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Neue Studie

10 Kawasaki-ähnliche Fälle bei Kindern in Corona-Hochburg

Bei zehn Kindern mit Covid-19-Infektion in der norditalienischen Lombardei kam es zu schweren Entzündungsreaktionen, die einem Kawasaki-Syndrom ähneln. Experten betonen jedoch, dass es sich trotz ähnlicher Fälle in anderen Ländern insgesamt weiterhin um ein seltenes Phänomen handelt und Covid-19 im Allgemeinen Kindern kaum Probleme bereite.
Daniela Hüttemann
14.05.2020  10:00 Uhr

Das Kawasaki-Syndrom gilt als seltene Erkrankung bei Kleinkindern. Unter anderem treten hohes Fieber, geschwollene Lymphknoten und Hautausschläge auf und es kommt zu einer nekrotisierenden Vaskulitis in den kleinen und mittleren Blutgefäßen. Es wird vermutet, dass es sich um eine überschießende Immunreaktion auf eine Infektion handelt.

In der Lombardei seien in ihrem Krankenhaus in den vergangenen fünf Jahren bis einschließlich Mitte Februar 19 Fälle verzeichnet worden, berichten Forscher um Dr. Lorenzo D’Antiga vom Hospital Papa Giovanni XXIII in Bergamo heute im Fachjournal »The Lancet«. Doch zwischen dem 18. Februar und 20. April kamen zehn weitere Fälle hinzu – eine ungewöhnliche Häufung, die zumindest zeitlich mit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie in der Region zusammenhängt. Acht wurden positiv auf das neue Coronavirus SARS-CoV-2 getestet. Bei den anderen beiden fiel der Antikörpertest negativ aus. Die Autoren geben zu Bedenken, dass der durchgeführte Test eine Sensitivität von 95 Prozent und eine Spezifität von 85 bis 90 Prozent gehabt habe, die Testergebnisse also falsch negativ gewesen sein könnten. Eines der zwei negativ getesteten Kinder habe bereits vor dem Test Immunglobuline erhalten, was mögliche SARS-CoV-2-Antikörper maskiert haben könnte.

Bei den neuen Fällen seien die Symptome schwerer gewesen als die Fälle in den Jahren davor, doch alle Kinder überlebten. Bei sechs von zehn Kindern traten Komplikationen am Herzen auf, im Vergleich zu zwei von 19 vor der Pandemie; fünf von zehn aktuellen Fällen zeigten ein toxisches  Schocksyndrom gegenüber keinem Fall vor Februar. »Eltern sollten sofort medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sich ihr Kind nicht gut fühlt«, betont Studienleiter D’Antiga. »Die meisten Kinder genesen komplett, wenn sie angemessen im Krankenhaus behandelt werden.«

Kinder waren älter als zu erwarten

Neben der schwereren Symptomatik war ein Unterschied, den die Ärzte beobachteten, dass die betroffenen Kinder ab Mitte Februar älter waren (im Durchschnitt 7,5 Jahre) als sonst (3 Jahre). Die Autoren halten einen kausalen Zusammenhang mit der Zunahme Kawasaki-ähnlicher Fälle und der Coronavirus-Pandemie für wahrscheinlich, da ähnliche Beobachtungen auch in anderen hart betroffenen Gebieten gemacht wurden, zum Beispiel in New York. Dort sind Medienberichten zufolge mindestens 38 Kinder an dem Syndrom erkrankt; drei verstarben: ein Fünfjähriger, ein Grundschüler und ein Jugendlicher. Es soll weitere Verdachtsfälle geben.

Die italienischen Forscher befürchten, dass ähnliche Anstiege des Syndroms in anderen vom Coronavirus hart betroffenen Regionen folgen könnten. Sie betonen jedoch, dass es sich weiterhin um ein seltenes Phänomen handelt. In einem begleitenden Kommentar schreibt der Professor für Kinder- und Jugendmedizin Dr. Russell Viner vom britischen Royal College of Paediatrics and Child Health, der an der Studie nicht beteiligt war: »Auch wenn der Artikel eine wahrscheinliche Verbindung zwischen einem auftretenden inflammatorischen Syndrom und Covid-19 nahelegt, ist es wichtig zu betonten, sowohl für Eltern als auch für Heilberufler, dass Kinder insgesamt wenig von einer SARS-CoV-2-Infektion betroffen sind.«

Die zugrunde liegenden Zusammenhänge besser zu verstehen, ob es sich zum Beispiel um ein Antikörper-vermitteltes Phänomen handelt, sind auch entscheidend für die Impfstoffentwicklung. Zudem könnte sich aus dem Verständnis dieser Entgleisung des Immunsystems auch eine Erklärung ableiten, wieso einige Kinder schwer erkranken, während die große Mehrheit keine oder nur milde Symptome zeigt

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