt an der Muskelmembran zu einer Stabilisierung und reduziert Aktionspotenziale, die Kontraktionen im Muskel auslösen.«
Die Leitlinienautoren geben ihr Votum organischen Magnesiumsalzen (wie Magnesium-Loges®, Magnesium Verla®, Magnesium Diasporal®, Biolectra® Magnesium, Magnetrans®). Diese scheinen eine höhere Bioverfügbarkeit zu haben als anorganische Verbindungen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält eine Tageshöchstmenge von 250 Milligramm Magnesium für probat. Überschüssiges Magnesium wird ausgeschieden, wobei weiche Stühle beziehungsweise Durchfälle anzeigen, dass die Magnesiumspeicher gefüllt sind.
Ein Wespenstich während des Tennismatchs, eine Schnittwunde durch eine Scherbe am Strand oder Krämpfe beim Schwimmen: Richtig vorbereitet, kann die Sporttasche wahre Erste-Hilfe-Schätze bieten.