Schrecken in der Nacht |
15.01.2007 11:36 Uhr |
<typohead type="3">Schrecken in der Nacht
Von Sven Siebenand
Im Herbst und Winter häufen sich die Fälle von Kleinkindern, die an der Atemwegserkrankung Pseudokrupp leiden. Mitten in der Nacht setzt starker Husten ein, der Kehlkopf schwillt so weit an, bis das Kind in Atemnot gerät. Neben unterstützenden Maßnahmen helfen vor allem Cortisonzäpfchen, ein Klassiker im Nachtdienst.
Schnupfen, Fieber und Unwohlsein: Häufig geht dem Krupp-Anfall eine leichte Erkältung voraus. Daraus kann sich sehr schnell und ohne Vorwarnung das charakteristische Krankheitsbild des Pseudokrupps (stenosierende Laryngotracheobronchitis) entwickeln - oft abends oder aus dem Schlaf heraus. Das Kind ist heiser und hat einen trockenen, bellenden Husten. Anders als beim Asthma, bei dem das Ausatmen erschwert ist, hat das Kind Schwierigkeiten einzuatmen. Pfeifende, fauchende und rasselnde Atemgeräusche treten auf. Die Luftnot ist bei einem akuten Krupp-Anfall so groß, dass die Kinder unter Erstickungsängsten, Herzklopfen und Unruhe leiden. Die Unruhe wiederum steigert den Sauerstoffbedarf, der trotz beschleunigter Atmung nicht ausreichend befriedigt werden kann. Grund für die Luftnot ist, dass sich die Schleimhaut im Bereich des Kehlkopfes und der Stimmbänder entzündet und anschwillt. Dadurch bekommen die Kinder nur sehr schlecht Luft. Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und drei Jahren sind am häufigsten betroffen, da bei ihnen der Kehlkopf noch nicht voll ausgewachsen und somit sehr eng ist. Zusätzlich kann bei allen Patienten zäher Schleim die Atemwege weiter verengen.
Häufigster Auslöser sind Parainfluenzaviren, selten auch RS-, Rhino- oder Masernviren. Diese werden über eine Tröpfcheninfektion beim Husten, Niesen oder Sprechen übertragen. Auch die Übertragung durch Kontakt mit infizierten Gegenständen ist möglich. Seltener sind bakteriell oder allergisch bedingte Krupp-Anfälle. Etwa 15 Prozent der Kinder zwischen neun Monaten und viereinhalb Jahren erkranken zumindest einmal an Pseudokrupp, unter Umständen aber auch mehrmals. Zum Glück klingt diese Neigung fast immer, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen, mit Erreichen des Vorschulalters ab. Am häufigsten tritt Krupphusten bei feuchtkaltem Wetter in den Herbst- und Wintermonaten auf. Zudem ist auffällig, dass die Erkrankung in Gebieten mit hoher Luftverschmutzung vermehrt auftritt.
Vorsicht bei Erkältungssalben
Die Therapie ist abhängig vom Schweregrad der Dyspnoe. Bei leichteren Beschwerden reichen oft schon supportive Maßnahmen aus. So helfen Eltern ihren Kindern, indem sie zum Beispiel feuchte Wäsche im Kinderzimmer aufhängen oder sich mit dem Kind ins Badezimmer setzen und das heiße Wasser in der Dusche aufdrehen. Auch das Einatmen kühler Luft am Fenster oder ein Spaziergang unterstützen das Abschwellen der Schleimhäute. Wenn das Kind problemlos schluckt, können auch kühle Getränke (Zimmertemperatur) helfen. Feste Nahrung ist bis zur deutlichen Besserung aufgrund der Erstickungsgefahr allerdings tabu. Weiterhin gilt absolutes Rauchverbot in der Wohnung, denn Zigarettenrauch reizt die entzündeten Atemwege des Kindes zusätzlich. Ebenfalls abzuraten ist von Erkältungssalben und -tropfen, die ätherische Öle enthalten. Denn sie können einen Anfall ebenfalls verschlimmern.
Ruhe bewahren und beruhigend auf das Kind einwirken
Einatmen feucht-kühler Luft, am Fenster oder vor dem geöffneten Kühlschrank, hilft
für angefeuchtete Raumluft sorgen, zum Beispiel durch Aufhängen feuchter Tücher oder durch verdampfendes Wasser
Heizung abstellen
Rauchverbot in der Wohnung
keine Erkältungssalben oder ätherische Öle auftragen
Wichtig ist, das Kind zu beruhigen, denn Angst und Aufregung verstärken die Atembeschwerden. Bei einem schweren Krupp-Anfall mit starker Atemnot, blasser Haut, Herzrasen und Angst können sich auch die Lippen und später die Fingernägel des Kindes blau färben, ein Zeichen für bedrohlichen Sauerstoffmangel.
Abgabehinweise bei Cortison
Bei leichteren Anfällen sprechen die Kinder auf die genannten unterstützenden Maßnahmen gut an. Trotzdem sollten Eltern nach jedem Anfall mit ihrem Kind zum Arzt gehen. Bei mittelgradigem oder schwerem Verlauf müssen die kleinen Patienten in der Regel medizinisch überwacht werden. Ziel der Behandlung ist es, die entzündeten Schleimhäute zum Abschwellen zu bringen. Die medikamentöse Therapie erfolgt in der Regel mit Glucocorticoiden und/oder Adrenalin. Ärzte verordnen häufig Prednison-haltige Zäpfchen (Rectodelt® 100) oder Prednisolon-haltige Rektalkapseln (Klismacort®). Mit diesen können Eltern bei weiteren Anfällen ihre Kinder behandeln. Die Eltern sollten darauf hingewiesen werden, dass der Wirkungsbeginn nach etwa 30 Minuten eintritt. Falls notwendig, kann die Behandlung maximal einmal wiederholt werden. Eine Gesamtdosis von 200 mg Prednison beziehungsweise Prednisolon pro Tag sollte jedoch nicht überschritten werden, und die Anwendung sollte insgesamt nicht länger als zwei Tage erfolgen. In der Leitlinie »Stenosierende Laryngotracheitis (Krupp) und Epiglottitis« informiert die Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie, dass Studien gezeigt haben, dass auch die Inhalation von topisch wirksamen Steroiden (Flüssiginhalation oder Dosieraerosol mit Spacer) zumindest in gewissen Krankheitsstadien wirksam ist.
Cortison ist auch der Grund dafür, dass Pseudokrupp-Anfälle vorwiegend nachts auftreten. Denn die Produktion des natürlichen Hormons, das unter anderem entzündungshemmend wirkt, ist nicht zu jeder Tageszeit gleich hoch. Am meisten Cortison produziert der Körper tagsüber, am wenigsten gegen Mitternacht.
Die Inhalation von Adrenalin (Epinephrin), beispielsweise über einen elektrischen Vernebler oder ein Zerstäubersystem, lässt die Schleimhäute innerhalb einer halben Stunde abschwellen. Auch als Inhalat ist Adrenalin nicht frei von Nebenwirkungen und darf deshalb nur unter ärztlicher Aufsicht appliziert werden. In Ländern des angloamerikanischen Sprachraums bekommen Kinder nach der Gabe von Adrenalin-Aerosol generell Glucocorticoide, da die Adrenalin-Wirkung nur etwa zwei Stunden anhält. Dieses sogenannte »Rebound-Phänomen« kann durch das Corticoid verhindert werden. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, die Adrenalin-Inhalation zu wiederholen.
Achtung Erstickungsgefahr
Durch die genannten Maßnahmen kommt es bei einem Krupp-Anfall zu rascher Besserung. Die stationäre Behandlung ist daher nur bei starken Beschwerden oder zusätzlichen Erkrankungen erforderlich. Selten besteht so starke Atemnot, dass die Gabe von Sauerstoff oder eine Beatmung erforderlich werden. Unbehandelt kann das Krupp-Syndrom aber lebensbedrohlich sein. Ein Besuch beim Kinderarzt ist deshalb bei jedem Krupp-Anfall anzuraten. Dieser kann zudem rechtzeitig erkennen, ob die ähnliche, aber wesentlich gefährlicher verlaufende Kehldeckelentzündung (Epiglottitis) vorliegt.
Vom Pseudokrupp abzugrenzen ist die Diphtherie, die häufig auch als »echter Krupp« bezeichnet wird. Sie verläuft meist schwerer, weist aber die gleichen Symptome auf: bellender Husten, Heiserkeit, Stimmlosigkeit und Atemnot. Zusätzlich können weitere Symptome auftreten wie Übelkeit, Bauch- und Gliederschmerzen, eitriger Schnupfen oder sehr selten auch eine Geschwürbildung an der Haut (Hautdiphtherie).
Erreger der Diphtherie, die früher auch als »Würgerengel der Kinder« bezeichnet wurde, ist das Corynebacterium diphtheriae. Aufgrund der hohen Durchimpfungsrate ist die Erkrankung in Deutschland sehr selten geworden. Seit 1984 werden laut Robert-Koch-Institut (RKI) nur noch Einzelfälle erfasst. In den Jahren 1998 und 1999 war es jeweils nur eine klinische Diphtherie-Erkrankung, die infolge von Kontakten zu Erkrankten in anderen Ländern auftrat. Ein Diphtherie-Sterbefall hat sich in Deutschland den RKI-Daten zufolge zuletzt 1997 ereignet. Die Krankheit ist jedoch nicht ausgerottet, wie etwa die Pocken. Sobald die Durchimpfungsrate unter einen bestimmten Wert sinkt, nehmen die Erkrankungszahlen wieder zu. Das ist zum Beispiel in Ländern der ehemaligen Sowjetunion zu beobachten, in denen die sehr ansteckende Kinderkrankheit nach dem Zusammenbruch des Systems wieder auf dem Vormarsch ist.